3. Dezember 2021
Verkehrsdurchsetzung Farbmarke Markenregister
Markenrecht

Farbmarken – Wird das Markenregister bald farbloser?

Nach der neuen Rechtsprechung des BGH gehen Zweifel an der Verkehrsdurchsetzung von Farbmarken zu Lasten des Markeninhabers.

Farben werden in der Regel nicht als ein Hinweis auf die Herkunft der Produkte gesehen, sondern als dekorative Gestaltung. Deshalb können sie nicht als Marke eingetragen werden, es sei denn, die Farbe wird aufgrund ihrer intensiven Benutzung von einem wesentlichen Teil der angesprochenen Konsumenten in ganz Deutschland für die betreffenden Produkte als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkannt. Dies wird als Verkehrsdurchsetzung bezeichnet. 

Schutz von Farbmarken durch Verkehrsdurchsetzung – Nivea-Blau, Sparkassen-Rot, Milka-Lila

Entscheidend für die Beurteilung der Verkehrsdurchsetzung sind der Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern und von anderen Berufsverbänden.

In der Regel ist bei Farbmarken aber eine Verkehrsumfrage unter den angesprochenen Konsumenten erforderlich, der die größte Beweiskraft zukommt. So sind bspw. das Blau von Nivea, das Rot der Sparkasse und das Lila von Milka als Farbmarken im Register aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen. Mit dem Schutz dieser Zeichen haben sich die Gerichte bereits befasst.

NJW-Orange als Farbmarke

Nunmehr hatten sich die Gerichte mit der Verkehrsdurchsetzung der Farbe Orange der Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift (kurz NJW) auseinanderzusetzen. Was die BRAVO unter Teenies ist, ist die NJW unter Juristen. Alle Juristen kennen die knallorange Aufmachung der Zeitschrift NJW, die in Kanzleien und Bibliotheken ausliegt.

Im Jahr 2009 wurde das Orange auf Basis einer Verkehrsdurchsetzung als Farbmarke ins Register eingetragen. Im Jahr 2015 wurde trotz der großen Bekanntheit der NJW von einem Dritten Antrag auf Löschung der Marke gestellt, unter anderem mit der Begründung, dass es der Marke an Verkehrsdurchsetzung fehle.

Der Markeninhaber, der Beck Verlag, hat sich selbstverständlich verteidigt und unter anderem belegt, dass die NJW mindestens seit 1976 mit dem orangefarbenen Zeitschriftenumschlag erscheint, einen hohen Marktanteil hat und der Farbton auch in der Werbung und auf der Website plakativ verwendet wurde. Zudem hat der Markeninhaber Erklärungen der Industrie- und Handelskammer und der Bundesrechtsanwaltskammer aus dem Jahr 2009 vorgelegt, in denen übereinstimmend die Einschätzung mitgeteilt wird, dass die angesprochenen Verkehrskreise in dem geschützten Farbton einen Herkunftshinweis sehen. 

Alte Rechtslage: Zweifel an der Verkehrsdurchsetzung gehen zu Lasten des Löschungsantragstellers

Das Bundespatentgericht (BPatG) hat in seinem Beschluss vom 26. Februar 2020 – 29 W (pat) 24/17 – zunächst festgestellt, dass es auf die Ansicht der Juristen ankommt, für welche die aktuelle Rechtsprechung, die in der NJW behandelt wird, bedeutend ist. Die Juristen müssten in dem Orange auch einen Herkunftshinweis für eine Fachzeitschrift sehen, insbesondere da es so plakativ auf dem Zeitschriftenumschlag verwendet wird.

Entscheidend war sodann aber die Frage, ob das Orange auch von den Juristen in ganz Deutschland der NJW zugeordnet wird. Das BPatG hat angenommen, dass die vorgelegten Unterlagen und selbst ermittelten Umstände die Durchsetzung der Farbe „Orange“ für die Ware „Juristische Fachzeitschriften“ in den maßgeblichen Verkehrskreisen auch ohne Verkehrsumfrage nahelegten. Es dürfte nach Ansicht des BPatG kaum einen Juristen geben, der die NJW mit ihrer typischen orangefarbenen Titelseite nicht kenne.

Sodann hat das BPatG ausgeführt, dass es nicht zweifelsfrei sei, dass die Tatsachen und Indizien, die eine hohe Bekanntheit der NJW belegten, ausreichend seien, um den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung zu erbringen. Eine Löschung der angegriffenen Marke hat das BPatG allerdings nicht angeordnet, da im Löschungsverfahren etwaige Zweifel an ein etwaig bestehendes Schutzhindernis im Anmeldezeitpunkt zu Lasten des Antragstellers des Löschungsverfahrens gingen.

Auch nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH gingen etwaige Zweifel zu Lasten des Löschungsantragstellers und nicht des Markeninhabers.

Neue Rechtslage: Zweifel an der Verkehrsdurchsetzung gehen zu Lasten des Markeninhabers

Der BGH hat sich in seinem Beschluss vom 22. Juli 2021 – I ZB 16/20 – jedoch ausdrücklich von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewandt. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes stellten die Richter fest, dass nunmehr etwaige Zweifel zu Lasten des Markeninhabers gingen. Den Markeninhaber treffe die Beweislast, dass seine Marke Verkehrsdurchsetzung erlangt habe.

Der BGH hat dem BPatG auf den Weg gegeben, dass dem Beck Verlag die Möglichkeit eingeräumt werden muss, ergänzende Nachweise, insbesondere eine Verkehrsumfrage, vorzulegen oder die Einholung eines gerichtlichen Gutachtens zu beantragen.

Zukünftige Löschungsantrags-Welle?

Generell könnte die Umkehr der Rechtsprechung dazu führen, dass mehr Löschungsanträge gestellt werden. Diese können nicht nur Farbmarken blühen, sondern sich auch gegen andere Marken richten, die aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen sind. Markeninhaber dürften jetzt etwaigen Zweifeln primär mit den Ergebnissen einer Verkehrsumfrage begegnen können.

Vorliegend wird es ernst für den Beck Verlag und sein NJW-Orange. Unter Juristen, denen tagtäglich das Orange der NJW begegnet, dürfte es aber kaum Bedenken geben, dass dem Beck Verlag der Nachweis der Verkehrsdurchsetzung ohne Zweifel gelingen wird und nicht nur die NJW weiterhin in ihrem Orange erstrahlt, sondern auch das Markenregister.

Generell ist die Hürde des Nachweises der Verkehrsdurchsetzung durch die Rechtsprechungsänderung gestiegen. Es bleibt daher mit Spannung abzuwarten, wie sich die Eintragung und Löschung von Farbmarken künftig entwickeln und ob das Markenregister farbloser wird.

Tags: Farbmarke Löschung Verkehrsdurchsetzung Zweifel