Das Landgericht Düsseldorf hat einem Dresdner Independent-Buchverlag die weitere Verbreitung des Buchtitels „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ des Autors Julius Fischer verboten (Urteil vom 27. März 2014, Az.: 37 O 6/14 U).
Vorausgegangen war ein Verfügungsantrag des Münchener Verlags der Bestseller-Reihe „Die Wanderhure″. Dieser sah in der Veröffentlichung des Buches eine Verletzung seiner geschützten Werktitel. Die „Wanderhuren″-Reihe von Iny Lorentz, hinter der sich das deutsche Schriftstellerehepaar Ingrid Klocke und Elmar Wohlrath verbirgt, umfasst mittlerweile vier Bücher, die alle mit großem Erfolg auch international verkauft wurden.
Drei Titel der Saga sind inzwischen verfilmt worden, wobei allein die TV-Adaption des ersten Bandes „Die Wanderhure″ 9,75 Millionen Menschen in Deutschland sahen. Die Romane behandeln das Schicksal einer Frau im Südwestdeutschland des 15. Jahrhunderts, die als so genannte „Wanderhure″ umherzieht.
Der von dem Dresdner Verlag veröffentlichte Kurzgeschichtenband des Autors Julius Fischer mit dem Titel „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure″ und dem Untertitel „Kein historischer Roman″ umfasst satirische Kurzgeschichten und Glossen. Im ersten Kapitel des Buches befasst sich der Autor mit der aggressiven Vermarktung von Bestsellern aller Literatur-Genres und verfremdet bekannte Buchtitel auf ironische Weise.
Nach Auffassung seiner Verlagsleiter war es nicht die Absicht des Verlags, den Erfolg der Wanderhuren-Bücher auszunutzen. Zwischen den in Rede stehenden Titeln bestehe insbesondere wegen der abweichenden optischen Gestaltung keine Verwechslungsgefahr. Der Titel des von ihnen verlegten Werkes sei satirisch zu verstehen und daher von der Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG geschützt.
Das Landgericht Düsseldorf sah dies anders und bejahte einen Anspruch des Verlags der „Wanderhuren″-Reihe aus § 15 Abs. 3, 4 i.V.m. § 5 Abs. 1, 3 MarkenG. Es erscheine nicht fernliegend, dass der Verkehr, der sich nicht mit dem Inhalt des Werkes beschäftigt hat, den Titel wörtlich nimmt und tatsächlich davon ausgeht, er diene der Kennzeichnung eines Werkes, das sich auf der Grundlage der Wanderhuren-Reihe mit der Beschreibung von Wanderwegen befasse, zumal die Titelfigur der Romane auch als „Wanderhure″ umherziehe.
Das Recht der Antragsgegnerin aus Art. 5 Abs. 3 GG trete hinter das durch das Eigentumsgrundrecht und durch §§ 5, 15 MarkenG geschützte Recht der Antragstellerin an ihren Werktiteln zurück. Der von der Antragsgegnerin verwendete Titel beeinträchtige den Wirkbereich des auch zugunsten der Antragstellerin wirkenden Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 GG, weil sich die Verwendung des Werktitels „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure″ auf die Verbreitung der Titel der Antragstellerin durch die von ihm hergestellte Nähe „störend″ auswirke.
Der Antragsgegnerin ist es nun noch gestattet, die vorhandenen Vervielfältigungsstücke des streitgegenständlichen Werkes bis zum 27. September 2014 auszuverkaufen. Nach Angabe des Verlags ist die erste Auflage aber ohnehin bereits vergriffen.
Dass der Verkehr ein Buch mit dem Titel „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure″ und dem expliziten Verweis „Kein historischer Roman″ als Fortsetzung der Wanderhuren-Reihe ansieht, erscheint angesichts des abweichenden Duktus fraglich. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der andersartigen Titelgestaltung.
Der Begriff „Wanderhure″, den der Duden nicht kennt, besitzt andererseits eine hohe Unterscheidungskraft. Zudem zeigen andere Beispiele, dass die Herausbringung von Derivativwerken (wie etwa Reiseführer) zur zusätzlichen Vermarktung der Ausgangswerke oder als Trittbrettgeschäft nicht selten ist.
So kann man „Auf den Spuren von ‚Der Schatten des Windes'″ (so die offizielle Ankündigung) mit dem Autor Carlos Ruiz Zafón durch Barcelona wandeln („Mit Carlos Ruiz Zafón durch Barcelona: Ein Reiseführer, erschienen Suhrkamp Verlag) oder literarisch die Schauplätze von Dan Browns Romanen „Illuminati″ und „Sakrileg″ nachvollziehen (Oliver Mittelbach, „Dan Browns Thrillerschauplätze als Reiseziel″, erschienen bei Books & Friends).
Insofern ist die Sorge des Verlags der „Wanderhuren″-Romane, unbefangene Dritte würden den Titel des Kurzgeschichtenbands für eine lizenzierte Ausgabe der Reihe halten, im Grundsatz nicht fernliegend.
Der Verlag von Julius Fischer hat nun angekündigt, in Berufung zu gehen. Zur Finanzierung der Anwalts- und Gerichtskosten hatte das Unternehmen eine Crowdfunding-Kampagne im Internet gestartet. Mittlerweile sind die Kosten gedeckt.
Unterdessen laufen beim Münchener Verlag die Planungen zur Veröffentlichung des fünften Teils der „Wanderhuren″-Reihe. Der Titel steht offenbar schon fest. Er lautet: „Die List der Wanderhure″.