Der Auftraggeber eines künstlerischen Werkes ist grundsätzlich auch bei Nichtgefallen am abgelieferten Auftragswerk zur Werklohnzahlung verpflichtet.
Das OLG Köln hat mit seinem Urteil (v. 14. November 2018 – Az.: 11 U 71/18) die Bedeutung der künstlerischen Gestaltungsfreiheit für das Vertragsrecht besonders hervorgehoben. Auch hat es betont, dass eine nachträgliche Korrektur nur ausführbar sei, sofern der Auftraggeber dem Künstler konkrete Änderungswünsche rechtzeitig mitteile.
Hintergrund: Vertragliche Vereinbarung über die Fertigung eines Videoclips
Ein Unternehmen hatte bei einer Künstleragentur die Erstellung eines Videoclips durch einen bestimmten Künstler in Auftrag gegeben. Der Clip, in dem Videosequenzen von Prominenten abgespielt und von dem Künstler in der Tonspur parodiert werden sollten, war zur Vorführung beim anstehenden Firmenjubiläum gedacht. Mit dem von dem Künstler abgelieferten Videoclip zeigte sich der Auftraggeber jedoch sichtlich nicht zufrieden. Er monierte, dass ihm das Video nicht gefalle. Zudem habe der Künstler bei der Umsetzung des Videoclips einige der vertraglich festgehaltenen Rahmenvorgaben (z.B. die Länge des Clips und die Reihenfolge der Videosequenzen) nicht beachtet. Der Künstler schlug daraufhin eine Kürzung vor und bat um die Angabe von konkreten Änderungswünschen. Diese äußerte der Auftraggeber jedoch zunächst nicht, im weiteren Verlauf dann erst kurz vor dem geplanten Firmenjubiläum. Eine Anpassung des Videoclips war zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr möglich. Letztlich nahm der Auftraggeber das Werk weder ab noch nutzte er den Videoclip als Programmpunkt für sein Firmenjubiläum.
Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts
Sofern nach vertraglicher Vereinbarung die Herstellung eines verkörperten geistigen Werkes geschuldet wird, findet das Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB) Anwendung. § 650 BGB, der für einen Vertrag über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen auf das Kaufrecht verweist, hat für derartige Geschäftsbeziehungen keine Relevanz. Denn charakteristisches Leistungselement ist nicht die Lieferung des erstellten Kunstwerkes, sondern vielmehr die kreative Erschaffung des Werkes.
Vorinstanz weist Anspruch auf Werklohnzahlung ab
Das LG Köln wies mit Urteil vom 22. März 2018 – 27 O 291/16 die Klage der Künstleragentur auf Zahlung des ursprünglich vereinbarten Werklohns ab. Zur Begründung führte es aus, dass der Werklohnanspruch mangels Abnahme noch nicht fällig sei.
Zu einer Abnahme sei der Auftraggeber selbst unter Berücksichtigung der grundsätzlich zugunsten des Künstlers geltenden Gestaltungsfreiheit nicht verpflichtet, zumal es das LG Köln nach durchgeführter Beweisaufnahme als erwiesen ansah, dass das Auftragswerk nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprach.
OLG Köln hebt künstlerische Gestaltungsfreiheit hervor und spricht Werklohn zu
Mit seiner Entscheidung vom 14. November hebt das OLG Köln das erstinstanzliche Urteil auf und spricht dem Kläger einen Werklohnanspruch zu. Die Vorinstanz habe vor allem den Grundsatz der künstlerischen Gestaltungsfreiheit, der auch den Inhalt privatrechtlicher Beziehungen prägt, nicht hinreichend beachtet.
Zwar geht auch das OLG Köln davon aus, dass sich der Künstler bei der Produktion des Videoclips teilweise über die Vorgaben des Auftraggebers hinweggesetzt habe. Jedoch könne die Abnahme eines Auftragswerks nicht allein mit der Begründung verweigert werden, dass das individuell hergestellte Endprodukt nicht dem Geschmack des Auftraggebers entspreche. Eine derartige Auslegung des Werkvertragsrechts sei wegen der im Rahmen von schöpferischen Leistungen zu beachtenden Gestaltungsfreiheit geboten. Da die besagte Freiheit ebenso mögliche Nachbesserungen des Ursprungswerks betreffe, obliege es dem Auftraggeber, genaue Vorgaben hinsichtlich gewünschter Änderungen kundzutun.
In diesem Zusammenhang betont das OLG Köln, dass die Fertigstellung des in Auftrag gegebenen Videoclips zu einem ganz bestimmten Termin, nämlich dem Firmenjubiläum, erfolgen sollte. Etwaige Nachbesserungen nach Abschluss der Feierlichkeiten wären für den Auftraggeber dementsprechend ohne Wert gewesen. In zeitlicher Hinsicht hätte er seine konkreten Änderungswünsche also mit hinreichenden Abstand zum geplanten Event an den Künstler herantragen müssen. Nur auf diese Weise hätten die angedachten Modifikationen künstlerisch noch vor dem Firmenjubiläum umgesetzt werden können. Mangels rechtzeitiger Information habe der Auftraggeber die Vornahme einer vertragsgemäßen Leistung selbst vereitelt, sodass im Ergebnis ein Anspruch des Klägers auf Entlohnung zu bejahen sei.
Einschränkungen der künstlerischen Gestaltungsfreiheit nur im Wege konkreter Abreden möglich
Zumindest partiell steht die Entscheidung des OLG Köln im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung: Der BGH hatte sich bereits 1956 in seinem Urteil „Kirchenfenster“ (Urteil vom 24. Januar 1956 – VI ZR 147) mit dem Spannungsverhältnis zwischen Vertrags- und künstlerischer Gestaltungsfreiheit beschäftigt. Im Rahmen seiner Entscheidung hatte der BGH sodann den Grundsatz herausgearbeitet, wonach
der Gestaltungsfreiheit des Künstlers […] das Risiko des Bestellers [entspricht], ein Werk abnehmen zu müssen, das ihm nicht gefällt.
Zu Recht wird das OLG Köln nicht müde zu betonen, dass es sich bei der aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG hergeleiteten künstlerischen Gestaltungsfreiheit um ein hohes Gut handelt. Wie auch der BGH stellt das OLG Köln gleichzeitig klar, dass diese Freiheit nur im Wege konkreter Vorgaben eingeschränkt werden kann. Je detailreicher die Vorgaben des Werkbestellers sind, desto geringer ist der Umsetzungsspielraum des Künstlers. In diesem Zusammenhang berücksichtigt das OLG Köln zugunsten des Auftraggebers, dass Einschränkungen der künstlerischen Gestaltungsfreiheit auch während eines (telefonischen) Briefings erfolgen könnten. Unter Briefing sei eine Unterrichtung oder eine Einweisung zu verstehen. Es unterscheide sich dadurch von einer Aufgabenstellung, dass es Spielraum gewähre, um das (kreative) Ergebnis zu erhalten.
Darlegungs- und Beweislast für die Einschränkung der künstlerischen Freiheit liegen beim Auftraggeber
Für Existenz und Inhalt etwaiger vertraglicher Einschränkungen der künstlerischen Freiheit ist nach Auffassung des OLG Köln im Regelfall der Auftraggeber darlegungs- und beweispflichtig.
Der BGH hat zwar in einem Fall (Urteil vom 23. Oktober 2008 – VII ZR 64/07) ohne künstlerischen Einschlag entschieden, dass der Auftragnehmer – und damit eben nicht der Auftraggeber – vor Abnahme seiner Werkleistung die Beweislast für deren Mangelfreiheit trage. Im konkreten Fall mit künstlerischen Einschlag seien nach dem OLG Köln aber die folgenden zwei Aspekte ausschlaggebend für dessen divergierende Auffassung:
Zum einen beruft es sich auf den allgemeinen Grundsatz, wonach jede Partei die für sie günstigen Tatsachen darlegen und beweisen muss. Vorliegend sei gerade der Auftraggeber bestrebt, sein Recht zur Verweigerung der Abnahme aus einer vertraglichen Vereinbarung herzuleiten. Zum anderen entspreche diese Beweislastverteilung dem Regel-Ausnahme-Verhältnis bei Verträgen mit künstlerischem Einschlag. Im Regelfall stehe dem Künstler für die Herstellung eines schöpferischen Werks ein Gestaltungsspielraum zu; von beschränkenden vertraglichen Abreden könne nur im Ausnahmefall ausgegangen werden. In diesem Punkt kann das Urteil als eine Fortentwicklung der BGH-Entscheidung „Kirchenfenster“ aus dem Jahr 1956 verstanden werden.
Ob sich (zu) viele Restriktionen allerdings förderlich auf den kreativen Schaffensprozess auswirken, ist eine andere Frage.