14. Dezember 2017
Filesharing Abmahnung
Urheberrecht

Weihnachtszeit, Downloadzeit? Illegales Filesharing unter neuer Rechtslage

Illegales Filesharing kann nach wie vor abgemahnt werden. Bei Heim- und Familienanschlüssen steht die Rechtsdurchsetzung aber vor neuen Herausforderungen.

Weinachten bedeutet neben gemeinsamem Bratenverzehr und innerfamiliärem Güteraustausch vor allem unter demselben Dach verbrachte Freizeit mit der Familie. Wenig besinnliche Folgen kann es dabei haben, wenn diese Zeit nicht nur sozialadäquat zur Erprobung neuester elektronischer Unterhaltungsmittel genutzt wird, sondern über den Familienanschluss illegales Filesharing betrieben wird.

Nach Filesharing droht Abmahnung im neuen Jahr

Auch in Zeiten von Streaming Diensten und erschwinglichen digitalen Bibliotheken für Musik, Filme oder E-Books kommt es noch vor: das illegale Filesharing urheberrechtlich geschützter Werke durch deren Up- und Download.

Trotz vielerlei technischen und rechtlichen Wandels im Detail ist das klassische Szenario dabei unverändert geblieben: Rechteinhaber identifizieren über die beim illegalen Filesharing verwendete IP-Adresse einen Anschlussinhaber. Diesem wird eine Abmahnung zugestellt nebst vorformulierter Unterlassungserklärung und Anwaltsrechnung aus einem Gegenstandswert, der nach § 97a UrhG für den Regelfall auf EUR 1.000,00 gedeckelt ist. Gegebenenfalls werden noch weitere Kosten der Rechtsverfolgung und der Forderung nach Schadensersatz in dem Schreiben geltend gemacht.

Der Anschlussinhaber als Täter

Als Täter der Urheberrechtsverletzung wird von den Gerichten auf Grundlage einer tatsächlichen Vermutung zunächst der Anschlussinhaber angesehen. Nach Ansicht der Rechtsprechung ist typischerweise davon auszugehen, dass der Anschlussinhaber derjenige ist, der unter der dem Anschluss zugewiesenen IP-Adresse diesen persönlich genutzt hat.

Dies trifft allerdings in vielen Szenarien nicht zu. Neben Gewerbetreibenden oder Freifunkern, die ihren Anschluss kostpflichtig, werbefinanziert oder für den Nutzer ohne jede Einschränkung kostenlos zur Verfügung stellen, sind dies besonders die Fälle gemeinsam genutzter Heim- und Familienanschlüsse. Bei der Abmahnung im Nachgang zum festtäglichen Beisammensein erwidern Anschlussinhaber häufig mit der (Schutz-) Behauptung, man selber habe ja noch nie so etwas wie Filesharing betrieben, das müsse wohl eines der Kinder oder gar der Partner gewesen sein.

Ganz so einfach entlassen die Gerichte den Anschlussinhaber aber nicht aus der Täterhaftung. Ihn trifft eine sekundäre Darlegungslast, im Rahmen derer er mehr vortragen muss als die bloße Möglichkeit, ein Familienmitglied könne die Rechtsverletzung begangen haben. Abhängig vom konkreten Einzelfall muss er Nachforschungen über den möglichen Täter anstellen und deren Ergebnis mitteilen. Die Nutzungssituation zum Zeitpunkt der geltend gemachten Rechtsverletzung muss im Detail dargelegt werden.

Ist dem Anschlussinhaber der Täter bekannt, muss er diesen konkret benennen, wenn er sich selbst entlasten will. Der Umfang der Nachforschungspflichten ist in vielen Detailfragen allerdings noch ungeklärt. Kurz vor dem Aufbau der Weihnachtsdekoration hat das AG Nürnberg mit Urteil vom 25. Oktober 2017 (Az.: 32 C 3784/17) entschieden, dass ein aufsichtspflichtiger Anschlussinhaber die Hardware minderjähriger Anschlussnutzer nicht nur auf das Vorhandensein von Filesharingsoftware durchsuchen muss. Er muss sich ferner auch davon überzeugen, dass keines der in der Abmahnung erwähnten Werke vorhanden ist.

Störerhaftung passé

In der Vergangenheit konnten Rechtsinhaber sich in vielen Fällen zumindest hilfsweise auf die Störerhaftung des Anschlussinhabers berufen. Danach haftete dieser bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten, wie die Belehrung minderjähriger Anschlussnutzer oder die hinreichende Sicherung des Anschlusses gegen unbefugte Nutzung durch beliebige Dritte. Die Störerhaftung erstreckte sich zwar nicht auf Schadensersatz, dafür aber auf Unterlassung und Erstattung der Kosten für Abmahnung und Rechtsverfolgung.

Diese Form der Störerhaftung hat der deutsche Gesetzgeber mit der TMG Novelle 2017 beseitigt. Nach § 8 Abs. 1 S. 2 TMG haften Diensteanbieter – worunter nach Abs. 3 ausdrücklich auch (private) WLAN-Betreiber fallen – ausschließlich bei einer Beteiligung an rechtswidrigen Handlungen Dritter auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassen. Nach § 7 Abs. 4 TMG können Rechteinhaber vom Anschlussinhaber, der keinen eigenen Tatbeitrag geleistet hat, lediglich die Einrichtung von Netzsperren verlangen. Ein Anspruch auf Erstattung der mit dieser Rechtsdurchsetzung verbundenen vor- und außergerichtlichen Kosten besteht nicht.

Der Anspruch auf Einrichtung von Netzsperren dürfte zudem jenseits dieser Kostenregelung nicht besonders praktikabel gegenüber Inhabern von privat genutzten Anschlüssen zu handhaben sein. Es ist zu erwarten, dass dieser Anspruch stattdessen gegenüber den Telekommunikationsunternehmen als vorgelagerten Access-Providern und großen kommerziellen Zugangsanbietern mit einer Vielzahl von Nutzern durchgesetzt werden wird.

Alle Jahre wieder – noch lange keine sichere Rechtslage

Ist damit der Anschlussinhaber, dem es im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast gelingt, hinreichend detaillierte Angaben zu möglichen Tätern zu machen, aus der Haftung entlassen? Nach derzeitiger Praxis des Bundesgerichtshofs und dem Wortlaut des TMG ist das der Fall. Das Landgericht München I zweifelt jedoch an der Vereinbarkeit der BGH-Rechtsprechung mit europäischem Recht und hat dem EuGH diese Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Die Vereinbarkeit der TMG Novelle 2017 mit europäischem Recht ist ebenfalls kritisch zu hinterfragen. Das europäische Recht verlangt einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Nutzern und Rechteinhabern und eine effektive Durchsetzbarkeit von Rechten des geistigen Eigentums. Ist die fast völlige Versagung von Kostenerstattung im Falle berechtigter Ansprüche gerecht? Lässt sich bei der gegenwärtigen Rechtslage kombiniert mit der Rechtsprechung zur sekundären Darlegungslast noch von einer effektiven Rechtsdurchsetzung sprechen? Bevor in diesen Fragen besinnliche Klarheit besteht, werden wohl noch einige Weihnachten vergehen.

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