12. August 2019
Sampling Urheberrecht
Urheberrecht

EuGH-Entscheidung zur Rechtmäßigkeit von Musik-Sampling

Neue europäische Vorgaben: EuGH entscheidet, dass das Sampling kurzer Musiksequenzen unter gewissen Umständen zulässig sein kann.

Beim sogenannten „Sampling“ (neudeutsch für „elektronisch kopieren“) nutzen Musiker kurze Klangfolgen anderer Komponisten und bauen sie in ihre eigenen Musikstücke ein. Für die einen bedeutet dies Weiterentwicklung der Musikkultur unter Lobpreisung des kopierten Künstlers, andere sehen hierin dreisten Diebstahl.

In einer lang erwarteten Entscheidung hat sich nun der EuGH zur Rechtmäßigkeit solcher Musik-Samplings geäußert (EuGH, Urteil vom 29. Juli 2019 – C-476/17).

Der dem Verfahren zugrunde liegende Fall liegt bereits Jahrzehnte zurück

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Verfahren ging es um die Verwendung einer zweisekündigen Rhythmussequenz, die dem Tonträger der bekannten Musikgruppe Kraftwerk entnommen und von dem Produzenten Moses Pelham für einen eigenen Musiktitel verwendet worden war. Der Beklagte hatte im Jahre 1997 eine zweisekündige Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ der Kläger entnommen und sodann unter Dauerschleife unter den eigenen Song „Nur mir“ gelegt, anstatt die Rhythmussequenz selbst einzuspielen.

Die Kläger sahen sich hierdurch in ihrem Leistungsschutzrecht als Tonträgerhersteller verletzt. Sie verlangten sowohl Unterlassung als auch Schadensersatz und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke ihrer Vernichtung. Die zivilgerichtlichen Instanzen gaben den Klägern nach langem hin und her schließlich Recht.

Das Bundesverfassungsgericht hob die Urteile nach eingelegter Verfassungsbeschwerde mit dem Argument der Kunstfreiheit wieder auf und verwies die Sache zurück an den BGH. Dieser war der Ansicht, dass der Erfolg des Verfahrens entscheidend von der Auslegung der Art. 2 Buchst. c und Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29 sowie Art. 9 Abs. 1 Buchst. b und Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 abhänge und legte dem EuGH daher insgesamt sechs Fragen vor. Die Richter sollten vor allem klären, ob durch die Entnahme von – auch sehr kurzen – Tonsequenzen und anschließendem Einfügen in einen anderen Tonträger, ein Eingriff in das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers im Sinne der Richtlinie vorliegt.

Grundsätzlich steht jedem Tonträgerhersteller ein ausschließliches Recht zu, aber …

Nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 ist jeder Tonträgerhersteller ausschließlich dazu berechtigt,

die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten.

Eine Verwendung des Tonträgers von Seiten Dritter bedürfe daher grundsätzlich der Zustimmung des Tonträgerherstellers. Dies gelte auch, wenn es sich hierbei lediglich um eine sehr kurze Sequenz handele – so nun der EuGH. Gleichzeitig geben die Richter aber eine Ausnahme vor, die den Weg für das Musik-Sampling ebnen soll: Ein Eingriff in das ausschließliche Recht des Tonträgerherstellers liege nämlich dann nicht vor, wenn das kopierte Fragment

in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form

eingefügt werde. Eine solche Ausnahme gebiete die Kunstfreiheit, da das unter Verwendung des Samplings neu geschaffene Werk eine künstlerische Ausdrucksform darstelle, die den umfassenden Schutz der Freiheit der Kunst genieße. Folglich handle es sich bei einer entsprechenden Vorgehensweise nicht um eine „Vervielfältigung“ im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29.

Um eine „Kopie“ des ursprünglichen Tonträgers im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115 handle es sich ebenfalls nicht, wenn der Künstler nur einzelne, kurze Fragmente des Tonträgers und keine wesentlichen Teile oder gar den ganzen Tonträger übernehme. Denn Hintergrund dieser Vorschrift sei insbesondere die Bekämpfung der Piraterie, also der Herstellung und Verbreitung nachgeahmter Tonträger.

Auch um ein „Zitat“ im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29 könne es sich bei einem Sampling nicht handeln, wenn das zitierte Werk als solches unter den oben genannten Voraussetzungen nicht erkennbar ist.

Wiedererkennbarkeit im Hip-Hop gerade gewünscht?

Vor allem im Hip-Hop ist das Sampling von Musik eine weitreichende Übung. Viele der Künstler sind der Ansicht, dass es den Hip-Hop ohne ein Sampling in dieser Form gar nicht geben könne. Es gehe hierbei schließlich stets um ein offenes Auseinandersetzen mit der Kunst, bei dem eine Wiedererkennung gerade gewünscht und bezweckt wird. Dies steht naturgemäß im genauen Gegensatz zu dem, was die europäischen Richter nun entschieden haben.

Fazit: Eigentlich Alles beim Alten

Dass das Sampling von – auch sehr kurzen – Musik-Sequenzen grundsätzlich nur mit Erlaubnis des Tonträgerherstellers zulässig ist, ist keine wirkliche Überraschung. So hatten es bereits der BGH und im Grundsatz auch das BVerfG gesehen.

Zugleich ist der vom EuGH geschaffene Ausnahmefall, dass kein Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers vorliegt, wenn die Sequenz in eindeutig nicht wiedererkennbarer Weise in das neue Stück eingefügt wird, im deutschen Urheberrecht bereits in § 24 UrhG durch das Institut der „freien Benutzung“ geregelt. Dies allein stellt also – zumindest für das deutsche Recht – keine neue Erkenntnis dar.

Die vom EuGH umschriebene Ausnahme, die vermeintlich die Möglichkeit eines zulässigen Musik-Samplings schafft, vermag vielmehr den Sinn, der hinter dieser Musikkultur steht, nicht zu erfassen: Denn beim eigentlichen „Sampeln“ geht es ja gerade darum, dass das kopierte Musikstück erkennbar und als Fragment deutlich wahrnehmbar in das eigene Stück eingebaut wird. Genau dies ist der künstlerische Aspekt des Musik-Samplings, das eben bezweckt, einen nicht geänderten Teil des Originalstücks zu übernehmen. Das klassische Sampling von Musik bleibt also im Ergebnis hiernach unzulässig.

Der EuGH hat indes durch das Urteil lediglich die entscheidenden Maßstäbe zur Entscheidung streitiger Fälle dieser Art vorgegeben. Aktuell liegt der Ball wieder beim BGH, der alsbald über das entsprechende Verfahren unter Beachtung der europäischen Vorgaben entscheiden muss (BGH – I ZR 115/16 – anhängig).

Tags: Bearbeitung Metall auf Metall Musik Sampling Urheberrecht