9. Mai 2017
Panoramafreiheit Kussmund
Urheberrecht

Panoramafreiheit: Darf ich Kunstwerke, die sich auf Schiffen oder Autos befinden, fotografieren?

Der BGH beantwortet eine alte Streitfrage: Die sog. Panoramafreiheit erstrecke sich auch auf Kunstwerke, die nicht "ortsfest" sind.

Die Panoramafreiheit ist eine wichtige Schranke der Rechte des Urhebers. Nach § 59 UrhG ist es zulässig, urheberrechtlich geschützte Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben.

Im Kern der Auseinandersetzung vor dem BGH stand nun die Frage, ob urheberrechtlich geschützte Werke, die sich an Schiffen befinden, unter die Panoramafreiheit fallen. Der BGH bejaht dies (Urteil vom 27.04.2017 – I ZR 247/15).

AIDA-Kussmund auf Fotografie im Internet verbreitet

Die Klägerin ist eine Veranstalterin von Kreuzfahrten. Ihre Kreuzfahrtschiffe sind mit dem berühmten „AIDA-Kussmund″ dekoriert. Die Klägerin ist Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an dem Motiv und kann deshalb grds. entsprechende Verbietungsrechte ggü. Dritten ausüben.

Der Beklagte betrieb eine Webseite mit Reiseinformationen. Auf dieser Seite veröffentlichte er das Foto der Seitenansicht eines Schiffes der Klägerin, auf dem der „AIDA-Kussmund″ zu sehen ist. Die Klägerin sah sich in ihren Rechten verletzt und beantragte, dem Beklagten zu verbieten, das Motiv weiter im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Zudem begehrte sie die Feststellung seiner Schadensersatzpflicht.

Nachdem das Landgericht die Klage abwies und die Berufung ohne Erfolg blieb, wies nun auch der BGH die Revision der Klägerin zurück.

BGH: Kussmund auf der AIDA „bleibend“ im Sinne des § 59 UrhG

Von einiger Bedeutung ist das Wort „bleibend″ in § 59 UrhG. Bleibend befinden sich an öffentlichen Orten nur Werke, die dort für die Dauer ihrer Existenz verbleiben. Bei architektonischen Werken wie Häuser oder feste Skulpturen ist dies unproblematisch der Fall. Fotos von der Elbphilharmonie oder dem Berliner Fernsehturm dürfen deshalb grds. ohne Zustimmung der Urheber (der Architekten) vervielfältigt und veröffentlicht werden (zu den Einschränkungen noch unten).

Ist aber ein Schiff, das sich auf öffentlichen Wasserwegen bewegt – und mit ihm das urheberrechtlich geschützte Werk, der Kussmund, – „bleibend″? Dies war bislang eine beliebte Streitfrage. Im Hinblick auf den „AIDA-Kussmund″ sagt der BGH nun: ja.

Ein Werk befinde sich an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen, wenn es von Orten aus, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden kann. Diese Voraussetzung sei auch dann erfüllt, wenn ein Werk nicht ortsfest ist und sich nacheinander an verschiedenen öffentlichen Orten befinde. Ein Werk befinde sich bleibend an solchen Orten, wenn es aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere Dauer dort zu sein.

Bei dem Schiff der Klägerin sei dies der Fall. Es sei dazu bestimmt, für längere Dauer auf der Hohen See, im Küstenmeer, auf Seewasserstraßen und in Seehäfen eingesetzt zu werden, und könne dort von Orten aus, die für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden. Dass sich der „AIDA-Kussmund″ mit dem Schiff fortbewege und zeitweise an nicht öffentlich zugänglichen Orten – etwa in einer Werft – aufhalte, sei unbeachtlich. Künstler, die Werke für einen solchen Zweck schaffen, müssten es eben hinnehmen, dass ihre Werke an diesen öffentlichen Orten ohne ihre Einwilligung fotografiert werden.

Fazit: Panoramafreiheit gilt auch für Werke auf Fortbewegungsmitteln – mit einigen grundsätzlichen Ausnahmen

Die Entscheidung hat nicht nur Bedeutung für Schiffe – sie gilt für Autos, Straßenbahnen oder Flugzeuge gleichermaßen. Sind sie mit Kunstwerken verziert, dürfen diese im Rahmen der Panoramafreiheit vervielfältigt werden.

Allerdings erfährt die Panoramafreiheit einige Einschränkungen, die für die Praxis nicht unwichtig sind. So müssen die jeweiligen urheberrechtlich geschützten Werke vom allgemein zugänglichen Straßenland frei sichtbar sein. Darunter fällt nicht, was erst mit Hilfsmitteln oder aus anderer Höhe (Leiter, Zaun oder Perspektive vom Dach eines Hauses) zu sehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 09.12.2003 – VI ZR 373/02).

Gleiches gilt für Aufnahmen von einem fremden Privatgrundstück, die unter Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts des Grundstückseigentümers entstanden sind (BGH GRUR 2011, 323 – Preußische Schloss- und Parkanlagen; BGH GRUR 1990, 390 – Friesenhaus). Auch hier gilt die Panoramafreiheit nicht.

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