21. Februar 2014
Urheberrecht

Streit um die Verfilmung des Lebens von Anne Frank

Im März 2015 jährt sich der Todestag von Anne Frank, dem wohl bekanntesten Opfers des Holocaust, zum 70. Mal. Anlass für einen medial ausgetragenen Streit ist derzeit die Verfilmung ihres Lebens und des von ihr in den Jahren 1942-1944 verfassten Tagebuchs.

 

Der Konflikt: Zwei Verfilmungen

Inhaber der Rechte an dem Tagebuch ist der Anne Frank Fonds Basel. Der Fonds wurde 1963 von Anne Franks Vater, Otto Heinrich Frank, gegründet, der als Einziger der Familie Frank die nationalsozialistischen Gräueltaten überlebte.

Bereits im Frühjahr 2012 hatte der Anne Frank Fonds Basel die erste deutsche Verfilmung der Geschichte Anne Franks und ihres Tagesbuchs angekündigt. Entsprechende Rechte wurden exklusiv an die AVE Gesellschaft für Fernsehproduktion mbh, ein Unternehmen der Holtzbrinck Verlagsgruppe und die Zeitsprung Pictures GmbH vergeben. Der Film soll Anfang 2015 in die europäischen Kinos kommen.

Nunmehr hat parallel hierzu auch Oliver Berben, der mit seiner Firma Moovie – The Art of Entertainment schon mehrfach erfolgreiche Doku-Dramen und Biopics produzierte (etwa „Das Adlon. Eine Familiensaga″), angekündigt, den „Stoff″ – allerdings als TV-Mehrteiler – in einer Co-Produktion mit dem ZDF zu verfilmen. Dies stößt beim Anne Frank Fonds Basel auf Widerstand.

Der Fonds fordert das ZDF in einer Stellungnahme auf, das Projekt zu stoppen und die Rechte von Anne Frank und ihrer Familie zu respektieren: „Dies bedeutet auch, dass Rechte nicht umgangen oder allenfalls verletzt werden″.

Rechte an historischen Ereignissen?

Das aktuelle Geschehen wirft die Frage auf, ob durch die Verfilmung des Tagebuchs von Anne Frank und ihres Lebens überhaupt Rechte im eigentlichen Sinne verletzt werden können.

Unbestritten ist das von Anne Frank verfasste Tagebuch als Sprachwerk urheberrechtlich nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützt. Als solches darf es bis zum Ablauf der Schutzdauer der Rechte (70 Jahre nach dem Tod des Urhebers) nicht vervielfältigt, veröffentlicht oder öffentlich zugänglich gemacht werden (vgl. §§ 16 f. UrhG).

Eine Besonderheit besteht hier jedoch insofern, als den in dem Buch verarbeiteten Geschehnissen inzwischen historische Qualität zukommt. Die in dem Tagebuch von Anne Frank verarbeiteten Erlebnisse um die Familie Frank, die sich zusammen mit vier anderen Juden mehr als zwei Jahre in einem Amsterdamer Hinterhaus vor den Nationalsozialisten versteckte, sind der Öffentlichkeit als geschichtliche Begebenheit bekannt. In diesem Sinne ist Anne Frank eine historische Figur.

An geschichtlichen Ereignissen und Lebensgeschichten an sich können jedoch keine (Urheber-)Rechte vergleichbar derer am schöpferischen Werk begründet werden. Historische Fakten und Ereignisse sind ebenso wie Nachrichten „gemeinfrei″ (vgl. insoweit auch § 49 Abs. 2 UrhG). Es ist daher grundsätzlich jedermann gestattet, diese etwa filmisch umzusetzen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die tatsächlichen Gegebenheiten erst dadurch an die Öffentlichkeit gelangen, dass einer der Beteiligten diese in Buchform aufbereitet hat. Würde man Rechte an einer Lebensgeschichte, persönlichen Ereignissen oder historischen Begebenheiten zulassen, drohten diese monopolisiert zu werden.

Schwierige Abgrenzung

Ein urheberrechtlicher Schutz besteht jedoch dann, wenn bestimmte eigenschöpferische, individuelle Elemente des vorbestehenden Werkes übernommen werden. Die Abgrenzung ist bei Verfilmungen von Biografien oder Abhandlungen real-historischer Ereignisse in der Regel schwierig.

Man wird eine Verletzung der Urheberrechte (an der Buchvorlage) anzunehmen haben, wenn eine konkrete Erzählweise oder eine bestimmte Form oder Struktur der Darstellung 1:1 filmisch reproduziert wird. Auch kann eine Verletzung bei Übernahme der fiktiven Elemente der Vorlage vorliegen.

Solange sich eine Adaption aber an den historisch bekannten Fakten orientiert und eigenschöpferische Elemente des Tagebuchs von Anne Frank ausspart, ist gegen eine konkurrierende filmische Umsetzung des Stoffs ohne vorherige Einholung der Rechte an dem Tagebuch nichts einzuwenden.

Inzwischen hat das ZDF angekündigt, den Film nicht ohne Einwilligung des Anne Frank Fonds Basel realisieren zu wollen. Zu diesem Zweck soll Oliver Berben das Projekt zeitnah der Stiftung vorstellen. Das Ende dieser Auseinandersetzung ist derzeit offen.

Tags: Anne Frank Biografie gemeinfrei historische Figur Lebensgeschichte Oliver Berben Rechte an einer Lebensgeschichte Rechte an historischen Ereignissen Schutzdauer Verfilmung
Lukas Fr.
am 04.10.2018 um 17:25:36

Lieber Herr Gerecke,

vielen Dank für Ihre informativen Beiträge. Ich hätte eine Frage: Es gibt ein kurzes Interview von mir mit einer bekannten öffentlichen Person in Deutschland. Dass dieser Text geschützt ist, weiß ich als Autor. Jedoch frage ich mich jetzt, ob es möglich ist, anhand dieses Interviews, einen Teil für ein entsprechendes Drehbuch, einen Film – ein Biopic schützen zu lassen. Das Interview enthält nämlich einen „anderen Blick“ auf die Geschichte der Person, die bisher nicht bekannt ist, und auf den ein Dritter vielleicht nicht so schnell kommen würden. Spätestens aber anhand meines Interviews (das noch nicht publiziert ist). Dennoch frage ich mich, ob „eine notwendige Schöpfungshöhe“ auch für Non-Fiction Geschichten angewandt werden kann (Stichwort: gemeinfrei), um sie zu schützen, da bei realen Person die Informationen ja zugänglich wären. Ich würde diesen Aspekt der Geschichte individuell als Exposé ausarbeiten und schützen lassen. Hierzu habe ich ein Urteil gefunden zu einem änhlichen Fall, ich zitiere:“Sind von dem historischen Ereignis oder von der Figur nur einzelne Begebenheiten bekannt, so besteht auch hier ein inhaltlicher Gestaltungsspielraum, in dessen Rahmen urheberrechtlicher Schutz gewährt werden kann. Im Einzelfall kann dann die Übernahme einer speziellen Variation des Ablaufs der Geschichte eines anderen Autors (hier: ich) unzulässig sein. Ich freue mich über eine kurze Rückmeldung. Mit besten Grüßen, Lukas.

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