17. Juni 2013
Urheberrecht

Und wieder ein Fälschungsskandal

Erneut erschüttert ein Kunstfälschungsskandal den Markt. Erst die erfundene Sammlung Jägers und die falschen Giacometti-Skulpturen, dann die Verhaftung des Modigliani-Experten Parisot und jetzt noch der Fälscherring, der angebliche Gemälde der russischen Avantgarde in den Markt schleuste. Welche Lehren müssen aus diesen Vorkommissen gezogen werden? Was ist die juristische Perspektive? Und wie können sich Experten, Stiftungen, Museen und Sammler schützen?

Ansprüche des Käufers gegen den Verkäufer

Stellt sich ein als „echt″ gekauftes Werk später als unecht heraus, so sind Gewährleistungsrechte des Käufers zu prüfen. Der Käufer wird in der Regel zunächst den Verkäufer, die Galerie, das Auktionshaus oder die Privatperson, von der er ein Werk erhalten hat, in Anspruch nehmen.

Nach dem Kaufrecht stellt die Unechtheit eines Kunstgegenstandes einen Sachmangel dar, wenn eine bestimmte Herkunft, Autorenschaft, Alter oder ähnliches im Kaufvertrag zwischen den Parteien vereinbart wurde.

Handelt es sich tatsächlich um eine Fälschung, so weicht bei einer derartigen Vereinbarung die Ist-Beschaffenheit von der vertraglich festgelegten Soll-Beschaffenheit ab (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob eine solche Vereinbarung gegeben ist, ist Auslegungssache in jedem konkreten Einzelfall.

Das hängt häufig vom Vorhandensein, der Art und Weise der Bezugnahme auf eine Expertise und natürlich von deren Inhalt ab. Wird ein Gegenstand unter Bezugnahme auf eine Expertise verkauft, so kann der Inhalt der Expertise grundsätzlich Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung werden. Die im Gutachten eindeutig vorgenommene Zuordnung kann eine vertraglich vereinbarte Eigenschaft sein, wenn sich der Kaufvertrag darauf bezieht.

In diesem Zusammenhang kann also der Expertise eine ganz entscheidende Rolle zukommen. Letztlich ist es jedoch immer einzelfallabhängig, wann eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt. Der Gesetzgeber hat auf eine Definition bewusst verzichtet. In vielen Fällen steht jedoch der Haftung des Verkäufers ein wirksamer Gewährleistungsausschluss entgegen.

Sorgfaltspflichten des Handels

Bei Schadensersatzforderungen sowie bei der Beurteilung, ob ein Händler sich auf einen Gewährleistungsausschluss berufen kann, kann es relevant sein, ob ein Verkäufer seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist oder fahrlässig gehandelt hat. Der Rechtsprechung stuft die Sorgfaltspflichten im Auktionshandel unter anderem nach folgenden Kriterien ab: Die Qualität des Werkes, die Umstände der Einlieferung, die Plausibilität der behaupteten Provenienz, der Preis sowie der Rang, das Angebot oder die personelle Aufstellung des Auktionshauses.

Im einem Einzelfall hat das LG Köln sogar geurteilt, dass die mit der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durchgeführte Echtheitsprüfung eines Werkes durch ein Auktionshaus ab einem gewissen Wert trotz des damit verbunden Substanzeingriffes die Einholung eines naturwissenschaftlichen Gutachtens voraussetzt (LG Köln, Urteil vom 28. September 2012).

Ansprüche gegen den Experten?

Haftet der Verkäufer nicht, etwa wegen eines wirksamen Gewährleistungsausschlusses, wird der frustrierte Käufer versuchen, den Experten in Anspruch zu nehmen. Dies ist in Deutschland bislang eher unüblich. Aber die jüngst geschehene Verurteilung eines renommierten Experten durch ein französisches Gericht zu einer hohen Summe Schadensersatz lässt erwarten, dass künftig auch Käufer in Deutschland die Inanspruchnahme von Experten erwägen werden. Es gibt bereits gewichtige Literaturmeinungen, die Ansprüche gegen den Experten nicht nur im Deliktsrecht sehen wollen.

Experten übernehmen typischerweise Gewähr zumindest für die Seriosität ihrer Begutachtung. Damit setzen sie sich auch Haftungsrisiken aus.

Geschuldet ist ein sorgfältiges Gutachten, das nach den Regeln der Kunst erstellt ist. Der Gutachter muss nicht befürchten, bei jeder Fehleinschätzungen verklagt zu werden, wenn ihn dabei kein Verschulden trifft. Für fahrlässige Fehleinschätzungen ist der Experte jedoch haftbar.

Die Rechtsprechung hat Anforderungen an Sachverständige – allerdings bisher nicht konkret im Zusammenhang mit Kunstexperten – definiert. Wichtige Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Haftung von Sachverständigen sind:

 

  • Die Schlussfolgerungen eines Sachverständigen müssen sich auf nachweisbare Tatsachen stützen und dürfen nicht auf Mutmaßungen oder Unterstellungen beruhen (BGH NJW 1998, 1059, 1061). Ausnahmsweise darf das Gutachten auf Unterstellungen aufbauen, wenn Bemühungen des Gutachters erfolglos bleiben, weil die Möglichkeit gesicherter Faktenerhebung nicht besteht und er dies im Gutachten kenntlich macht (BGH NJW 2003, 2825, 2827).

 

  • Über Umstande, die für die Beurteilung maßgeblich sind, hat er sich beim Auftraggeber zu informieren. Die vom Auftraggeber erhaltenen Angaben darf er allerdings nicht ungeprüft übernehmen, sondern muss sich von deren Richtigkeit überzeugen (BGH NJW 1998, 1059, 1061).

Konsequenzen

Alle sollten künftig noch genauer hinsehen – Experten, Händler und nicht zuletzt die Käufer. Sowohl für den Handel als auch für den Experten gilt, dass genau nachgefragt und untersucht werden sollte, bevor Zuschreibungen eindeutig formuliert werden. Sonst drohen Haftungsrisiken. Sollte ein Kauf sich trotz aller Sorgfalt im Nachhinein als Fälschung herausstellen, so ist Abwarten kein guter Rat, denn die Verjährung läuft.

Tags: Echtheit Expertise Fälschung Kunstmarkt Kunstrecht Sachverständige
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Katharina Garbers-von Boehm