Deckelung des Werbebudgets für Krankenkassen und Beschränkungen für Kooperationen mit Vorteilspartnern.
Im Dezember 2020 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) seinen Entwurf für eine Verordnung zur Zulässigkeit von Werbemaßnahmen der Krankenkassen (Krankenkassen-Werbemaßnahmen-Verordnung, KKWerbeV) veröffentlicht.
Keine speziellen Regelungen für Werbung durch Krankenkassen
Neben den allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des UWG gab es bislang keine spezialgesetzlichen, verbindlichen Regelungen für die Werbemaßnahmen von Krankenkassen. Lediglich die sog. Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung von Bund und Ländern beinhalteten (rechtlich nicht unmittelbar verbindliche) Vorgaben für den Wettbewerb der Krankenkassen untereinander. Diesen rechtlichen Handlungsspielraum nutzten die Krankenkassen in der Vergangenheit für sich und boten ihren Versicherten Rabatte bei Kooperationspartnern für Freizeitangebote wie Kochkurse, Eintritte in Schwimmbäder, Klettergärten, Film- und Freizeitparks. Das Bundessozialgericht entschied mit Urteil vom 30. Juli 2019 (Az. B 1 KR 16/18 R), dass solche Angebote unzulässig sind. Solche Werbemaßnahmen seien wegen fehlender Sachbezogenheit nicht mehr mit dem gesetzlichen Aufgabenbereich der Krankenkassen in Einklang zu bringen.
Allgemeiner Ordnungsrahmen des Kassenwettbewerbs im Sozialrecht verankert
Mit dem Gesetz über einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FKG vom 22. März 2020) wurde zunächst der allgemeine Ordnungsrahmen für den Wettbewerb der Krankenkassen untereinander in die neu eingefügte Regelung des § 4a SGB V aufgenommen. In Anlehnung an die o.g. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird dort in Absatz 3 festgehalten, dass die Krankenkassen berechtigt sind, um Mitglieder und für ihre Leistungen zu werben. Bei Werbemaßnahmen der Krankenkassen muss dabei aber die sachbezogene Information im Vordergrund stehen. Weitere Einzelheiten dazu sollen nun durch die KKWerbeV näher geregelt werden.
Werbung für Angebote Dritter nur im gesetzlichen Aufgabekreis der Krankenkasse
Ausgangspunkt für den Verordnungsentwurf des BMG sind die Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden. Über die dort nur vereinzelt zu findenden Regelungen hinaus soll die KKWerbeV nunmehr die Grenzen für die Werbung von Krankenkassen für Angebote Dritter festlegen (§ 5 KKWerbeV-E).
Anknüpfend an das Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2019 setzt die Werbung für Waren oder Dienstleistungen Dritter voraus, dass diese im Rahmen der Erbringung gesetzlich oder satzungsmäßig vorgesehener Leistungen der Krankenkassen tätig werden (vgl. auch § 30 Abs. 1 SGB IV). Werbekooperationen abseits des gesetzlichen Aufgabenkreises, etwa für Freizeitangebote, sind unzulässig. Gleichsam unzulässig sind Gewinnspiele für Mitglieder, bei denen Sachpreise privater Unternehmen beworben werden, die diese etwa als Sponsoren zur Verfügung gestellt haben. Möglich bleiben aber Sachprämien im Rahmen von Bonusprogrammen, da das Gesetz mit § 65a SGB V die Gewährung von Boni ausdrücklich vorsieht.
Zudem schränkt der Entwurf die Werbung für einzelne Leistungserbringer ein. Werden vergleichbare Leistungen durch verschiedene Leistungserbringer angeboten, soll der Versicherte frei zwischen den Leistungserbringern wählen können. Die Krankenkasse darf einzelne Leistungserbringer nicht durch Werbemaßnahmen bevorzugen. So sollen Wettbewerbsverzerrungen und Eingriffe der Krankenkassen in den Markt vermieden werden. Zulässig bleibt die Aufklärung über objektive Leistungsunterschiede zwischen Anbietern, insbesondere im Bereich der Hilfsmittelversorgung (vgl. § 127 Abs. 6 SGB V).
Für den Bereich von Selektivverträgen nach §§ 73b, 140a SGB V sieht die Entwurfsbegründung der KKWerbeV eine weitere Ausnahme vor: Werden die Leistungen über Vertragspartner erbracht, dürfen die Krankenkassen sie als Anbieter in der Werbung nennen.
Jährliche Werbeausgaben der Krankenkassen bleiben gedeckelt
Vor dem Hintergrund der besonderen Stellung und Funktion der Krankenkassen im System der Gesundheitsversorgung und der Finanzierung durch Mitgliedsbeiträge dürfte es auch wenig überraschend sein, dass der Entwurf – wie zuvor schon die Wettbewerbsgrundsätze – Vorgaben für das jährliche Gesamtwerbebudget enthält.
Angelehnt an die Wettbewerbsgrundsätze und die etablierte Praxis der Aufsichtsbehörden dürfen die Ausgaben der einzelnen Krankenkasse für Werbemaßnahmen im Haushaltsjahr 0,15 % der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 Abs. 1 SGB IV je Mitglied nicht überschreiten. Bezugsgröße ist dabei das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorausgegangenen Kalenderjahr. Für das Jahr 2020 sind dies etwa EUR 3.185, so dass sich daraus eine jährliche Ausgabengrenze von EUR 4,78 ergäbe. Das Gesamtbudget ist dabei abhängig von der Mitgliederzahl. Ausnahmen zugunsten kleiner Krankenkassen sieht der Entwurf nicht vor.
Der Gefahr einer Umgehung der Ausgabenbegrenzung durch die Auslagerung von Werbeaktivitäten auf externe Dienstleister begegnet das BMG, indem die damit zusammenhängenden Aufwandsentschädigungen künftig nicht mehr aus dem Gesamtwerbebudget ausgeklammert werden können. Durch die Begrenzung des jährlichen Gesamtwerbebudgets soll eine Überbetonung der Werbeausgaben im Haushalt der Krankenkassen vermieden werden. Die Werbetätigkeit dürfe stets nur einen untergeordneten Annex zum eigentlichen Kerngeschäft der Versorgung der Versicherten sein.
Keine Werbegeschenke in der Fußgängerzone
Bei Werbegeschenken soll der Verkehrswert dementsprechend 0,2 % der o.g. monatlichen Bezugsgröße nicht mehr überschreiten dürfen. Im Jahr 2020 entspräche dies einem Betrag von EUR 6,37. Typische Werbegeschenke wie Kugelschreiber und Beuteltaschen sollen zulässig bleiben. Ihre Funktion darin erschöpfe sich üblicherweise in einer Art „Gedächtnisstürze“. Unzulässig wären hingegen Artikel mit substanziellem Eigenwert (z.B. Fitness-Tracking-Armbänder).
Die Abgabe von Werbegeschenken soll zudem stets an die Vermittlung von sachbezogenen Informationen geknüpft werden, etwa im Rahmen von Werbeveranstaltungen oder individuellen Gesprächen. Unzulässig wäre dagegen die isolierte Abgabe etwa an vorbeiziehende Passanten.
Weniger Handlungsspielraum für Werbemaßnahmen der Krankenkassen
Im Gegensatz zu dem geplanten Verbot für Banden- und Trikotwerbung bei Sportveranstaltungen überraschen die vorgesehenen Regelungen für die Werbung für Angebote Dritter und die Höchstbeträge der Werbeausgaben für die betroffenen Krankenkassen weit weniger:
- Die rechtsverbindliche Regelung zur Werbung für Angebote Dritter in § 5 KKWerbeV-E stellt letztlich eine konsequente Umsetzung der Vorgaben des Urteils des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2019 dar.
- Die Vorgaben für das jährliche Gesamtwerbebudget waren bereits in den Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätzen angelegt. Die Wertung, dass die Werbetätigkeit der Krankenkassen aus Sicht des Gesetzgebers eine nur untergeordnete Rolle zum eigentlichen Kerngeschäft der Versorgung der Versicherten spielen sollen, ließ sich bereits der Gesetzesbegründung zum GKV-FKG entnehmen.
Für die Krankenkassen wenig erfreulich dürfte der Entwurf dennoch sein. Bisher unverbindliche Vorgaben, sollen nunmehr rechtsverbindliche Grenzen für die Werbemaßnahmen setzen. Das könnte zwar zu mehr Rechtssicherheit unter den Wettbewerbern führen. Gleichzeitig dürften einige Krankenkassen ihre Werbemaßnahmen und Werbeausgaben künftig wohl deutlich reduzieren müssen. Denn bei der Lektüre des Referentenentwurfs eines sehr deutlich: Im Falle des Inkrafttretens der KKWerbeV wird für Krankenkassen ab 2022 weniger Handlungsspielraum für Werbemaßnahmen bestehen.