Handball-WM und Bundesligastadien bald ohne Werbung von Krankenkassen? Ja! Jedenfalls, wenn es nach dem aktuellen Verordnungsentwurf des BMG geht.
Die Gesetzliche Krankenversicherung ist wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsversorgung in Deutschland. Circa 90 % der Versicherten sind gesetzlich krankenversichert.
Die Werbung der gesetzlichen Krankenkassen zielt regelmäßig darauf ab, in dem stark umkämpften Markt für Versicherte attraktiver zu wirken als die Konkurrenz. Werbemaßnahmen dienen dazu, neue Mitglieder zu gewinnen und eine Abwerbung der eigenen Versicherten durch andere Kassen zu verhindern.
Diese Konkurrenz unter den Krankenkassen hat der Gesetzgeber gezielt angelegt. Eine solche Konkurrenz soll Innovationen im Gesundheitswesen und Serviceorientierung gegenüber den Versicherten fördern. Zwangsläufig führt dies aber zum Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag der Krankenkassen und den kassenindividuellen Wettbewerbsstrategien. Zu diesen Wettbewerbsstrategien zählen u.a. Bonusprogramme, Wahltarife sowie die Teilnahme an besonderen Versorgungsmodellen außerhalb des Regelleistungskatalogs.
Für Werbung von Krankenkassen gilt das allgemeine Wettbewerbsrecht
Bei der Werbung gelten für Krankenkassen wie für alle Unternehmen im Grundsatz die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Regelungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Wegen der besonderen Stellung und Funktion der Krankenkassen im System der Gesundheitsversorgung verlangt der Gesetzgeber von ihnen allerdings mehr Zurückhaltung bei der Werbung als bei rein privatrechtlichen Unternehmen.
Spezialgesetzliche verbindliche Regelungen für den Kassenwettbewerb gab es bisher nicht. Zur Sicherstellung fairer und gleicher Chancen im Wettbewerb hatten die Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung von Bund und Ländern mit den sog. Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätzen zwar einen einheitlichen Rahmen geschaffen, den die Krankenkassen bei ihrer Werbung zu beachten hatten. Als Verwaltungsbinnenrecht waren diese aber nicht unmittelbar rechtsverbindlich, sondern sollten lediglich eine einheitliche Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörden sicherstellen.
Die Krankenkassen nutzten in der Vergangenheit diesen Handlungsspielraum für sich, mit der Folge, dass ausufernde Werbemaßnahmen der Krankenkassen zunehmend zum Gegenstand sozialgerichtlicher Gerichtsentscheidungen wurden. Kurzum: Es bestand gesetzgeberischer Handlungsbedarf.
GKV-FKG verankert allgemeine Vorgaben zur Mitgliederwerbung im Sozialgesetzbuch
Vor diesem Hintergrund wurden mit dem Gesetz über einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FKG vom 22. März 2020) erstmals die grundsätzlichen Zwecke und Grenzen des Wettbewerbs der Krankenkassen untereinander gesetzlich normiert. Hierfür wurde der neue § 4a SGB V eingefügt. Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 SGB V dient der Wettbewerb der Krankenkassen dem Ziel, das Leistungsangebot und die Qualität der Leistungen zu verbessern sowie die Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu erhöhen. Mitgliederwerbung ist dabei ausdrücklich erlaubt.
Der mit § 4a SGB V abgesteckte Ordnungsrahmen des Kassenwettbewerbs beschränkt sich auf wesentliche Prinzipien. So muss der Wettbewerb mit Blick auf die Finanzierung durch Beiträge und den sozialen Auftrag der Krankenkassen angemessen sein. Unlautere geschäftliche Handlungen der Krankenkassen sind unzulässig (§ 4a Abs. 2 SGB V). Entsprechend der Vorgaben des Bundessozialgerichts für Werbemaßnahmen muss die sachbezogene Information im Vordergrund stehen (§ 4a Abs. 3 Satz 2 SGB V). Die Werbung hat in einer Form zu erfolgen, die mit der Eigenschaft der Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts unter Berücksichtigung ihrer Aufgaben vereinbar ist.
Zugleich ermächtigt der neue § 4a Abs. 4 SGB V das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) dazu, die näheren Einzelheiten über die Zulässigkeit von Werbemaßnahmen der Krankenkassen zu regeln. Auf Basis dessen hat das BMG im Dezember 2020 seinen Entwurf für eine Verordnung zur Zulässigkeit von Werbemaßnahmen der Krankenkassen(Krankenkassen-Werbemaßnahmen-Verordnung, KKWerbeV) veröffentlicht.
KKWerbeV: erstmals verbindliche Vorgaben für Werbung durch Krankenkassen
Der Verordnungsentwurf sieht verbindliche Vorgaben für Werbemaßnahmen der Krankenkassen vor. Als Ausgangspunkt dienen dem BMG dabei die Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden, die in weiten Teilen in den Entwurf übernommen wurden (z.B. die Höchstgrenzen für Werbeausgaben). In einigen Punkten wurden diese allerdings weiter präzisiert, ergänzt oder weiterentwickelt.
Der Anwendungsbereich der Verordnung ist weit gefasst. Erfasst werden Werbemaßnahmen, die der Gewinnung oder dem Halten von Mitgliedern dienen, die Versicherte (über bloß neutrale Informationen hinausgehend) zu Wahrnehmung optionaler Service- und Versorgungsangebote der Krankenkasse bewegen sollen oder auf Angebote von Kooperationspartner aufmerksam machen sollen (§ 1 KKWerbeV-E).
Verbot von Banden- und Trikotwerbung im Spitzen- und Profisport
Für Aufruhr sorgt bei Krankenkassen die Regelung über Werbemaßnahmen bei Sportveranstaltungen etwa in Form von Trikot- oder Bandenwerbung (§ 6 KKWerbeV-E). Diese sind dem Entwurf nach nur noch zulässig, wenn die Veranstaltung insgesamt vorrangig der Information über die Krankenkasse dient oder es sich um eine gesetzlich zugelassene Präventionsmaßnahme handelt.
Als Präventionsmaßnahme wären nach BMG Partnerschaften mit Sportvereinen auf kommunaler Ebene zulässig. Unzulässig ist dagegen insbesondere die Banden- und Trikotwerbung im Spitzen- und Profisport. Begründet wird dies damit, dass vom Gesetzgeber keine reine Marken- oder Imagewerbung gewollt sei. Diese diene ausschließlich dazu, den Bekanntheitsgrad der Krankenkassen und der Imageaufwertung durch Assoziation mit beliebten Vereinen oder Turnieren zu steigern, ohne jegliche Information über Versorgungs- oder Serviceleistungen zu vermitteln.
Sponsoringverträge, die lediglich die Platzierung eines Logos auf Trikots oder Banden zum Gegenstand haben, sollen dementsprechend verboten werden. Denn die Teilnehmer und Zuschauer seien primär an dem Sportereignis selbst interessiert und nähmen die Werbung mit ihrem Informationsanteil allenfalls beiläufig wahr. Dies trifft nicht zuletzt eine der wohl bekanntesten Werbepartnerschaften: die Kooperation der AOK mit dem Deutschen Handballbund.
Gleichzeitig stellt die Begründung zur KKWerbeV ausdrücklich klar, dass sich das Werbeverbot dabei nicht allein auf die genannte Banden- und Trikotwerbung im Spitzen- und Profisport beschränkt.
Mehr Rechtssicherheit ja, aber gleichzeitig neue Unklarheiten bei der praktischen Umsetzung
Positiv zu bewerten ist, dass die KKWerbeV die Grundsätze der Aufsichtsbehörden vom verwaltungsinternen Binnenrecht in ein für die Krankenkassen verbindliches Gesetz überführt und damit die Rechtssicherheit bei Werbemaßnahmen und einen fairen Wettbewerb steigern könnte. Über den allgemeinen Ordnungsrahmen des § 4a SGB V und des UWG hinaus normiert die KKWerbeV erstmals konkret einzelne Vorgaben für Werbemaßnahmen durch Krankenkassen.
Zugleich gibt es aber neue Unklarheiten bei der praktischen Umsetzung der vorgesehenen Einschränkungen im Bereich des Spitzen- und Profisports. Unklar bleibt insbesondere, in welchem Umfang einzelnen Werbemaßnahmen dennoch weiter erlaubt sind und wo die Grenzziehung zwischen Breiten- und Spitzensport erfolgt. Ob der Referentenentwurf unverändert wie geplant zum 1. Januar 2022 in Kraft treten wird, wird sich zeigen. Der AOK-Bundesverband und der Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) haben bereits kritische Stellungnahmen mit Anpassungsvorschlägen veröffentlicht. Es spricht viel dafür, dass weitere Krankenkassen in die Kritik mit einstimmen werden.