Heilmittelwerberecht: Lange wurde sie diskutiert, nun ist die Reform des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) da. Wir zeigen die Änderungen auf!
Seit Freitag, 26. Oktober 2012, gelten für die Heilmittelwerbung veränderte – im Ergebnis gelockerte – Rahmenbedingungen. Die Änderungen im Heilmittelwerberecht betreffen vor allem den Bereich der Publikumswerbung. Auch die Spielräume für die Verbreitung von Informationen im Internet werden größer.
Die Kernpunkte im neuen Heilmittelwerberecht werden nachfolgend im Überblick dargestellt.
Hintergrund: Anpassung an den europäischen Rahmen
Wie von uns an anderer Stelle zum Gesetzentwurf schon berichtet, verfolgt die Reform des Heilmittelwerberechts in erster Linie das Ziel, das deutsche Heilmittelwerberecht an den EU Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel anzupassen. Auslöser dafür war vor allem das Urteil des EuGH in der Sache „Gintec“ vom 8. November 2007 (Rs. C-374/05). Das Gericht hatte entschieden dass die Richtlinie 2001/83/EG keinen Mindeststandard vorgebe, sondern dem Konzept der Vollharmonisierung folge.
Da die deutschen Regelungen in einigen Punkten strenger waren als die EU-rechtlichen Vorgaben, war eine Anpassung des Heilmittelwerberechts angezeigt. Der Gesetzgeber hat diese Anpassung nun im Rahmen des „Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ – häufig auch als AMG-Novelle 2012 bezeichnet – vorgenommen.
Die wesentlichen Neuerungen im Überblick
Anwendungsbereich
In § 1 HWG n.F. wird der Anwendungsbereich des Gesetzes in zweierlei Hinsicht eingeschränkt. Gemäß § 1 Abs. 7 HWG n.F. findet das Gesetz
keine Anwendung auf Verkaufskataloge und Preislisten für Arzneimittel, wenn die Verkaufskataloge und Preislisten keine Angaben enthalten, die über die zur Bestimmung des jeweiligen Arzneimittels notwendigen Angaben hinausgehen.
Bedeutsam für die Zurverfügungstellung von Informationen für Laien im Internet ist der neue § 1 Abs. 8 HWG. Dort ist fortan ausdrücklich normiert, dass das HWG keine Anwendung findet
auf die auf Anforderung einer Person erfolgende Übermittlung der nach den §§ 10 bis 11a des Arzneimittelgesetzes für Arzneimittel vorgeschriebenen vollständigen Informationen und des öffentlichen Beurteilungsberichts für Arzneimittel nach § 34 Absatz 1a Satz 1 Nummer 2 des Arzneimittelgesetzes und auf die Bereitstellung dieser Informationen im Internet.
Im Klartext heißt das: Packungen, Fachinformationen und Packungsbeilagen dürfen selbst für verschreibungspflichtige Arzneimittel unter bestimmten Umständen auch Laien im Internet zugänglich gemacht werden, etwa auf den Internetseiten des betreffenden Herstellers. Die entscheidende Frage hat der Gesetzgeber allerdings nicht beantwortet: Wann genau wird die Information „auf Anforderung einer Person“ zur Verfügung gestellt? Hier lehnt sich der Gesetzgeber an die Kriterien des EuGH in der Entscheidung MSD Merck Sharp & Dohme / Merckle vom 5. Mai 2011 (Rs. C‑316/09) an. Es wird der Rechtsprechung überlassen bleiben, dem Begriff nähere Konturen zu geben
Arzneimittel mit psychotropen Wirkstoffen
Das bisher in § 10 Abs. 2 HWG enthaltene Verbot der Werbung außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel, die dazu bestimmt sind, bei Menschen die Schlaflosigkeit oder psychische Störungen zu beseitigen oder die Stimmungslage zu beeinflussen, wird gelockert. Fortan ist eine entsprechende Werbung außerhalb der Fachkreise nur noch für solche Arzneimittel verboten, die
psychotrope Wirkstoffe mit der Gefahr der Abhängigkeit enthalten und die dazu bestimmt sind, bei Menschen die Schlaflosigkeit oder psychische Störungen zu beseitigen oder die Stimmungslage zu beeinflussen.
Publikumswerbung
Den Schwerpunkt der Reform bildet § 11 HWG. Hier werden die Regelungen für die Publikumswerbung in mehrerer Hinsicht den europarechtlichen Vorgaben angepasst. Im Ergebnis werden sie liberalisiert: Einige Verbote entfallen ganz, andere bleiben bestehen, werden jedoch deutlich gelockert. Die Werbung gegenüber Laien soll häufig nur noch dann unzulässig sein, wenn tatsächlich die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der angesprochenen Verkehrskreise besteht.
Das bisher § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWG enthaltene Verbot von Werbung „mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen“ wurde gestrichen.
Allerdings ist gemäß Nr. 2 künftig verboten eine Werbung
mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen, von im Bereich der Tiergesundheit tätigen Personen oder anderen Personen, die auf Grund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können, beziehen.
Das in Nr. 3 enthaltene Verbot von Werbung mit der Wiedergabe von Krankengeschichten gilt nur noch dann, wenn die Wiedergabe
in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt oder durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten kann.
Das bisher in Nr. 4 normierte Verbot von Werbung „mit der bildlichen Darstellung von Personen in der Berufskleidung oder bei der Ausübung der Tätigkeit von Angehörigen der Heilberufe“ wurde aufgehoben. So wird es künftig möglich sein, auch Abbildungen von Ärzten in der Publikumswerbung zu nutzen. Allerdings setzt das Verbot in Nr. 2 hier weiterhin enge Grenzen.
Nach der überarbeiteten Nr. 5 darf mit einer „bildlichen Darstellung, die Veränderungen des menschlichen Körpers auf Grund von Krankheiten oder Schädigungen oder die Wirkung eines Arzneimittels im menschlichen Körper oder in Körperteilen verwendet“, künftig nur dann nicht geworben werden, wenn dies „in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise“ geschieht.
Das bisher in Nr. 6 normierte Verbot der Werbung mit fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen wurde gestrichen.
In Nr. 7 wurde das bisherige Verbot der Werbung mit einer Aussage, „die geeignet ist, Angstgefühle hervorzurufen oder auszunutzen“ ersetzt durch das Verbot der Verwendung von
Werbeaussagen, die nahelegen, dass die Gesundheit durch die Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert werden könnte.
Gestrichen wurde das in Nr. 10 bislang enthaltene Verbot der Werbung mit
Veröffentlichungen, die dazu anleiten, bestimmte Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden beim Menschen selbst zu erkennen und mit den in der Werbung bezeichneten Arzneimitteln, Gegenständen, Verfahren, Behandlungen oder anderen Mitteln zu behandeln, sowie mit entsprechenden Anleitungen in audiovisuellen Medien.
Ähnlich wie die Verbote in der Nr. 3 und Nr. 5 wurde das auch Verbot der Werbung mit Äußerungen Dritter gemäß Nr. 11 dahingehend eingeschränkt, dass entsprechende Werbeaussagen nur noch dann unzulässig sind, wenn damit „in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise“ geworben wird.
Das in Nr. 13 enthaltene Verbot der Werbung mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist, gilt künftig nur noch dann,
sofern diese Maßnahmen oder Verfahren einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten.
Fazit: Heilmittelwerberecht an EU-Recht angepasst
Mit der jetzt in Kraft getretenen Reform des HWG hat der deutsche Gesetzgeber die vom EU-Recht lange geforderten Anpassungen vollzogen. Die Neuerungen sorgen für mehr Rechtsklarheit und sind im Ergebnis zu begrüßen. Die Spielräume gerade im Bereich der Publikumswerbung werden größer.
Wie immer verbleiben aber eine Reihe von Auslegungsfragen, etwa mit Blick auf die Zurverfügungstellung von Informationen im Internet oder die Frage, wann genau eine Werbung in missbräuchlicher oder abstoßender Weise erfolgt. Die Fallpraxis wird zeigen, wo die Trennlinien im Einzelnen verlaufen.