7. Juli 2020
Firmenänderung Insolvenz
Restrukturierung und Insolvenz

Die Firmenänderung in der Insolvenz einer AG

In jeder Gesellschaftsinsolvenz stellt sich die Frage nach der Zuständigkeit für gesellschaftsrechtliche Maßnahmen. Die Berechtigung zur Umfirmierung steht weiterhin der Hauptversammlung zu.

Nach dem Beschluss des BGH vom 26. November 2019 (Az. II ZB 21/17) ist der Insolvenzverwalter auch im Fall der Verwertung der Firma einer AG weder befugt, die Satzung hinsichtlich der Firma zu ändern, noch eine Firmenänderung außerhalb der Satzung kraft eigener Rechtsstellung herbeizuführen.

Die Ausgangslage: Firmenänderung in der Insolvenz

Die in der Entscheidung behandelten Rechtsfragen beziehen sich auf den in der Praxis häufig vorkommenden Fall, dass bei der Veräußerung des Handelsgeschäfts einer insolventen Kapitalgesellschaft dem Erwerber das Recht zur Fortführung der bisherigen Firma eingeräumt wird und aus diesem Grund bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens die Firma der insolventen Gesellschaft geändert werden soll (bspw. „Max Mustermann Abwicklungs AG″). Bei Kapitalgesellschaften wie der AG oder der GmbH ist die Firma zwingender Inhalt der Satzung, vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG. Eine Firmenänderung bedarf eines notariell beurkundeten satzungsändernden Beschlusses der Hauptversammlung bzw. der Gesellschafterversammlung, vgl. § 179 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 53 Abs. 1, 2 Satz 1 GmbHG. In dem vom BGH entschiedenen Fall meldete jedoch der in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen einer AG bestellte Insolvenzverwalter in einer notariell beglaubigten Erklärung beim Registergericht zum Zwecke der Abwicklung eine entsprechende Firmenänderung zur Eintragung im Handelsregister an und begründete diese Kompetenz mit der ihm eingeräumten Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen. Diese Rechtsstellung verdränge in Bezug auf Firmenänderungen das Satzungsänderungsrecht der Gesellschafter.

Nachdem das Registergericht die Anmeldung zurückgewiesen hatte, wies auch das Beschwerdegericht (KG, Beschluss vom 10. Juli 2017 – Az. 22 W 47/17) die Beschwerde des Insolvenzverwalters unter Hinweis auf das Erfordernis eines notariell beurkundeten satzungsändernden Beschlusses der Hauptversammlung ab.

Die Firma als subjektives Recht

Rechtlich betrachtet ist die Firma der Name des Kaufmanns, unter dem er seine Geschäfte betreibt sowie klagen und verklagt werden kann, § 17 HGB. Die Firma hat dabei sowohl eine persönlichkeitsrechtliche als auch eine vermögensrechtliche Komponente. Diese Doppelnatur macht sie zu einem absoluten Recht, ähnlich dem Eigentum, welches insbesondere Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche im Falle seiner Störung bzw. Verletzung begründen kann.

Die Firma in der Insolvenz

Der Firma (also dem Firmennamen) muss nach den Regelungen des HGB Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft zukommen (vgl. hierzu insbesondere §§ 1830 HGB). Der wirtschaftliche Wert einer Firma baut auf dieser gesetzlich vorgesehenen Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft auf, schließlich wird der Name, unter dem ein Unternehmen am Markt auftritt, vom Rechtsverkehr (z.B. Kunden und sonstigen Vertragspartnern) und der Öffentlichkeit vielfach mit bestimmten Eigenschaften assoziiert. In der Insolvenz einer Handelsgesellschaft fällt der Firmenwert in die Insolvenzmasse und kann dann einen erheblichen Einfluss auf das Handeln des Insolvenzverwalters haben, dem als alleinigem Inhaber der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse die Aufgabe zukommt, diese bestmöglich im Interesse der Gläubiger zu verwerten. Ist eine Fortführung des Unternehmens durch die insolvente Gesellschaft selbst nicht möglich oder nicht zweckmäßig, kann er dieser Aufgabe im Hinblick auf den Firmenwert durch die Veräußerung des Handelsgeschäfts der Gesellschaft mit der Einräumung des Rechts zur Fortführung der bisherigen Firma nachkommen. Unabhängig von der Zulässigkeit einer Doppelfirmierung (dazu sogleich) hat der Erwerber der bisherigen Firma regelmäßig ein starkes Interesse daran, dass die insolvente Gesellschaft unter einer anderen Firma im Wirtschaftsverkehr auftritt, allein schon um eine Verbindung zwischen ihm und dem Schuldnerunternehmen zu vermeiden.

Die Vorfrage: Erforderlichkeit einer Firmenänderung?

Verwertet der Insolvenzverwalter die Firma der schuldnerischen Gesellschaft im Insolvenzverfahren, war bislang mangels einer Entscheidung des BGH strittig, ob in diesem Fall zur Vermeidung einer Doppelfirmierung zwingend die Firma der insolventen Gesellschaft geändert werden muss.

Der BGH hat nun in dem oben genannten Beschluss entschieden, dass eine Doppelfirmierung bis zum Abschluss der Abwicklung der Schuldnerin nicht grundsätzlich unzulässig ist. Die Frage müsse vielmehr für jeden konkreten Einzelfall gesondert beurteilt werden. Eine Firmenänderung kann insbesondere dann erforderlich sein, wenn die Doppelfirmierung den angesprochenen Verkehrskreis in die Irre führen kann (§ 18 Abs. 2 Satz 1 HGB) oder der Erwerber die Firma im Bereich desselben Ortes oder derselben Gemeinde in das Handelsregister eintragen möchte (§ 30 Abs. 1 HGB).

Die Streitfrage: Wer ist zur Firmenänderung befugt?

Steht fest, dass es bei einer schuldnerischen AG einer Umfirmierung bedarf, stellt sich – wie häufig im Rahmen von Gesellschaftsinsolvenzen – die Frage, ob diese Maßnahme in den Zuständigkeitsbereich des Insolvenzverwalters oder den der Gesellschaftsorgane fällt.

Gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter über. Im Falle einer Gesellschaftsinsolvenz folgt hieraus, dass für Maßnahmen mit einem Bezug zur Insolvenzmasse ausschließlich der Insolvenzverwalter zuständig ist (sog. „Verdrängungsbereich″). Demgegenüber fallen Entscheidungen, die lediglich das insolvenzfreie Vermögen oder die gesellschaftsinterne Organisation der schuldnerischen Gesellschaft betreffen, auch im Insolvenzverfahren grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Gesellschaftsorgane (sog. „Schuldnerbereich″). Falls solche gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen ausnahmsweise auch einen Einfluss auf die Insolvenzmasse haben, müssen der Insolvenzverwalter und die Gesellschaftsorgane kooperieren (sog. „Überschneidungs- oder Kooperationsbereich″).

Die vorliegende Streitfrage stellt sich dabei vor dem Hintergrund, dass eine Verwertung der Firma durch den insoweit allein verfügungsberechtigen Insolvenzverwalter regelmäßig eine Firmenänderung voraussetzt, da andernfalls der Erwerber der Firma aufgrund mangelnder Unterscheidungskraft (§ 30 HGB) die neu erworbene Firma nicht in das Handelsregister eintragen kann. Diesem Bezug zum Pflichtenkreis des Insolvenzverwalters steht gegenüber, dass die Umfirmierung eine gesellschaftsrechtliche Satzungsänderung darstellt, die die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter berührt.

Nach einer in der Rechtsprechung und der Literatur vertretenen Auffassung begründet das Argument der Verwertungsbefugnis eine Kompetenz des Insolvenzverwalters zur Firmenänderung, unabhängig von einer Satzungsänderung. Demgegenüber geht eine andere Ansicht davon aus, dass es auch in der Insolvenz einer Kapitalgesellschaft für eine Firmenänderung einer Satzungsänderung bedarf, wobei das Satzungsänderungsrecht zum Teil dem Insolvenzverwalter (so etwa das Beschwerdegericht), zum Teil weiterhin exklusiv der Hauptversammlung zugesprochen wird. Bis zu der Entscheidung des BGH gab es jedoch keine höchstrichterliche Klärung dieser Rechtsfrage.

Die Entscheidung des BGH: Zuständigkeit der Hauptversammlung zur Firmenänderung

Nach der Entscheidung des BGH bedarf es zur Änderung der Firma einer AG auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens eines satzungsändernden Beschlusses der Hauptversammlung. Eine Befugnis des Insolvenzverwalters zur Umfirmierung allein aufgrund seines Amtes ohne satzungsändernden Beschluss der Hauptversammlung sei gesetzlich nicht vorgesehen und widerspräche zudem registerrechtlichen Grundsätzen.

Gegen eine Kompetenz des Insolvenzverwalters zur Änderung der Firma ohne entsprechende Satzungsänderung streite bereits der auch im Insolvenzverfahren geltende Grundsatz der Registerwahrheit, da sich die Firma als obligatorischer Satzungsbestandteil zweifelsfrei aus dem Handelsregister ergeben müsse.

Anknüpfend an diese Verbindung zwischen Firma und Satzung weist der BGH aufgrund des damit verbundenen Bezugs zum mitgliedschaftlichen Innenverhältnis die Kompetenz zur Änderung der Firma der Hauptversammlung zu. Die Firmenänderung sei als Satzungsänderung auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens eine Maßnahme, die dem innergesellschaftlichen Bereich zuzuordnen ist, für den grundsätzlich die Anteilsinhaber zuständig sind. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens berühre weder die Struktur der Gesellschaft noch die Zuständigkeit der gesellschaftsrechtlichen Organe für Entscheidungen, die lediglich das insolvenzfreie Vermögen der schuldnerischen Gesellschaft betreffen. Eine ausschließliche Kompetenz des Insolvenzverwalters lasse sich auch nicht aufgrund der mit der Umfirmierung verbundenen Auswirkungen auf die Verwertung der Insolvenzmasse begründen. Schließlich würde diese allenfalls dazu führen, dass die Maßnahme dem Überschneidungs- oder Kooperationsbereich zuzuordnen sei, mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter mit den Aktionären zur Umsetzung des Firmenwechsels zusammenwirken muss.

Zudem seien die im Zuge des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 7. Dezember 2011 (ESUG) eingeführten Regelungen ein Beleg dafür, dass gesellschaftsrechtliche (§ 225a Abs. 1 InsO) und registerrechtliche Vorgaben (§§ 254 Abs. 1254a Abs. 2 Satz 1 InsO) im Insolvenzverfahren grundsätzlich fortbestehen und nur durch einen Insolvenzplan ersetzt werden können.

Bewertung und Praxisfolgen

Während der BGH hinsichtlich der Vorfrage nach der Erforderlichkeit einer Firmenänderung auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abstellt und in der Abwicklungssituation eine Doppelfirmierung nicht grundsätzlich für unzulässig hält, beantwortet er die entscheidungserhebliche Frage nach der Zuständigkeit zur Firmenänderung in der Insolvenz einer AG eindeutig zugunsten der Hauptversammlung. Somit besteht aus Sicht der an der Transaktion Beteiligten nunmehr zumindest hinsichtlich dieser Zuständigkeitsfrage abschließende Rechtssicherheit. Die Notwendigkeit einer Ersatzfirma wird sich unabhängig von der strengen Registerpraxis regelmäßig bereits aus einer klaren Verpflichtung des Insolvenzverwalters im Unternehmenskaufvertrag ergeben.

Die auch auf andere Gesellschaftsformen, insbesondere die GmbH, übertragbare Entscheidung des BGH zeigt, wie wichtig die Abgrenzung des Kompetenzbereichs des Insolvenzverwalters von dem der Gesellschafter und der Gesellschaftsorgane ist. Die Klarstellung, dass die Kompetenz zur Firmenänderung auch in der Insolvenz den Gesellschaftern zuzuweisen ist, kann in der Praxis dazu führen, dass die Möglichkeit zur Verwertung des Firmenwerts zukünftig erheblich erschwert und beeinträchtigt wird. Die Herbeiführung eines entsprechenden Beschlusses mit qualifizierter Mehrheit kann sich als aufwendig gestalten und zudem besteht insbesondere angesichts der Insolvenzsituation die Gefahr, dass die Anteilsinhaber die erforderliche Firmenänderung blockieren. Dem mit dem Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters verbundenen Interesse der Gläubiger an einer bestmöglichen Verwertung des schuldnerischen Unternehmens wird durch die Entscheidung des BGH zugunsten der mitgliedschaftlichen Interessen der Gesellschafter in einem äußert relevanten Bereich der Vorrang aberkannt.

Die Entscheidung zeigt, dass im weiterhin auf die Schuldnergesellschaft zentrierten Insolvenzrecht die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter grundsätzlich vom Insolvenzverfahren nicht berührt werden, vgl. § 225a Abs. 1 InsO. Wie in so vielen Streitfragen an der Schnittstelle von Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht verweist der BGH auf das Universalwerkzeug des Insolvenzplans, in dem nach § 225a Abs. 3 InsO – auch gegen den Willen der Anteilsinhaber – in Bezug auf die Anteils- und Mitgliedschaftsrechte jede Regelung getroffen werden kann, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist. Mit der Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans tritt nach §§ 254 Abs. 1254a Abs. 2 Satz 1 InsO die im gestaltenden Teil vorgesehene Umfirmierung für und gegen alle Beteiligten ein. Der zeitliche und kostenmäßige Aufwand, den ein solches Verfahren mit sich bringen kann, ist freilich ebenfalls zu berücksichtigen. Zudem ist der Insolvenzplan nicht in jedem Insolvenzverfahren das richtige Instrument für einen Unternehmensverkauf. Insbesondere, wenn der Rechtsträger des Unternehmens nicht zwingend erhalten werden muss, ist der Asset Deal oftmals der schnellere und kostengünstigere Weg, um das schuldnerische Unternehmen an einen Kaufinteressenten zu veräußern.

Zudem verdeutlicht die Entscheidung, dass bei der Abwicklung von Unternehmensinsolvenzen an den Schnittstellen zwischen dem Insolvenzrecht und benachbarten Rechtsgebieten wie dem Gesellschafts-, Handels-, Arbeits- und Steuerrecht die unterschiedlichen Regelungszwecke in Einklang zu bringen sind. Während sich in der hier besprochenen Entscheidung der Senat für einen Vorrang des Gesellschaftsrechts gegenüber dem Insolvenzrecht aussprach, begründete er nur wenige Tage später die Unanwendbarkeit der Haftung wegen Firmenfortführung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB auch beim Kauf aus der Insolvenz in Eigenverwaltung analog zur Rechtslage in der Insolvenzverwaltung mit dem Ziel der bestmöglichen Verwertung der Insolvenzmasse.

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