11. Juni 2019
Forderungsanmeldung Insolvenzverfahren
Restrukturierung und Insolvenz

Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren – (k)ein Kinderspiel?

Was bei Anmeldung von Forderungen in Insolvenzverfahren zu beachten ist: Von der Forderungsanmeldung und Glaubhaftmachung bis hin zur Anfechtungsmöglichkeit.

Voraussetzung für die Teilnahme einer Forderung in einem Insolvenzverfahren ist, dass sie zur Insolvenztabelle angemeldet und festgestellt wird. Erst dann kann ein Gläubiger im späteren Verlauf des Verfahrens mit der Auszahlung einer Insolvenzquote rechnen.

Selbst ist der Gläubiger – die eigene Forderung pünktlich anmelden

Die Forderungsanmeldung erfolgt grundsätzlich schriftlich gegenüber dem Insolvenzverwalter oder dem Sachwalter (im Fall einer Eigenverwaltung). Sie ist erst im eröffneten Verfahren möglich. Eine Forderungsanmeldung im vorläufigen Verfahren ist hingegen nicht möglich.

Das Insolvenzgericht erlässt nach dem Eröffnungsbeschluss regelmäßig einen Beschluss zur Festsetzung des Berichts- und Prüfungstermins und fordert die Gläubiger zur Anmeldung ihrer Forderungen im Vorfeld des Termins auf. Auch nach dieser Frist sind Forderungsanmeldung grundsätzlich während der gesamten Laufzeit des Verfahrens bzw. bis zu einem etwaigen vorherigen Eintritt einer Verjährung der Forderung noch möglich. Allerdings wird für sogenannte nachträgliche Forderungsanmeldungen regelmäßig eine zusätzliche Gebühr für die Kosten der gerichtlichen Prüfung von derzeit EUR 20,00 fällig.

Ist die Stellung als Gläubiger dem Insolvenzverwalter bereits aus den Unterlagen des Schuldners bekannt, schreibt dieser die Gläubiger an und übermittelt neben den Beschlüssen des Insolvenzgerichts oft auch zugleich ein Formular für die Forderungsanmeldung sowie ein Merkblatt zum richtigen Ausfüllen. Die Verwendung eines Formulars ist hilfreich, jedoch nicht zwingend.

Der Berichts- und Prüfungstermin als Weichenstellung

Gehen die Unterlagen fristgerecht beim Insolvenzverwalter ein, wird die Forderung im ersten Prüfungstermin behandelt und entweder festgestellt oder bestritten. Der Prüfungstermin folgt bei den meisten Gerichten unmittelbar auf den Berichtstermin, in welchem der Insolvenzverwalter zum aktuellen Stand des Verfahrens berichtet. Man spricht deshalb auch vom Berichts- und Prüfungstermin.

Wird die Forderung vom Verwalter bzw. Sachwalter anerkannt und bestreitet kein anderer Gläubiger oder der Schuldner selbst die Forderung, wird sie festgestellt und in die Insolvenztabelle aufgenommen. Sie nimmt dann am weiteren Verfahren teil. Der anmeldende Gläubiger erhält hierzu keine gesonderte Nachricht. Ein Auszug aus der Insolvenztabelle kann angefordert werden. Dieser ist ein vollstreckbarer Titel und wirkt insofern wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.

Wird die Forderung hingegen vom Insolvenzverwalter, dem Schuldner selbst oder einem anderen Gläubiger bestritten, wird sie gesondert erörtert. Bei erfolgtem Widerspruch des Insolvenzverwalters oder eines anderen Gläubigers wird die Forderung zunächst nicht als festgestellt in der Insolvenztabelle vermerkt. Der anmeldende Gläubiger erhält dann eine entsprechende Nachricht. Dann gilt es, die Gründe für das Bestreiten herauszufinden und zunächst mit dem Verwalter bzw. Sachwalter über die Anerkennung der Forderung zu verhandeln. Wird das Bestreiten trotz Verhandlung nicht zurückgenommen, bleibt die Möglichkeit der Erhebung einer Klage auf Feststellung der Forderung. Andernfalls bleibt die Forderung bestritten und nimmt nicht am weiteren Verfahren teil.

Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, nicht berechtigte oder nicht nachvollziehbar dargelegte Forderungen zu bestreiten. Auch die übrigen Gläubiger haben ein Interesse daran, nicht nachvollziehbar dargelegte Forderungen zu bestreiten. Je niedriger die Höhe der festgestellten Forderungen ist (sogenannte Passivmasse), umso höher kann eine Insolvenzquote ausfallen.

Ebenso ist es möglich, Forderungen anderer Gläubiger zu bestreiten, wenn diese nicht bestehen oder nicht nachvollziehbar sind. Die Forderungsanmeldungen sind vor dem Berichts- und Prüfungstermin am Insolvenzgericht niedergelegt und können von den Beteiligten eingesehen werden.

Forderungsfeststellungsklage als ultima ratio

Soll bei endgültigem Bestreiten tatsächlich eine Klage auf Feststellung zur Insolvenztabelle erhoben werden, stellt sich die Frage nach dem zuständigen Gericht. Dieses ist grundsätzlich das Amtsgericht, an dem das Insolvenzgericht ansässig ist. Bei Streitwerten über EUR 5.000,00 ist das Landgericht zuständig, in dessen Bezirk das Amtsgericht/Insolvenzgericht liegt.

Entscheidend für die Berechnung des Streitwerts, der auch für die Gerichtsgebühren maßgeblich ist, ist die Höhe der im Entscheidungszeitpunkt zu erwartenden Insolvenzquote. Das Gericht hat hierbei eine eigene Einschätzung vorzunehmen. Es kann sich jedoch an den Berichten des Insolvenzverwalters und dessen Aussagen orientieren.

Wie eine solche Quote berechnet wird, hat der BGH in seinem Beschluss vom 21. März 2019 (Az. IX ZR 27/18) aufgezeigt. Da die Berechnung nicht einfach ist und sich die zu erwartende Insolvenzquote während des Verfahrens ändern kann, ist das Kostenrisiko einer solchen Feststellungsklage oft nicht leicht einzuschätzen. Insbesondere dann, wenn eine geringe Quote zu erwarten ist, kann es sich empfehlen, zunächst von einer Klageerhebung abzusehen.

Forderung muss nachvollziehbar dargelegt werden

Um ein Bestreiten zu vermeiden, sollte die Forderung hinreichend glaubhaft gemacht werden. Die Höhe und der Grund der Forderung sind deshalb anzugeben. Genauso sollten Unterlagen beigefügt werden, aus denen sich die Forderung nachvollziehen lässt.

Je leichter sich die Forderung nachvollziehen lässt, umso eher wird diese anerkannt werden. Besteht die Forderung etwa aus zahlreichen Lieferungen und Leistungen, ist neben den Bestellungen, gegebenenfalls Verträgen, Rechnungen und Lieferscheinen auch eine Übersicht zu den Einzelposten hilfreich. Erfolgt die Anmeldung durch einen Vertreter, muss eine entsprechende Vollmacht beigefügt werden.

Aber: Achtung Anfechtung!

Zugleich sollte man aber sorgfältig überlegen, welche Unterlagen der Forderungsanmeldung beigefügt werden. Gerade bei Dauerschuldverhältnissen, wie etwa Mietverträgen oder Energielieferungsverträgen, ist es naheliegend, einen Auszug aus dem Forderungskonto des Schuldners beizufügen. Zeigt sich aber bereits daraus, dass der Schuldner schon seit geraumer Zeit und kontinuierlich im Rückstand war, hat man dem Insolvenzverwalter zugleich die Munition für eine Insolvenzanfechtung an die Hand gegeben. Die Folge kann dann sein, dass auch die erhaltenen Zahlungen zur Insolvenzmasse zurückgefordert werden. Daher sollte sorgfältig überlegt werden, ob überhaupt eine Forderungsanmeldung vorgenommen wird. Eine Pflicht zur Anmeldung besteht nicht.

Besonderheiten bei gesicherten, nachrangigen und deliktischen Forderungen

Neben der Hauptforderung können auch (Verzugs-)Zinsen auf diese angemeldet werden. Dabei ist zu beachten, dass Zinsen nur bis zum Tag der Insolvenzeröffnung angemeldet werden können. Die danach anfallenden Zinsen sind nachrangige Insolvenzforderungen. Solche können nur und erst dann zur Insolvenztabelle angemeldet werden, wenn das Insolvenzgericht gesondert dazu auffordert. Dies passiert äußerst selten, nämlich nur dann, wenn das Vermögen des Schuldners doch zur vollständigen Befriedigung der Insolvenzforderungen, der Masseforderungen sowie der Verfahrenskosten ausreicht.

Besteht eine Sicherheit für die Forderung, die den Gläubiger zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, sollte die Insolvenzforderung „für den Ausfall″ angemeldet werden. Der Ausfall ist der nach Auszahlung des Erlöses aus der Verwertung der Sicherheit verbleibende Betrag. Nachdem der Ausfall feststeht und dem Insolvenzverwalter angezeigt worden ist, nimmt der verbleibende Betrag an künftigen Verteilungen der Insolvenzmasse teil.

Folgt die Forderung gegen eine natürliche Person aus einer unerlaubten Handlung des Schuldners, etwa aus Delikt oder einer Straftat, ist dies ebenfalls gesondert bei der Forderungsanmeldung zu vermerken. Die Folge ist, dass die Forderung von einer Restschuldbefreiung des Schuldners nach Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht umfasst ist und weiterhin beigetrieben werden kann.

Fazit: Jeder Fall ist anders

Die Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle kann jeder Gläubiger im Grundsatz selbst vornehmen. Gleichzeitig gibt es jedoch auch einige Fallstricke. Ob es sich „lohnt″, hierfür anwaltliche Hilfe zu suchen und Kosten auszulösen, hängt letztlich von der Höhe der Forderung, der voraussichtlichen Insolvenzquote und den berühmten Umständen des Einzelfalls ab. Wer aber als Gläubiger in einem Insolvenzverfahren noch Geld sehen möchte, muss in jedem Fall selbst aktiv werden.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. MasseforderungVerkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das  französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein. Zuletzt haben wir uns mit dem Datenschutz im Asset-Deal beschäftigt

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