Ist der Vertragspartner insolvent, stellt sich die Frage nach der Einordnung der offenen Forderungen: Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit?
Ob man Insolvenz- oder Massegläubiger ist, spielt vor allem wegen der fast immer unterschiedlichen Befriedigungsquote eine große Rolle: Insolvenzforderungen werden nur in Höhe der (meist geringen) Insolvenzquote bedient, während Masseverbindlichkeiten (häufig auch als Masseforderung bezeichnet) grundsätzlich in voller Höhe vorab aus der Insolvenzmasse befriedigt werden.
Die Unterscheidung ist im Insolvenzverfahren nicht immer einfach. Maßgeblich für die Einordnung ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. In einigen Ausnahmefällen kann dies aber auch die Stellung des Insolvenzantrages sein.
Die Insolvenzforderung: Zeitpunkt der Begründung ist entscheidend
Insolvenzforderungen sind Ansprüche gegen einen insolventen Schuldner, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet waren. Erster Anhaltspunkt für die Bestimmung der Insolvenzforderung ist also grundsätzlich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nicht, wie häufig angenommen, die Stellung des Insolvenzantrages. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens „begründet“ ist ein Anspruch dann, wenn der Sachverhalt, der zur Entstehung des Anspruchs geführt hat, vollständig vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt.
In einigen Sonderkonstellationen können allerdings auch Forderungen, die zwischen Insolvenzantragstellung und Eröffnung begründet werden, Masseverbindlichkeiten sein.
Rangordnung unter den Insolvenzforderungen: allgemein und nachrangig
Innerhalb der Insolvenzforderungen wird unterschieden zwischen allgemeinen Insolvenzforderungen und nachrangigen Insolvenzforderungen. Nachrangige Insolvenzforderungen werden erst nach den allgemeinen Insolvenzforderungen und nach der im Gesetz vorgegebenen Reihenfolge berücksichtigt. Zu den nachrangigen Insolvenzforderungen gehören beispielsweise die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen auf Insolvenzforderungen.
Befriedigung von Insolvenzforderungen
Bei den Insolvenzforderungen zeigt sich das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung sehr deutlich: Sämtliche Insolvenzgläubiger erhalten nur eine quotale Befriedigung. Die Insolvenzquote bestimmt sich nach dem Verhältnis zwischen vorhandener Insolvenzmasse nach Verwertung des Vermögens des Insolvenzschuldners und der Gesamtsumme aller Insolvenzforderungen. Der Anteil, den der Gläubiger vom Wert seiner ursprünglichen Forderung dann noch erhält, ist die Insolvenzquote. Sie beträgt häufig nicht mehr als zehn Prozent, kann jedoch auch deutlich höher ausfallen.
Geltendmachung von Insolvenzforderungen
Die Geltendmachung von Insolvenzforderungen erfolgt ausschließlich durch Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle:
Im Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts ist die Aufforderung an die Gläubiger enthalten, ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter schriftlich anzumelden. Dabei bestimmt das Gericht eine Frist zu Anmeldung. Der Forderungsanmeldung sind diejenigen Belege beizufügen, aus denen sich die Forderung ergibt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Forderung nicht zur Insolvenztabelle festgestellt, sondern bestritten wird.
Häufig stellen die Insolvenzverwalter Formulare zur Anmeldung der Forderungen zur Verfügung oder bieten die Möglichkeit zur Anmeldung der Forderungen auf elektronischem Wege über ein Gläubigerinformationssystem. Für letzteres wird eine PIN benötigt, die die Insolvenzverwalter in der Regel zusammen mit den Informationen zum Gläubigerinformationssystem übermitteln.
Prüfungstermin nach Ablauf der Anmeldefrist für die Insolvenzforderungen
Im Eröffnungsbeschluss bestimmt das Gericht auch einen Termin für eine Gläubigerversammlung, in der die angemeldeten Forderungen geprüft werden (sogenannter Prüfungstermin).
Die Insolvenzforderungen werden allerdings nicht durch das Gericht auf ihr Bestehen geprüft. Das Insolvenzgericht klärt nur, ob ein anderer Insolvenzgläubiger oder der Insolvenzverwalter gegen eine Forderung einen Widerspruch erhebt. Das Bestehen der Forderung prüft vielmehr der Insolvenzverwalter im Vorfeld. Der insolvente Schuldner selbst hat kein Recht, angemeldeten Forderungen zu widersprechen.
Nach dem Prüfungstermin gilt die einzelne Forderung als zur Tabelle festgestellt, wenn kein Widerspruch erhoben wird. Wurde allerdings Widerspruch erhoben, muss der Gläubiger der bestrittenen Forderung gegen den Bestreitenden (Insolvenzverwalter oder Insolvenzgläubiger) auf die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle klagen. Gilt die Forderung als festgestellt, wirkt dies ebenfalls wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern.
Nachträgliche Forderungsanmeldung möglich
Auch nach dem Ablauf der durch das Gericht festgesetzten Anmeldefrist können Insolvenzforderungen noch angemeldet werden. Allerdings kann dies mit Kosten verbunden sein: Wird die Forderung zwischen dem Ablauf der Anmeldefrist und der Niederlegung der Tabelle zur Einsichtnahme beim Insolvenzgericht nachträglich angemeldet, kann sie noch in die Tabelle aufgenommen und im regulären Prüfungstermin zur Prüfung gestellt werden.
Sofern jedoch der Insolvenzverwalter oder ein anderer Insolvenzgläubiger dem widerspricht, ordnet das Insolvenzgericht entweder die Prüfung der Forderung im schriftlichen Verfahren an oder bestimmt hierfür einen besonderen Prüfungstermin. Beides geschieht auf Kosten des säumigen Gläubigers, wobei die Gebühr derzeit bei EUR 22,00 je Gläubiger liegt (Nr. 2340 Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).
Wird die Forderung erst nach Niederlegung der Tabelle angemeldet, ist ein schriftliches Verfahren oder ein besonderer Prüfungstermin auf Kosten des säumigen Gläubigers in jedem Fall durchzuführen.
Letztmögliche Forderungsanmeldung bis zum Ende der abschließenden Gläubigerversammlung
Bis wann Insolvenzforderungen letztmöglich angemeldet werden können, ist gesetzlich nicht geregelt. Allgemein anerkannt ist jedenfalls noch eine Anmeldung bis zum Ende der öffentlich bekannt zu machenden abschließenden Gläubigerversammlung (sogenannter Schlusstermin).
Um allerdings an der (Schluss-)Verteilung der Insolvenzmasse teilnehmen zu können, muss die Forderung im Schlussverteilungsverzeichnis enthalten sein. In dieses aufgenommen werden kann sie nur bis zu dessen Veröffentlichung und Niederlegung zur Einsichtnahme in der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts. Problematisch hierbei ist, dass Veröffentlichungs-und Niederlegungszeitpunkt nicht bekannt gemacht werden. Insolvenzgläubiger sollten daher mit der Anmeldung ihrer Forderungen nicht allzu lange zuwarten und insbesondere auch die Verjährung ihrer Forderung im Blick behalten. Bestenfalls sollten die Insolvenzgläubiger noch vor dem Prüfungstermin ihre Forderungen anmelden.
Die Masseverbindlichkeit
Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, sind grundsätzlich Masseverbindlichkeiten.
Es gibt allerdings auch Sonderkonstellationen, in denen bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren, also dem Zeitraum zwischen Eingang des Insolvenzantrags beim Insolvenzgericht und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Masseverbindlichkeiten entstehen können. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein sogenannter „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter vom Insolvenzgericht eingesetzt wurde. Dieser kann Masseverbindlichkeiten begründen.
Möglich ist auch, dass das Insolvenzgericht dem – in der Praxis viel häufiger bestellten – sogenannten „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter eine Einzelermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten erteilt. Daneben kann das Insolvenzgericht dem vorläufigen schwachen Insolvenzverwalter auch eine sogenannte „Gruppenermächtigung“ erteilen, etwa um Masseverbindlichkeiten zu begründen, die der Lieferung und Leistung zur Fertigstellung eines bestimmten Bauvorhabens dienen. Nicht zulässig ist es hingegen den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter mit einer Generalermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten auszustatten. Entscheidend ist somit der Inhalt des Beschlusses des Insolvenzgerichts.
Das Prinzip der vorrangigen Befriedigung – Segen für die Massegläubiger
Charakteristisch für Masseverbindlichkeiten ist, dass sie vorweg aus der Insolvenzmasse zu bedienen sind, das heißt vor den Forderungen der Insolvenzgläubiger. Es gilt also das „Prinzip der vorrangigen Befriedigung“. Dies hat zur Folge, dass Masseverbindlichkeiten in der Regel in voller Höhe befriedigt werden.
Hintergrund dieser Regelung ist, dass Massegläubiger durch eine Rechtshandlung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters mit der Insolvenzmasse in Kontakt kommen und meist eine Fortsetzung des Geschäftsbetriebs möglich machen. Dadurch wird die Masse vermehrt. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Interessen der Massegläubiger deshalb besonders geschützt werden. Dafür sorgen die §§ 60, 61 InsO. Danach haftet der Insolvenzverwalter den Massegläubigern auf Schadensersatz, wenn eine durch seine Rechtshandlung begründete Masseverbindlichkeit nicht voll erfüllt wird.
Die Haftung greift allerdings nicht, wenn der Insolvenzverwalter bei der Begründung der Masseverbindlichkeit nicht erkennen konnte, dass die Insolvenzmasse zur Erfüllung voraussichtlich nicht ausreichen wird. Diese Haftungsregelung zwingt den Insolvenzverwalter daher zu einer plausiblen Liquiditätsrechnung und gibt den Massegläubigern eine Sicherheit an die Hand.
Art der Masseverbindlichkeit wird relevant, wenn Insolvenzmasse zu gering ist
Das Gesetz unterscheidet verschiedene Masseverbindlichkeiten: Kosten des Insolvenzverfahrens (Gerichtskosten des Insolvenzverfahrens sowie die Vergütung des Insolvenzverwalters) und sonstige Masseverbindlichkeiten. Zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten gehören diejenigen Forderungen, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters begründet werden oder solche Forderungen gegen den Schuldner aus gegenseitigen Verträgen, deren Erfüllung der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verlangt hat (sogenanntes „Erfüllungswahlrecht“ des Insolvenzverwalters).
Diese Unterscheidung wird aber erst dann relevant, wenn die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um alle Masseverbindlichkeiten zu bedienen. In diesem Fall hat der Insolvenzverwalter beim Gericht das Drohen und den Eintritt der sogenannten „Masseunzulänglichkeit“ anzuzeigen. Diese Anzeige wird vom Insolvenzgericht öffentlich bekannt gemacht (unter https://neu.insolvenzbekanntmachungen.de/ap/suche.jsf).
Tritt der Fall der Masseunzulänglichkeit ein, werden die Masseverbindlichkeiten in einer gesetzlich vorgegebenen Reihenfolge beglichen: Zunächst werden die Kosten des Insolvenzverfahrens berichtigt, sodann die Masseverbindlichkeiten, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet wurden, und zuletzt alle übrigen Masseverbindlichkeiten. Reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um die Forderungen einer der genannten Gruppen komplett zu berichtigen, werden diese nach dem Verhältnis ihrer Beträge bedient. Es findet also wie bei den Insolvenzforderungen lediglich eine quotale Befriedigung statt. Deshalb spricht man auch von der „Insolvenz in der Insolvenz.“
In der Praxis zeigt der Insolvenzverwalter häufig bereits mit Eröffnung des Verfahrens die drohende Masseunzulänglichkeit an, sodass das Insolvenzgericht dies schon im Eröffnungsbeschluss bekanntgibt. Ist dies der Fall, ist es nicht ausgeschlossen, dass die Insolvenzgläubiger gar keine Quote erhalten, wenn die Insolvenzmasse schon nicht ausreicht, um die vorweg zu befriedigenden Masseverbindlichkeiten zu bedienen. Dann muss abgewogen werden: Kosten und Aufwand für die Anmeldung zur Tabelle in Kauf nehmen in der Hoffnung, dass der Insolvenzverwalter die Masse – beispielsweise durch Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen – mehren kann, oder lieber nicht?
Geltendmachung der Masseverbindlichkeit
Im Gegensatz zur Insolvenzforderung ist es nicht erforderlich, die Masseverbindlichkeit in einem besonderen Verfahren geltend zu machen. Sie ist gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen.
Fazit: Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Bekanntmachungen im Blick haben
Ob Masse- oder Insolvenzgläubiger: Risiken für einen Forderungsausfall bestehen in beiden Fällen, wenn auch ungleich höher für Insolvenzgläubiger. Den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sollte man dabei immer im Blick haben. Ebenso ist es empfehlenswert, regelmäßig www.insolvenzbekanntmachungen.de zu prüfen.