12. Oktober 2021
Champagner Russland
International

Champagner darf in Russland nicht mehr Champagner heißen!

Kein Champagner mehr in Russland? Kurzer Überblick über kürzlich erfolgte Änderungen im russischen Weingesetz.

Mitten im Juli platzte eine Meldung aus Russland in die europäischen Sommerferien: In Russland ist es jetzt verboten, französischen Champagner als solchen zu bezeichnen! Als Champagner darf nur noch russischer Sekt bezeichnet werden! Diese Nachricht war so skandalös, dass sie kein Sommerloch gebraucht hätte, um auf die Titelseiten der Zeitungen und Nachrichtenportale zu gelangen. Die Empörung war groß. Und anscheinend war ja auch etwas dran, denn bald folgte die Nachricht, Moet Hennessy habe seine Lieferungen nach Russland gestoppt. 

Aber was ist jetzt wirklich geschehen? Wir wollen hier versuchen, mit nüchternem Blick nachzuvollziehen, welche Änderungen es tatsächlich gegeben hat und welche Auswirkungen diese auf den Wein- und Sektmarkt in Russland haben. 

Änderungen im russischen Weingesetz führen nicht zur Unzulässigkeit einer Bezeichnung ausländischer Produzenten mit „Champagner“, soweit zusätzlich auf Russisch die Bezeichnung als Schaumwein erfolgt

In der Tat wurde im Juli 2021 das russische Weingesetz geändert (Gesetz Nr. 345-FZ vom 2. Juli 2021). Die wichtigsten Änderungen betreffen die Klassifizierung alkoholischer Getränke. Die bisherige Kategorie „Schaumwein (Champagne)“ wurde ersetzt durch eine Kategorie „Schaumwein, einschließlich russischer Champagne (Shampanskoye)“. Aufgrund dieser Änderung können nur noch russische Produzenten ihre Produkte als „russischer Shampanskoye“ bezeichnen.

Anders als zunächst in der Presse gemeldet, bedeutet dies aber nicht, dass ausländische Produzenten von Champagner diesen nicht mehr als solchen bezeichnen dürfen: Das Wort Champagne kann weiter auf dem Flaschenetikett verwendet werden, soweit es in lateinischer Schrift geschrieben ist. Allerdings muss auf dem russischsprachigen Konteretikett sowie in der Einfuhrdokumentation auf Russisch das Produkt als Schaumwein bezeichnet werden und nicht als Champagne. 

Damit führen die Änderungen dazu, dass die Etikettierung der Flaschen tatsächlich geändert werden muss. Auch muss die Zolldokumentation angepasst werden. Diese notwendig gewordenen Anpassungen führten letztendlich zu dem angesprochenen Lieferstopp durch Moet Hennessy, der im Übrigen mittlerweile aufgehoben worden ist. 

Änderungen im russischen Weingesetz hat auch Auswirkungen auf weitere alkoholische Getränke

Andere alkoholische Getränke, insbesondere Cognac, sind von den Änderungen ebenfalls betroffen, wenn dies auch nicht in dem Maße öffentliche Beachtung gefunden hat. So darf Cognac zwar weiterhin sowohl in lateinischer als auch in kyrillischer Schrift als solcher bezeichnet werden. Allerdings führt das Gesetz jetzt eine neue Kategorie „russischer Cognac“ ein sowie Unterkategorien als lokales Äquivalent der Bezeichnungen VSOP, XO u.ä. Ob sich daraus für ausländische Produzenten die Notwendigkeit ergibt, neue Konformitätszertifikate zu erhalten oder die Etikettierung zu ändern, ist bislang unklar. Dies führt zu erheblicher Verunsicherung, insbesondere weil die russische Gesetzgebung strenge Sanktionen bis hin zur Vernichtung nicht gesetzeskonform etikettierter Flaschen vorsieht. In der Praxis ist dies bislang nicht vorgekommen; die Drohung steht aber im Raum. 

Insgesamt dürfte weniger die Gesetzesänderung als solche den Aufschrei verursacht haben, als eher die Art und Weise ihrer Einführung: diese erfolgte von einem Tag auf den anderen und ohne Gewährung von Übergangsfristen, was zu echten Problemen bei der Etikettierung und Deklarierung von Ware führte. Im Gesetzgebungsverfahren wurden offenbar die ausländischen Marktteilnehmer nicht gehört, was ebenfalls für Verstimmung sorgte.

Ein wenig historischer Hintergrund: Schaumweinen in Russland seit jeher als „Shampanskoe“ verkauft

Ganz verständlich wird der doch erstaunlich unbedarfte russische Umgang mit ausländischen Herkunftsbezeichnungen wohl erst mit einem Blick in die Vergangenheit. Die Sowjetunion begann 1930 mit der Produktion von Schaumweinen, die unter der Bezeichnung „Sovjetskoe Shampanskoe“ verkauft wurden. Jahrzehntelang waren diese die Begleiter festlicher Anlässe in der weitgehend abgeschotteten Sowjetunion. Die Bezeichnung Champagne wird deshalb weiterhin auch im heutigen Russland mit diesen russischen Schaumweinen gleichgesetzt. Ein Bewusstsein dafür, dass Champagne eigentlich eine ausländische regionale Herkunftsbezeichnung ist, fehlt dagegen. Ähnlich geht es der Bezeichnung Cognac: auch diese wird ganz allgemein als Synonym für Weinbrand verstanden. 

Einen Versuch, dies zu ändern, wurde in den späten 80er Jahren unternommen, als Frankreich begann, systematisch seine regionalen Herkunftsbezeichnungen zu schützen. 1996 kam es sogar zu einer Verständigung zwischen Russland und Frankreich darüber, dass die Bezeichnung „Champagne“ und „Shampanskoe“ ausschließlich dem französischen Originalprodukt vorbehalten sein sollte. Diese Vereinbarung wurde aber nie konsequent umgesetzt. Weiterhin wurden viele russische Schaumweine als „Shampanskoe“ verkauft. 

Eine rechtliche Handhabe zur Untersagung der Nutzung der Bezeichnung besteht übrigens nicht: Russland hat nie das Lissaboner Abkommen zum Schutz regionaler Herkunftsbezeichnungen ratifiziert. Auch das TRIPS-Abkommen (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) bietet keinen Schutz, da nach russischer Auffassung dieses Abkommen nicht den Gebrauch der Bezeichnungen „Champagne“ und „Cognac“ als solche verbietet, sondern nur deren Nutzung in Warenzeichen. Das ist in Russland auch tatsächlich verboten. 

Ob die Gesetzesänderungen, wie beabsichtigt, geeignet sind, die russische Weinindustrie zu unterstützen, mag dahingestellt bleiben. In ausländischen Märkten, in denen Herkunftsbezeichnungen nach dem Lissaboner Abkommen geschützt sind, wird die Verwendung der Bezeichnungen „Champagne“ und „Cognac“ für russische Produkte weiter nicht möglich sein. Ausländische Produzenten dagegen suchen jetzt den Kontakt mit den russischen Behörden, um Klarheit über die neuen Vorschriften zu erlangen.

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