9. März 2012
So, nochmal zurück und diesmal mit "Anzeige"
Kartellrecht

Der Pressevertrieb in Deutschland – organisiert durch ein Kartell?

Beruht der Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland auf Bedingungen, die von einem Preis- und Konditionenkartell ausgehandelt werden? Diese Auffassung hat jedenfalls das Landgericht Köln in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 14.02.2012, Az.: 88 O 17/11, Bauer-Verlag ./. Bundesverband Presse-Grosso) vertreten. Aber der Reihe nach:

 Wie ist der Pressevertrieb in Deutschland organisiert?

In Deutschland werden nahezu alle Zeitungen und Zeitschriften im sog. Presse-Grosso über die Verlage, Vertriebsgesellschaften und Nationalvertriebe an die Pressegroßhändler (sog. Pressegrossisten) geliefert; diese beliefern sodann den Einzelhandel (mit Ausnahme von Bahnhofsbuchhandlungen, Zeitungs- bzw. Zeitschriftenabonnements und Lesezirkeln, die nicht diesem Vertriebssystem unterfallen). Merkmale des Presse-Grosso sind u.a. das Recht der Verlage, das Sortiment der Presseerzeugnisse eigenständig zu gestalten und die Abnahmeverpflichtung der Pressegrossisten (Dispositionsrecht) sowie das Recht der Einzelhändler und der Pressegrossisten, die nicht verkauften Exemplare wieder an die Verlage gegen Erstattung des Preises zurückzugeben (Remissionsrecht). Eine weitere Besonderheit sind die bestehenden Gebietsmonopole: Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist in sog. Grosso-Gebiete aufgeteilt, in denen jeweils nur ein Pressegrossist Zeitungen und Zeitschriften vertreibt (mit Ausnahme von zwei Grosso-Gebieten, in denen jeweils zwei Pressegrossisten tätig sind). Die Pressegrossisten gewähren untereinander absoluten Gebietsschutz.

Das Urteil des Landgerichts Köln

Vor dem LG Köln klagte die Vertriebsgesellschaft der Hamburger Bauer Media Group („TV Movie″, „Bravo″) gegen den Bundesverband Presse-Grosso. Bei diesem Verband handelt es sich um die bundesweite Vereinigung von Pressegrossisten. Der Bundesverband Presse-Grosso führt für seine Mitglieder zentral die Preis- und Konditionenverhandlungen mit den Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen. Die erzielten Verhandlungsergebnisse werden sodann inhaltsgleich von allen Mitgliedern des Verbands vereinbart. Aus diesem System der einheitlichen Preis- und Konditionenverhandlungen war der Bauer-Verlag im Jahr 2009 ausgeschert. Der Bauer-Verlag strebte nunmehr individuelle Verhandlungen mit einzelnen Pressegrossisten über den Vertrieb seiner Presseprodukte an. Dies wurde von den jeweiligen Pressegrossisten jedoch abgelehnt.

Der Bauer-Verlag verklagte schließlich den Bundesverband Presse-Grosso vor dem LG Köln auf Unterlassung der einheitlichen Verhandlungen mit den Verlagen. Ferner begehrte der Bauer-Verlag die Unterlassung seitens des Verbandes, Pressegrossisten aufzufordern, individuelle Verhandlungen mit dem Bauer-Verlag über Vertriebs-Konditionen zu verweigern.

Das Landgericht Köln gab dem Bauer-Verlag Recht. Zunächst führte das LG Köln aus, dass sich die Pressegrossisten – wegen der oben dargestellten Gebietsmonopole – aktuell gegenseitig keinen Wettbewerb machten. Allerdings sah das LG Köln die Pressegrossisten als potenzielle Wettbewerber an. Denn insbesondere die benachbarten Pressegrossisten eines Grosso-Gebiets könnten den Marktzutritt in das Gebiet und die damit verbundenen Risiken (wie z.B. Investitionen) auf sich nehmen.

Das LG Köln urteilte sodann, dieser potenzielle Wettbewerb zwischen den Pressegrossisten werde durch die einheitlichen Preis- und Konditionenvereinbarungen, die der Bundesverband Presse-Grosso für seine Mitglieder herbeiführe, eingeschränkt. Denn dadurch, dass die Pressegrossisten nur einheitliche Vereinbarungen mit den Verlagen träfen und dabei unter dem Schutz der Gebietsmonopole stünden, würden von vorneherein individuelle Verhandlungen zwischen Verlagen und einzelnen Grossisten ausgeschlossen. Diese Vorgehensweise stelle ein Preis- und Konditionenkartell dar (Art. 101 Abs. 1 lit. a) AEUV).

Auch die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Freistellung dieses Preis- und Konditionenkartells (Art. 101 Abs. 3 AEUV) lagen dem LG Köln zufolge nicht vor. Im Ergebnis verurteilte das Gericht den Bundesverband Presse-Grosso daher es zu unterlassen, für Pressegrossisten in Deutschland einheitliche Grosso-Konditionen mit bzw. gegenüber den Verlagen/Vertriebsgesellschaften/Nationalvertrieben zu verhandeln und/oder zu vereinbaren. Ferner verurteilte das LG Köln den Verband auch zur Unterlassung, Pressegrossisten aufzufordern, individuelle Verhandlungen mit dem Bauer-Verlag über Grosso-Konditionen zu verweigern.

Die Folgen

Der Bundesverband Presse-Grosso hat angekündigt, gegen das Urteil des LG Köln Berufung einzulegen. Hervorzuheben ist, dass das LG Köln nicht das System des Presse-Grossos an sich (mit seinen oben genannten Merkmalen) in Frage gestellt hat. Es hat vielmehr lediglich die einheitlichen Verhandlungen durch den Bundesverband Presse-Grosso, bei gleichzeitig bestehenden Gebietsmonopolen, als Preis- und Konditionenkartell qualifiziert. Insbesondere die Gebietsmonopole sieht das LG Köln jedoch nicht als ein „essential″ des Presse-Grossos an. Es sei nämlich nicht zu erwarten, dass das System des Pressevertriebs in Gebieten, in denen Wettbewerb zwischen Pressegrossisten herrsche, nicht mehr funktioniere.

Das Urteil beeinflusst bereits die laufende Debatte um die anstehende Reform des deutschen Kartellrechts. Denn nun streben die Verbände der Zeitschriftenverleger (VDZ), der Zeitungsverleger (BDZV) und der Pressegroßhändler an, dass das Grosso-System in seiner bisherigen Ausgestaltung durch eine Regelung in der anstehenden 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) abgesichert wird. Inwieweit die Politik im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses auf diese Forderung der Verbände eingehen wird, bleibt abzuwarten. Die ohnehin bereits spannende Debatte um die bevorstehende 8. GWB-Novelle ist damit um ein Element reicher.

Tags: 88 O 17/11 Bauer-Verlag Landgericht Köln Landgerichte Preis- und Konditionenkartell Presse-Grosso Pressevertrieb Rechtsprechung