6. Juni 2019
Bestpreisklausel
Kartellrecht

„Enge″ Bestpreisklausel von Booking.com zulässig

Das Buchungsportal "Booking.com" darf Hotels verpflichten, ihre Zimmer auf der eigenen Internetseite nicht günstiger anzubieten als auf der Portalseite.

Das OLG Düsseldorf hat sich mit seinem Beschluss vom 4. Juni 2019 (Az. VI (Kart) 2/16 (V); Pressemitteilung v. 4. Juni 2019) gegen das Bundeskartellamt gestellt. Letzteres hatte die entsprechende Klausel von Booking.com in den Verträgen mit den Hotelbetreibern im Jahr 2015 noch verboten (Az. B9-121/13).

Auch das OLG Düsseldorf hatte im vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Bundeskartellamtsentscheidung noch in Richtung eines Verbots tendiert (Beschluss v. 4. Mai 2016 – VI (Kart) 1/16). Insofern ist die aktuelle Entscheidung durchaus überraschend.

Online-Hotelportalbuchungen weiter auf dem Vormarsch

Internetportale wie Booking.com vermitteln Hotelbetreibern gegen Zahlung einer Vermittlungsgebühr Übernachtungsgäste. Der Anteil von Buchungen über solche Onlineportale nimmt weiter zu: Nach einer Untersuchung des Instituts für Tourismus der Fachhochschule Westschweiz Wallis im Auftrag des Hotelverbands Deutschland (IHA) buchten Hotelkunden im Jahr 2016 mehr als jede vierte Übernachtung in Deutschland über Onlineportale. Im Jahr 2013 waren es noch ca. 20 % gewesen.

Dieser Trend hin zu Plattformbuchungen dürfte seitdem weiter zugenommen haben.

„Weite″ Bestpreisklauseln unzulässig

Bereits im Jahr 2012 hatte das Bundeskartellamt die Hotelplattform HRS wegen einer Bestpreisklausel abgemahnt. HRS forderte damals von den Hotels, dass diese HRS für das gesamte Angebot im Internet den jeweils besten Hotelpreis, die höchste Zimmerverfügbarkeit und die jeweils günstigsten Buchungs- und Stornierungskonditionen garantieren sollten und auch Hotelangebote an der jeweiligen Rezeption nicht günstiger sein dürften.

Das Bundeskartellamt eröffnete in der Folge auch Verfahren gegen die Plattformen Expedia und Booking.com wegen der Verwendung ähnlicher Klauseln.

Das Verbot dieser sog. „weiten″ Bestpreisklauseln (auch als Meistbegünstigungsklauseln bezeichnet) hat das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 9. Januar 2015 (Az. VI (Kart) 1/14 (V)) bestätigt:DieweitenBestpreisklauseln bewirkten eine Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne von § 1 GWB und Art. 101 Abs. 1 AEUV. Die Vereinbarung einer solchen Bestpreisklausel nimmt den Hotelportalen den wirtschaftlichen Anreiz, den Hotels niedrigere Vermittlungsprovisionen anzubieten, um im Gegenzug die Möglichkeit zu erhalten, die Hotelzimmer über ihr Portal zu günstigeren Preisen und Konditionen als das Hotel selbst anbieten zu können. Die Bestpreisklausel führe auch zu Marktabschottungseffekten, denn sie erschwere den Markteintritt neuer Hotelportale.

„Enge″ Bestpreisklausel zulässig

Die Portalseitenbetreiber änderten daraufhin ihre Praxis: Booking.com erlaubte den Hotels zwar, ihre Zimmer auf anderen Hotel-Portalen oder über andere Vertriebskanäle (bspw. offline) preiswerter anzubieten, schrieb ihnen aber weiterhin vor, dass der Preis auf der hoteleigenen Webseite nicht niedriger sein darf als bei Booking.com.

Auch diese sog. engen Bestpreisklauseln untersagte das Bundeskartellamt (Beschluss v. 22. Dezember 2015 – B9-121/13): Es bestehe kaum ein Anreiz für die Hotels, ihre Zimmer auf einer neuen Plattform günstiger anzubieten, solange sie die Preissenkungen auf der eigenen Webseite nicht ebenfalls vornehmen könnten. Das verletze die Preissetzungsfreiheit der Hotels.

Dem widerspricht nun das OLG Düsseldorf in seiner aktuellen Entscheidung und hob den Untersagungsbeschluss des Bundeskartellamtes auf: Die modifizierten Bestpreisklauseln seien zulässig.

Keine Wettbewerbsbeschränkung, sondern wirtschaftlich notwendig

Das Gericht stützt sich in seiner Entscheidung auf das Ergebnis einer Hotel- und Kundenbefragung. Die Klauseln seien danach nicht wettbewerbsbeschränkend, sondern vielmehr notwendig, um einen fairen und ausgewogenen Leistungsaustausch zwischen den Portalbetreibern und den vertragsgebundenen Hotels zu gewährleisten.

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf unterbinden derartige enge Bestpreisklauseln ein illoyales Umlenken von Kundenbuchungen und verhindern, dass Kunden, die sich unter Inanspruchnahme der Hotelportalseite für das betreffende Hotel entschieden haben, durch niedrigere Zimmerpreise oder bessere Vertragskonditionen von der Buchungsseite des Portalbetreibers auf die Hotelseite umgelenkt würden.

Bestpreisklauseln im Rahmen der Vertikal-GVO generell zulässig

Im aktuellen Verfahren des OLG Düsseldorf kam eine Freistellung der Bestpreisklausel nach Art. 2 Abs. 1 der sog. Vertikal-GVO (VO (EU) 330/2010) nicht in Betracht, weil der Marktanteil von Booking.com auf den relevanten Märkten deutlich oberhalb von 30 % lag.

Bereits Ende des Jahres 2017 hatte das OLG Düsseldorf jedoch in einem Verfahren betreffend der Buchungsplattform Expedia entschieden, dass weite und enge Bestpreisklauseln der Vertikal-GVO unterfallen und keine Kernbeschränkung darstellen (Urteil v. 4. Dezember 2017 – VI-U (Kart) 5/17). Sofern Plattformbetreiber und Hotelbetreiber beide jeweils nicht mehr als 30 % Marktanteil aufweisen (vgl. Art. 3 Abs. 1 Vertikal-GVO), sind damit sowohl weite als auch enge Bestpreisklauseln in Deutschland zulässig.

Praxisausblick – ein europäischer Flickenteppich zu Bestpreisklauseln

Die ausführliche Urteilsbegründung ist bisher nicht veröffentlicht. Schon jetzt ist allerdings klar, dass das OLG Düsseldorf die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat. Die Möglichkeiten des Bundeskartellamtes gegen das Urteil vorzugehen, sind damit sehr begrenzt.

Erst kürzlich hatte auch ein schwedisches Gericht Booking.com die Verwendung einer engen Bestpreisklausel erlaubt. In mehreren europäischen Ländern wie z.B. Frankreich, Österreich, Italien und Belgien sind entsprechende Klauseln jedoch per Gesetz (teilweise unter lauterkeitsrechtlichen Aspekten) verboten – ein europäischer Flickenteppich.

Nach dem aktuellen Urteil dürften nun endgültig Hotelportale, die aufgrund der Bundeskartellamtsentscheidung aus dem Jahr 2015 auf enge Bestpreisklauseln verzichtet hatten, entsprechende Vorgaben – zumindest in Deutschland – wieder in die Verträge mit den Hotelbetreibern aufnehmen. Eine einheitliche europäische Lösung ist derzeit aber nicht in Sicht.

Tags: Bestpreisklausel Buchungsportal Hotel