2. Februar 2017
Fusionskontrolle Gebrauchsüberlassung
Kartellrecht

Fusionskontrolle bei Gebrauchsüberlassungsverträgen

Wieso der Gebrauchsüberlassungsvertrag der Lufthansa mit Air Berlin womöglich der Fusionskontrolle unterliegt.

Im Rahmen von Share- und Asset-Deals ist den Beteiligten meist bewusst, dass die Fusionskontrolle beachtet werden muss. Für Asset-Deals trifft das jedenfalls dann zu, wenn das Eigentum an Vermögensgegenständen übertragen werden soll, mit denen der Veräußerer bereits Umsätze erwirtschaftet hat. Der Erwerber kann somit nach Vollzug des Asset-Deals in die Marktstellung des Veräußerers eintreten. Beiden Vertragstypen gemeinsam ist, dass der Erwerber das Vollrecht erwirbt (Eigentum an Vermögensgegenständen oder Inhaberschaft eines Unternehmensanteils).

Doch eine Pressemitteilung und ein zusätzlich dazu veröffentlichter Fallbericht des Bundeskartellamts (BKartA) vom 30. Januar 2017 verdeutlichen, dass selbst Gebrauchsüberlassungsverträge fusionskontrollrechtliche Anmeldepflichten auslösen können.

Ausgestaltung des Flugzeugleasings

Im Rahmen der laufenden Restrukturierung des Luftfahrtunternehmens Air Berlin hat die Lufthansa mit Air Berlin einen Vertrag geschlossen. Air Berlin überlässt der Lufthansa für mindestens sechs Jahre (mit Verlängerungsoptionen) den Gebrauch von 38 Passagierflugzeugen des Typs Airbus A319 und A320 mitsamt Cockpit-Crew und Kabinenpersonal an deutschen und österreichischen Flughäfen („Wetlease-Vertrag″).

Air Berlin selbst hat diese 38 Passagierflugzeuge nur im Wege des Dryleasing von Dritten geleast. Zudem, so das BKartA, sei es im Wetlease üblich und auch vorliegend vereinbart, dass Air Berlin die Verantwortung für den Flugbetrieb, die Crewplanung, die Wartung, Schäden Dritter und die Versicherung der Flugzeuge behält.

Nicht Gegenstand der Transaktion waren die Übertragung von Start- und Landerechten (sog. „Slots″), von Kunden- oder sonstigen Vertrags- oder Geschäftsbeziehungen oder von sonstigen Vermögenswerten von Air Berlin an Lufthansa.

Das BKartA führte zum Sachverhalt weiter aus, dass die Lufthansa beabsichtige, von den geleasten 38 Passagierflugzeugen 25 in der Folgezeit zu erwerben. Jedoch sei selbst im Zeitpunkt der Freigabeentscheidung nicht sicher vorauszusehen, wie die Verhandlungen zwischen der Lufthansa und den diese 25 Flugzeuge leasenden oder veräußernden Unternehmen abgeschlossen werden.

Zehn dieser Passagierflugzeuge sollen im Wege des Dryleasing erworben werden (d.h. ohne zusätzliche Dienstleistung für die Gebrauchsüberlassung wie Pilotencrew oder Besatzung) und 15 Passagierflugzeuge sollen zu Eigentum erworben werden. Das BKartA prüfte trotz dieser Unsicherheit das Zusammenschlussvorhaben unter der Prämisse, dass die Lufthansa ca. zwei Drittel der 38 Passagierflugzeuge von dritten Unternehmen erwerben wird.

Gebrauchsüberlassung: Wieso Fusionskontrolle?

Auf den ersten Blick erscheint die Transaktion als „einfache″ schuldrechtliche Gebrauchsüberlassung. An eine Prüfung von Marktstrukturveränderungen mag man auf den ersten Blick nicht denken. Tatsächlich haben die meisten Fusionskontrollverfahren des Bundeskartellamts einen Vollrechtserwerb zum Gegenstand, wie er bei einem Share- oder Asset-Deal typisch ist.

Doch das vorliegende Zusammenschlussvorhaben zeigt, dass die deutsche Fusionskontrolle und die fusionskontrollrechtliche Anmeldepflicht nicht notwendigerweise einen solchen Vollrechtserwerb voraussetzen. Wie bei manchen Formen von schuldrechtlichen Management-Verträgen, die einen Einfluss auf die operative Geschäftstätigkeit des anderen Unternehmens ermöglichen, so kann auch ein langjähriger Gebrauchsüberlassungsvertrag einen Zusammenschlusstatbestand der deutschen Fusionskontrolle verwirklichen.

Auffassung der Europäischen Kommission

Wahrscheinlich um den rechtlich sichersten Weg einzuschlagen, hatten Lufthansa und Air Berlin das Vorhaben bereits Ende September 2016 (also drei Monate vor der Anmeldung beim BKartA) bei der Europäischen Kommission angezeigt.

Die Europäische Kommission kam zu dem Schluss, dass das Vorhaben keinen Zusammenschluss im Sinne der europäischen Fusionskontrollverordnung darstelle. Sie stellte daher das Fusionskontrollverfahren Mitte November 2016 ein.

BKartA: Gebrauchsüberlassung kann Zusammenschlusstatbestand erfüllen

Das BKartA hat das Zusammenschlussvorhaben zwischen Lufthansa und Air Berlin im maximal einmonatigen Vorprüfverfahren freigegeben. Das BKartA hat dabei einen pragmatischen Weg eingeschlagen:

Ob der Wetlease-Vertrag überhaupt einen Zusammenschluss im Sinne der deutschen Fusionskontrolle darstellt, wurde im Ergebnis offengelassen. Das BKartA ließ jedoch erkennen, dass es gewillt war, einen Zusammenschlusstatbestand anzunehmen. Auf Grundlage einer materiellen Prüfung der Auswirkung des Wetlease-Vertrags auf die Marktstrukturen sei das Vorhaben freizugeben. Es ergäben sich aus einer umfassenden Marktbefragung keine Anhaltspunkte dafür, dass das Zusammenschlussvorhaben zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führen würde.

Andeutungen des BKartA lassen auf die Erfüllung eines Zusammenschlusstatbestands bei Gebrauchsüberlassungsverträgen schließen

Das BKartA betonte, dass der Zusammenschlusstatbestand des Erwerbs von Vermögen eines anderen Unternehmens zu einem wesentlichen Teil nicht die Vollrechtsübertragung (Eigentumsübergang) erfordere. Die Laufzeit des Wetlease-Vertrags (sechs Jahre) sei für den Luftverkehr außergewöhnlich und übersteige den konkreten Streckenplanungshorizont einer Fluggesellschaft bei weitem, der in der Regel bei sechs Monaten bis zu einem Jahr liegt.

Die 38 Passagierflugzeuge entsprächen zudem ca. 25 % der aktuellen Flotte von Air Berlin. Durch Vollzug des Wetlease-Vertrags würde die Flotte von Lufthansa um ungefähr 7 % wachsen, sodass der Wetlease-Vertrag geeignet sei, die Marktstellung von Lufthansa zu verstärken. Damit seien die 38 Passagierflugzeuge auch ein wesentlicher Teil des Vermögens von Air Berlin.

Durch die Vereinbarungen mit dritten Unternehmen über die 25 der 38 Passagierflugzeuge sei der Übergang der Marktstellung von Air Berlin auf Lufthansa zudem abgesichert. Dass diese Absicherung durch Vereinbarungen mit Dritten zustande komme, sei aus Sicht des BKartA unerheblich; diese Zusatzvereinbarungen hätten sogar über die Laufzeit des Vertrags mit Air Berlin hinaus Bestand.

Das BKartA führte weiter aus, dass auch ein Erwerb von Teilkontrolle im Verfahren in Betracht zu ziehen sei.

Die Zusammenschlussbeteiligten hingegen argumentierten, dass der Wetlease-Vertrag eine reine Gebrauchsüberlassung darstelle. Ein Erwerb von Vermögen sei daher ausgeschlossen. Die Fusionskontrollanmeldung war daher rein vorsorglich eingereicht worden.

Andeutungen des BKartA lassen viele Fragen offen

Die deutsche Fusionskontrolle hat einen weiter gehenden Anwendungsbereich als die europäische Fusionskontrolle, wenn es um den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen an anderen Unternehmen oder den Erwerb wettbewerblich erheblichen Einflusses geht.

Wie der Wetlease-Vertrag zwischen Lufthansa und Air Berlin veranschaulicht, kommen das BKartA und die Europäische Kommission auch beim Erwerb von Nutzungsrechten an Passagierflugzeugen zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen in der Frage, ob ein Zusammenschluss vorliegt. Nach Auffassung des BKartA würde vorliegend auch ein Erwerb von (Teil-)Kontrolle in Betracht kommen.

Der Kontrollbegriff des deutschen Fusionskontrollrechts entspricht jedoch dem Kontrollbegriff des europäischen Fusionskontrollrechts. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen lassen sich somit nicht mit unterschiedlichen Rechtsgrundlagen erklären. Das BKartA hat zwar letztlich offengelassen, ob ein Zusammenschluss im Sinne der deutschen Fusionskontrolle vorlag. Im Gegensatz zur Europäischen Kommission hat das BKartA seine Entscheidung jedoch nicht auf seine fehlende Zuständigkeit mangels Zusammenschlusses gestützt.

Es geht aus den Veröffentlichungen des BKartA nicht eindeutig hervor, welche Bedeutung das BKartA der Tatsache beigemessen hat, dass Air Berlin selbst nur über die Rechte aus den Drylease-Verträgen mit dritten Unternehmen verfügen konnte. Womöglich meint das BKartA, dass es für die Erfüllung des Vermögenserwerbs genüge, wenn Air Berlin den größten Teil seiner Gebrauchsrechte aus den Drylease-Verträgen mit dritten Unternehmen an Lufthansa im Wege des Wetlease-Vertrags überträgt. Da das BKartA diese Frage im Ergebnis offengelassen hat, war es sich wohl selbst nicht sicher, ob die Voraussetzungen des vollständigen Einrückens des Erwerbers in die Rechtsposition des Veräußerers vorgelegen haben.

Zudem wäre es sehr aufschlussreich gewesen, wenn das BKartA seine Auffassung zum Verhältnis der Zusammenschlusstatbestände des Erwerbs von Vermögen zu einem wesentlichen Teil einerseits und des Kontrollerwerbs andererseits im vorliegenden Zusammenschlussvorhaben dargelegt hätte. Das BKartA hat verhältnismäßig ausführlich zur Erfüllung des Zusammenschlusstatbestands des Erwerbs von Vermögen zu einem wesentlichen Teil berichtet.

Zum Erwerb von (Teil-)Kontrolle war in den Veröffentlichungen lediglich ein Satz enthalten. Vielleicht hätte das Zusammenschlussvorhaben Anlass gegeben, das grundsätzliche Verhältnis beider Zusammenschlusstatbestände zu verdeutlichen. Dem Verfasser ist bislang kein Fall bekannt, in dem ein Erwerb von Vermögen zu einem wesentlichen Teil angenommen und ein Kontrollerwerb ausgeschlossen werden konnte. Das BKartA hätte „Neuland″ betreten können.

Fazit: Selbst Gebrauchsüberlassungsverträge können der Fusionskontrolle unterliegen

Unternehmen sollten in Anbetracht dieser Auffassung des BKartA bei künftigen langjährigen Gebrauchsüberlassungsverträgen Vorsicht walten lassen und genau prüfen, ob eine fusionskontrollrechtliche Anmeldepflicht besteht.

Tags: Fusionskontrolle Gebrauchsüberlassung Leasing