Indien boomt, es herrscht Aufbruchstimmung. Die Wachstumsraten sind enorm, der Konsum steigt, immer neue Unternehmen drängen auf den Markt. Entsprechend hoch ist der Bedarf an rechtlicher Beratung. Klassischerweise in den Bereichen Corporate, Finance und Tax; seit kurzem aber wird ein weiteres Feld relevant: Competition Law. Roland Wiring verbringt sein Secondment für CMS Hasche Sigle in Indien und hat seinen Fokus auf das Kartellrecht gelegt. Ein Bericht aus Neu Delhi.
Flughafen Neu Delhi, 2 Uhr nachts. Endlich am Ziel. Der Flug war in Ordnung, die Koffer sind da, das Visum wurde akzeptiert. Erst einmal durchatmen. Doch wie geht’s zum Hotel? Im Ankunftsbereich wimmelt es von Menschen. Sie alle warten auf Ankömmlinge. Viele halten Schilder in der Hand, andere schwenken Zettel, wieder andere rufen umher. Ein buntes Treiben – und ein kleiner Vorgeschmack auf den Trubel, der mich in den kommenden zwei Monaten erwartet. Es dauert eine Weile, bis ich mich zurechtfinde. Aber dann erblicke ich das ersehnte Schild – „Welcome Dr. Wiring″. Der Fahrer begrüßt mich herzlich, und schon sind wir auf dem Weg zum Hotel. Namaskar! Welcome to Delhi, welcome to India! Das Secondment hat begonnen.
Das indische Kartellrecht ist noch jung. Erst vor knapp zwei Jahren, am 20. Mai 2009, traten Regelungen in Kraft, die wettbewerbsbeschränkende Absprachen sowie den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verbieten. Die Normen des Competition Act haben viele Ähnlichkeiten mit dem europäischen Kartellrecht. Deshalb lassen sich auch die Erfahrungen aus Europa und die dortige Spruchpraxis fruchtbar machen. Zuständig für die Durchsetzung des indischen Kartellrechts sind die Competition Commission of India (CCI) sowie die Behörde des Director General. Letztere führt Ermittlungen durch, wenn die CCI zu dem vorläufigen Ergebnis kommt, es könnte ein Kartellrechtsverstoß vorliegen.
Bislang nicht in Kraft sind die Regelungen zur Fusionskontrolle. Doch das wird sich bald ändern. Erst vor wenigen Tagen hat die indische Regierung dafür den Weg frei gemacht: Ab dem 1. Juni 2011 werden Transaktionen, die sich auf den indischen Markt auswirken und an denen Unternehmen beteiligt sind, deren Umsätze oder Assets bestimmte Schwellenwerte überschreiten, bei der CCI angemeldet und von ihr freigegeben werden müssen.
Dass all diese Regelungen, die gesamtwirtschaftlich zwar positiv sind, die die Handlungsfreiheit der Unternehmen aber in bisher ungewohntem Maße einschränken, nicht immer auf Zustimmung stoßen, überrascht kaum. Umso wichtiger sind das „Awareness-Building″ sowie die vorbeugende Beratung, dass sich Compliance langfristig auszahlen wird – selbst wenn die CCI bislang noch in kein allzu großes Wespennest gestochen haben mag. Dabei kann ein Blick nach Europa den einen oder anderen Mandanten durchaus beeindrucken – vor allem Millionen-Bußgelder sprechen für sich. Und auch das Risiko eines nichtigen Vertrages möchten nur wenige eingehen. Zudem erkennen Unternehmen schnell, dass das neue Kartellrecht ihnen auch Chancen bietet – etwa, wenn sie systematisch von großen Playern diskriminiert werden oder keinen Zugang zu „Closed Shops″ bekommen.
Es ist eine spannende Zeit in Indien, dem Land der Vielfalt, der Gegensätze, der Farben – und der Gewürze. Zwar muss sich der Gaumen erst ein wenig akklimatisieren, und auch der Verzicht auf Besteck ist anfangs ungewohnt. Aber dann steht dem Genuss der indischen Küche nichts entgegen. Ob Punjabi, Bengali oder South Indian: Jede Region hat ihre eigenen Spezialitäten. Mal sind sie schärfer, mal weniger scharf. Aber „spicy″ ist es eigentlich immer.
Dass die gewisse Würze zum indischen Alltag gehört, zeigt sich auch an anderer Stelle: Fliegen mit „Spicejet″, Telefonieren mit „Spice Mobile″, Relaxen im „Spice Cinema″. What can I say – a spicy Secondment!