6. Dezember 2017
Selektives Vertriebssystem Luxus
Kartellrecht

Vertrieb von Luxusprodukten: Drittplattformverbote sind kartellrechtlich zulässig

Das Urteil des EuGH in Sachen Coty/Akzente vom 6. Dezember 2017 schafft für Hersteller von Luxusprodukten endlich Rechtssicherheit.

Das Urteil des EuGH in Sachen Coty/Akzente vom 6. Dezember 2017 (Rs. C-230/16) schafft für Hersteller von Luxusprodukten endlich Rechtssicherheit. Sie können ihren Händlern den Vertrieb über Onlineplattformen künftig ohne Angst vor einem Kartellverfahren untersagen. Bestehende Vertriebsverträge, die den Vertrieb über Onlineplattformen noch zulassen, können entsprechend angepasst werden. Das Urteil hat darüber hinaus Auswirkungen auf Markenprodukte, die über kein ausgesprochenes Luxusimage verfügen. Auch hier sind Einschränkungen des Verkaufs über Onlineplattformen zum Schutz des jeweiligen Produktimages unter bestimmten Bedingungen zumindest freistellungsfähig.

Selektiver Vertrieb im Internet

Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung dürfen Hersteller unter bestimmten Voraussetzungen (sog. Metro-Kriterien) ein qualitatives selektives Vertriebssystem einrichten, u. a. zur Wahrung der Qualität und zur Gewährleistung des richtigen Gebrauchs der betroffenen Produkte. Die dafür erforderlichen Vertriebskriterien schränken auch den Internetvertrieb ein.

Drittplattformverbot von Coty

Die Luxuskosmetikherstellerin Coty vertreibt bestimmte Marken im selektiven Vertrieb. Sie begründet ihr selektives Vertriebssystem ausdrücklich mit dem Luxusimage und dem Prestigecharakter ihrer Marken. Zugleich will Coty ihren Händlern vorgeben, dass ihr Onlineshop nicht eine andere Geschäftsbezeichnung aufweisen darf als ihr stationärer Shop. Dieses Drittplattformverbot untersagt den Händlern die Einschaltung von beim Verkauf offen auftretenden Drittunternehmen und damit auch den Verkauf über Internetmarktplätze wie Amazon oder eBay.

Unsicherheit nach Urteil i. S. Pierre Fabre

Die Zulässigkeit von Drittplattformverboten war in den letzten Jahren Thema zahlreicher Diskussionen und Gegenstand divergierender gerichtlicher Entscheidungen. Grund hierfür war insbesondere das Urteil des EuGH aus dem Jahr 2011 in der Rechtssache Pierre Fabre (Rs. C‑439/09). Damals hatte das Gericht – bezogen auf Kosmetik – klargestellt, dass das Ziel, den Prestigecharakter einer Ware zu schützen, kein Totalverbot des Internetvertriebs rechtfertige.

Insbesondere das Bundeskartellamt verstand das Urteil in Sachen Pierre Fabre dahingehend, dass der Schutz eines Luxusimages selektive Vertriebssysteme und Plattformverbote als solche nicht mehr rechtfertigen könne. Dies führte in der Folge zu erheblicher Verunsicherung bei Luxus- und Markenherstellern.

EuGH schafft Klarheit: Selektives Vertriebssystem zur Wahrung eines Luxusimages weiterhin zulässig

Auf die Vorlage des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main haben die Luxemburger Richter diese Rechtsunsicherheit nun beseitigt. Das Urteil ist erfreulich klar und eindeutig. Es dürfte die Diskussionen um Drittplattformverbote zur Wahrung eines Luxusimages, wie sie u. a. auch zwischen der EU-Kommission und dem Bundeskartellamt geführt worden waren, weitgehend beenden.

Nach Auffassung des EuGH ist ein selektives Vertriebssystem für Luxuswaren, das primär der Sicherstellung des Luxusimages dieser Waren dient, unter Beachtung der weiteren Metro-Kriterien grundsätzlich nicht vom Kartellverbot erfasst. Die Qualität von Luxuswaren beruhe nämlich auch auf ihrem Prestigecharakter, so dass eine Schädigung dieses Charakters geeignet sei, die Qualität der Waren selbst zu beeinträchtigen. Das selektive Vertriebssystem – ggf. einschließlich eines Drittplattformverbots – sei notwendig, um das Wesen der Ware als Luxusprodukt zu qualifizieren.

Der EuGH hebt in seinem aktuellen Urteil hervor, dass die Aussage im Pierre Fabre-Urteil lediglich das in dieser Rechtssache konkret in Rede stehende pauschale Internetvertriebsverbot für Kosmetik betroffen habe.

Drittplattformverbote sind keine Kernbeschränkungen

Selbst wenn ein Drittplattformverbot im konkreten Fall nicht erforderlich sein sollte, um ein bestimmtes Image sicherzustellen, bleibt das Verbot in der Regel kartellrechtlich zulässig. Der EuGH klärt in seinem Urteil, dass ein Drittplattformverbot grundsätzlich keine Kernbeschränkung i.S.d. Art. 4 lit. b) oder c) Vertikal-GVO und damit freistellungsfähig ist. Das bedeutet, es stellt weder eine Beschränkung der Kundengruppe noch eine Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher dar. Einen Marktanteil von Hersteller und Händler von jeweils nicht mehr als 30 % vorausgesetzt, profitiert ein Selektivvertrag mit einem Drittplattformverbot daher vom Schutz der Vertikal-GVO – auch unabhängig von einem Luxusimage.

Tags: Luxusware Selektives Vertriebssystem