9. November 2017
BGH: Schriftformheilungsklausel im Mietvertrag unwirksam
Real Estate

BGH: Schriftformheilungsklausel im Mietvertrag unwirksam

Mit dem kürzlich veröffentlichten Urteil gewinnt das Thema Schriftform bei langfristigen Mietverträgen wieder erheblich an Brisanz.

Aus der Entscheidung folgt, dass jede Partei einen langfristigen Mietvertrag unter Berufung auf Schriftformmängel vorzeitig kündigen kann – auch, wenn der Mietvertrag eine Schriftformheilungsklausel enthält.

Wirksamkeit von Schriftformheilungsklauseln umstritten

Mietverträge mit einer Festlaufzeit von mehr als einem Jahr müssen schriftlich abgeschlossen werden (§ 550 BGB). Alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere der Mietgegenstand, die Miethöhe sowie die Dauer und Parteien des Mietverhältnisses – müssen sich aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergeben. Ist die Schriftform nicht gewahrt, bleibt der Mietvertrag zwar wirksam. Er gilt jedoch als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann deshalb jederzeit mit ordentlicher Frist gekündigt werden.

In der Praxis zeigt sich, dass viele langfristige Mietverträge die Schriftform nicht einhalten und daher vorzeitig kündbar sind. Um das zu vermeiden, werden häufig sogenannte Schriftformheilungsklauseln vereinbart. Darin verpflichten sich die Parteien, etwaige Schriftformmängel zu beheben und den Mietvertrag nicht unter Berufung auf solche Mängel vorzeitig zu kündigen.

In der Vergangenheit hielt die Rechtsprechung solche Klauseln überwiegend für wirksam. Anfang 2014 entschied der Bundesgerichtshof erstmals, dass sie nicht für Grundstückserwerber gelten, die kraft Gesetzes in das Mietverhältnis eintreten (BGH-Urteil vom 22.01.2014, XII ZR 68/10). Jedenfalls seit diesem Zeitpunkt war in Fachkreisen höchst umstritten, ob und unter welchen Bedingungen Schriftformheilungsklauseln wirksam sind.

BGH kippt Schriftformheilungsklauseln generell

In seinem jetzt veröffentlichen Urteil hat der Bundesgerichtshof diesen Streit dahingehend entschieden, dass Schriftformheilungsklauseln generell unwirksam sind (BGH, Urteil vom 27.09.2017, Az. XII ZR 114/16). Das gilt gleichermaßen für Wohnungs- wie für Gewerbemietverträge. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Klausel individuell ausgehandelt oder als vorformulierte Geschäftsbedingung einseitig vorgegeben wurde.

Der Bundesgerichtshof begründete seine Entscheidung mit dem Schutzzweck des § 550 BGB, der durch eine Schriftformheilungsklausel vereitelt würde. Indem es ein Kündigungsrecht gewähre, schütze das Schriftformerfordernis einerseits den Grundstückserwerber, der kraft Gesetzes in bestehende Mietverhältnisse eintritt (§ 566 BGB). Er solle nicht langfristig an ihm unbekannte (weil nur mündlich vereinbarte) mietvertragliche Regelungen gebunden werden.

Andererseits schütze das Schriftformerfordernis auch die ursprünglichen Vertragsparteien vor Übereilung und diene der Beweisbarkeit langfristiger Abreden. § 550 BGB sei zwingendes Recht. Die Vorschrift liefe ins Leere, wenn die Parteien durch eine Schriftformheilungsklausel wirksam daran gehindert würden, bei Schriftformmängeln zu kündigen.

Im vorliegenden Fall hielt der Bundesgerichtshof die Kündigung des Vermieters indes aus anderen Gründen für unwirksam. Ursache des dortigen Schriftformverstoßes war eine nachträgliche Anpassung der Wertsicherungsklausel, die wirtschaftlich allein dem Vermieter zugute kam. Seine auf diesen Schriftformverstoß gestützte Kündigung sei folglich treuwidrig und daher unwirksam.

Auswirkungen auf die Praxis: Einhaltung der Schriftform beachten

Die Entscheidung gibt dem Thema Schriftform bei langfristigen Mietverträgen neue Brisanz. Das betrifft nicht nur die ursprünglichen Parteien des Mietverhältnisses, sondern auch Investoren, die Immobilien wegen der erwarteten Mieterträge erwerben.

Zwar konnten Schriftformheilungsklauseln jedenfalls seit 2014 nicht mehr als sicheres „Allheilmittel″ gegen Schriftformkündigungen angesehen werden. Nunmehr steht aber fest, dass sie nicht nur in bestimmten Konstellationen, sondern generell wirkungslos sind.

Spätestens jetzt muss daher wieder äußerst sorgfältig auf die Einhaltung der Schriftform geachtet werden – beim Abschluss von Mietverträgen und ihren Nachträgen ebenso wie bei der rechtlichen Due Diligence im Rahmen von Immobilientransaktionen.

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