Die mietrechtliche Praxis kämpft seit jeher mit dem Schriftformerfordernis in Gewerbemietverträgen. Das BMJV liefert einen neuen Lösungsvorschlag.
Das Schriftformerfordernis bei langfristigen Gewerbemietverträgen ist eines der gewichtigsten Probleme in der mietrechtlichen Praxis. Entspricht ein Gewerbemietvertrag nicht der Schriftform, kann er jederzeit vor Ablauf der Festmietzeit von beiden Parteien gekündigt werden. Dieses potenzielle, jederzeitige Kündigungsrecht führt zu enormer Rechtsunsicherheit. Etwaigen Versuchen der Praxis, sich selbst durch die Vereinbarung sog. Schriftformheilungsklauseln zu helfen, hat der Bundesgerichtshof eine Absage erteilt (BGH, Urteil v. 27. September 2017 – XII ZR 114/16).
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) liefert mit seinem Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht vom 26. Oktober 2021 einen neuen Lösungsvorschlag. Dieser unterscheidet zwischen dem Abschluss von Mietverträgen und dem Abschluss von Änderungsvereinbarungen. Während für Ersteres weiterhin das Schriftformerfordernis gelten soll, soll für Letzteres zukünftig die Textform ausreichend sein.
Das Problem mit dem Schriftformerfordernis: Die vorzeitige Kündigung unliebsam gewordener Mietverträge
Gewerbliche Mietverträge werden in aller Regel mit festen Laufzeiten abgeschlossen, wobei für die Dauer der festen Laufzeit das Recht zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist. Hierfür besteht grundsätzlich sowohl auf Vermieter- als auch auf Mieterseite ein erhebliches wirtschaftliches Interesse. Dem Vermieter* bieten die für die Dauer der festen Laufzeit gesicherten Mieteinnahmen eine verlässliche Grundlage für Investitionsentscheidungen. Der Mieter erbringt dagegen mit Blick auf die feste Laufzeit oftmals kostspielige Aus- und Umbaumaßnahmen, von denen er langfristig profitieren möchte. Die festen Laufzeiten sollen daher für beide Parteien Planungssicherheit gewährleisten. Diese Erwartung wird in der Praxis indes immer wieder enttäuscht.
Gewerbliche Mietverträge, die für eine feste Laufzeit von länger als einem Jahr abgeschlossen werden, müssen nach bisheriger Rechtslage gemäß § 578 Abs. 2 S. 1 Abs. 1 i.V.m. § 550 S. 1 BGB das Schriftformerfordernis wahren. Wird die erforderliche Schriftform nicht eingehalten, gilt der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann von beiden Parteien ordentlich gekündigt werden, auch wenn die im Vertrag angegebene feste Laufzeit noch nicht erreicht ist.
Obwohl das Schriftformerfordernis in erster Linie dem Schutz des Erwerbers einer Immobilie dienen soll, der gemäß § 566 Abs. 1 BGB in die bestehenden Mietverträge auf Vermieterseite eintritt, können nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch die ursprünglichen Vertragsparteien den Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel (vorzeitig) ordentlich kündigen. Die mietrechtliche Praxis zeigt, dass hiervon auch reger Gebrauch gemacht wird und sich die Kündigung wegen Schriftformmangel als ein beliebtes Mittel erwiesen hat, um unliebsam gewordene Mietverträge vorzeitig zu beenden.
Einhaltung des Schriftformerfordernisses bereitet Schwierigkeiten
Gewerbliche Mietverträge werden den Anforderungen an das Schriftformerfordernis oftmals nicht gerecht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Schriftform nur gewahrt, wenn sich die für den Abschluss des Vertrages notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere den Mietgegenstand, die Miete sowie die Dauer und die Parteien des Mietverhältnisses, aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Dies gilt nach bisheriger Rechtslage nicht nur für den ursprünglichen Mietvertrag, sondern auch für alle Änderungsvereinbarungen, soweit diese vertragswesentliche Regelungen enthalten.
Diese sehr abstrakt formulierte Definition der Anforderungen an das Schriftformerfordernis führt in der Umsetzung zu zahlreichen komplexen Detailfragen, die zu einer umfangreichen Kasuistik in Literatur und Rechtsprechung geführt haben. Trotz größtmöglicher Sorgfalt lässt sich die Gefahr eines Schriftformmangels und einer darauf gestützten Kündigung daher oft nicht mit letzter Sicherheit ausschließen.
Bisherige Lösungsvorschläge rund um das Schriftformerfordernis haben sich nicht durchgesetzt
In der Vergangenheit gab es bereits zahlreiche Ideen, um die zuvor dargestellten Probleme mit dem Schriftformerfordernis zu lösen. Diese reichen von der ersatzlosen Streichung des Schriftformerfordernisses aus dem Gesetz über die die Einrichtung eines öffentlichen Registers zum Schutz des Erwerbers bis hin zu dem (letztlich abgelehnten) Gesetzesentwurf des Bundesrates, nach dem das Kündigungsrecht infolge eines Schriftformverstoßes auf den Erwerber begrenzt werden sollte.
Die ersatzlose Streichung des § 550 BGB würde den Erwerberschutz gänzlich entfallen lassen. Die Einführung eines Registers, in das auch sämtliche Änderungsvereinbarungen einzutragen wären, erscheint in der Praxis als kaum umsetzbar. Neben der Verursachung eines erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwands bedeutet dies keine Erleichterung für die Mietvertragsparteien in Bezug auf die Einhaltung des Schriftformerfordernisses. Dem Gesetzesentwurf des Bundesrats wird entgegengehalten, dass die Beschränkung des Kündigungsrechts auf den Erwerber den Mieter einseitig benachteiligen würde. Der Vermieter könnte sich unter Umständen unliebsam gewordener Mietverträge noch immer durch die Veräußerung des Mietobjekts an ein verbundenes Unternehmen entledigen.
Diesen und anderen Vorschlägen ist damit insgesamt gemein, dass sie nicht geeignet sind, die bestehenden Probleme tatsächlich zu lösen. Die Vorschläge sind entweder nicht praktikabel oder benachteiligen zumindest eine der beteiligten Parteien.
Der Lösungsvorschlag des BMJV: Bei Änderungsvereinbarungen wird nur die Textform verlangt
Nach dem Diskussionsentwurf des BMJV soll § 550 BGB in seiner bisherigen Fassung zukünftig nur noch auf Wohnraummietverhältnisse anwendbar sein. Für Gewerbemietverträge soll dagegen ein neuer § 578a BGB eingefügt werden, nach dem für den ursprünglichen Mietvertrag weiterhin das Schriftformerfordernis gilt. In Abweichung zur bisherigen Rechtslage soll jedoch für Änderungsvereinbarungen die Textform ausreichend sein. Diese lässt die Verpflichtung der Unterzeichnung eines einheitlichen Dokuments durch beide Mietvertragsparteien entfallen und fordert lediglich die Abgabe einer lesbaren Erklärung, die die Person des Erklärenden erkennen lässt.
Im Falle eines Verstoßes des ursprünglichen Mietvertrags gegen das Schriftformerfordernis soll es in der Folge nach wie vor bei der (vorzeitigen) Kündigungsmöglichkeit bleiben.
Formverstöße beim Abschluss einer Änderungsvereinbarung führen dagegen nicht mehr zur Kündbarkeit des Vertrages. Bei einem Verstoß gegen das Textformerfordernis ist die entsprechende Änderungsvereinbarung gemäß § 125 BGB nichtig. Der übrige Mietvertrag und insbesondere die Laufzeit des Mietvertrags bleiben hiervon jedoch unberührt.
Entfall des Schriftformerfordernisses lässt Folgefragen offen
Im Gegensatz zu den bisherigen Lösungsvorschlägen trägt das BMJV einem der größten Probleme in der Praxis, dem Entstehen von Formfehlern bei dem Abschluss von Änderungsvereinbarungen, Rechnung. Es bietet eine Erleichterung in der Einhaltung von Formvorschriften, die im heutigen digitalen Zeitalter ohnehin von einigen Stimmen als überholt und nicht mehr praxistauglich angesehen werden.
Allerdings zeichnen sich auch bereits einige Folgefragen und Probleme ab. So können durch die Textform Warn- und Beweisfunktionen, die die Vertragsparteien insbesondere vor dem übereilten Abschluss von Vereinbarungen schützen sollen, kaum noch erfüllt werden. Auch der ausreichende Erwerberschutz steht hier in Frage. Sollten Änderungsvereinbarungen bspw. – dem Textformerfordernis entsprechend – nur per E‑Mail abgeschlossen werden, ist die umfassende Informationsmöglichkeit eines Erwerbers über sämtliche mietvertraglichen Vereinbarungen in der Praxis sicherlich nicht gleichermaßen gewährleistet. Während die Schriftform zur Ausfertigung und Ablage aller Änderungsvereinbarungen in Papierform zwingt, würde diese strenge Form der Dokumentation entfallen.
Darüber hinaus werden in der heutigen Praxis regelmäßig Schriftformverstöße in Mietverträgen durch gleichermaßen in Schriftform abzuschließende Änderungsvereinbarungen geheilt und so wird die gewünschte Planungssicherheit für die Parteien wiederhergestellt. Es stellt sich nun insbesondere die Frage, ob Änderungsvereinbarungen in der weniger strengen Textform geeignet sein können, um Verstöße gegen das strengere Schriftformerfordernis im Mietvertrag zu heilen. Sollte man dies nicht annehmen wollen, könnte ein nicht hinnehmbarer Schwebezustand mit einer erheblichen Unsicherheit für die Parteien entstehen, der ja gerade vermieden werden sollte und nur durch den Abschluss eines neuen Mietvertrags beendet werden könnte. Sollte dagegen die Heilungsmöglichkeit bejaht werden, scheint das Weiterbestehen des Schriftformerfordernisses für ursprüngliche Mietverträge quasi ins Leere zu laufen.
Verstöße gegen das Textformgebot werden mit Sicherheit seltener vorkommen. Dennoch ist fraglich, ob – im Falle eines Verstoßes – die harte Rechtsfolge der Nichtigkeit der Änderungsvereinbarung praktikabel und sachgerecht ist. Änderungsvereinbarungen beinhalten ebenfalls oftmals wichtige kommerzielle Regelungen, wie bspw. Mietanpassungen, Flächenveränderungen oder Laufzeitverlängerungen. Diese Änderungen wären bei einem Textformverstoß in der Folge unwirksam, was doch höchst problematisch erscheint.
Erfolg des Diskussionsentwurfes bleibt abzuwarten
Im Ergebnis lässt sich daher festhalten: Die Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht stellt keine leichte Aufgabe dar. Insoweit ist es äußerst begrüßenswert, dass sich das BMJV des Problems angenommen und einen Diskussionsentwurf erstellt hat.
Ob sich dieser vor dem Hintergrund der bereits absehbaren Folgefragen und Probleme – auch unter der neu gebildeten Bundesregierung und insbesondere der Neuzusammensetzung des nunmehrigen Bundesministeriums der Justiz (BMJ) – durchsetzen wird, bleibt jedoch abzuwarten. Eine Ideallösung für das Problem des Schriftformerfordernisses scheint es jedenfalls (noch) nicht zu geben, sodass dieses Thema auch in Zukunft ein täglicher Begleiter der mietrechtlichen Praxis bleiben wird.
Zu dem Diskussionsentwurf kann noch bis zum 21. Januar 2022 Stellung genommen werden.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.