Unternehmen, die Produkte herstellen, importieren oder in sonstiger Weise in Verkehr bringen, müssen neue Kennzeichnungs- und Mitteilungspflichten beachten.
Das Chemikalienrecht ist sowieso schon sehr anfällig für Abkürzungen. REACH, CLP und PIC dominieren das Feld. Neu hinzu kommen nun SCIP, SVHC und UFI. Hinter diesen Abkürzungen verbergen sich praxisrelevante Neuerungen im Bereich des Stoffrechts. Unternehmen, die Produkte in Verkehr bringen, müssen mit diesen Vorschriften vertraut sein und im Umgang mit Kunden und Lieferanten Vorkehrungen treffen, um Haftungsrisiken zu vermeiden.
Die SCIP-Datenbank
Am 5. Januar 2021 wurde die SCIP-Datenbank aufgrund Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle (Abfall-Rahmen-Richtlinie) eingeführt. „SCIP“ steht für “Substances of Concern In articles, as such or in complex objects (Products)”. In diese Datenbank muss grundsätzlich jeder Lieferant eines Erzeugnisses, welches einen besonders besorgniserregenden Stoff, sogenannte „Substances of Very High Concern“ (SVHC), in einer Konzentration von über 0,1 % (Massenprozent, w/w) enthält und dieses auf dem europäischen Binnenmarkt in den Verkehr bringt, bestimmte Informationen über dieses Erzeugnis, dessen sichere Verwendung und die enthaltenen SVHC einpflegen.
Diese besorgniserregenden Stoffe sind in der „Liste der für eine Zulassung infrage kommenden besonders besorgniserregenden Stoffe“ (Kandidatenliste) der Europäischen Chemikalien Agentur (ECHA) aufgezählt.
Die Datenbank wurde auf Basis vom Abfallrecht eingeführt und verfolgt folgende Hauptziele:
- Die Entstehung von Abfällen, die gefährliche Stoffe enthalten, soll verringert werden. Mit anderen Worten soll die Substitution von Stoffen der Kandidatenliste gefördert werden.
- Sie soll dafür sorgen, dass ausreichende Informationen in der Liefer- und Wertschöpfungskette vorhanden sind, um den Prozess der Abfallbehandlung und -verwertung zu optimieren.
- Sie soll es den Behörden ermöglichen, die Verwendung von SVHC in Erzeugnissen zu überwachen.
Nach Art. 33 Abs. 1 der REACH-Verordnung bestand zwar schon zuvor die Pflicht, in der Lieferkette nachfolgende Akteure über SVHC mit einer Konzentration von >0,1 % (w/w) in Erzeugnissen zu informieren. Auch Verbrauchern sind nach Art. 33 Abs. 2 REACH-VO auf Antrag entsprechende Informationen zu gewähren. Jedoch begründen diese Vorschriften keine Pflicht, Entsorgungs- oder Recyclingunternehmer über enthaltene SVHC zu informieren. An dieser Stelle setzt die SCIP-Datenbank an. Sie soll sicherstellen, dass die Informationen, die in der Lieferkette vorhanden sind, auch die Abfallentsorger bzw. -verwerter erreichen, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern.
Eintragungspflicht in SCIP-Datenbank für Hersteller, Importeure und Händler
Lieferant und damit gemäß § 16f Abs. 1 des Chemikaliengesetzes (ChemG) zur Meldung verpflichtet sind der Produzent und der Importeur eines Erzeugnisses, aber auch jeder Händler oder andere Akteure der Lieferkette, die das Erzeugnis in Verkehr bringen. Dabei gilt ein Produkt bereits dann als in den Verkehr gebracht, wenn es entgeltlich oder unentgeltlich an Dritte abgegeben oder bereitgestellt wird. Bereits die Einfuhr von Produkten zählt als Inverkehrbringen.
Die Eintragungspflicht kann bereits durch kleinste Einzelteile eines komplexen Produkts ausgelöst werden. So macht ein einzelner Dichtungsring mit einem SVHC-Gehalt von >0,1 % (w/w) eine gesamte Maschine meldepflichtig.
Vor diesem Hintergrund ist der Sorgfalt bei der Zusammenstellung der eigenen Daten über die stoffliche Zusammensetzung fremdbezogener Einzelteile mehr Bedeutung beizumessen denn je. Das macht es unter Umständen erforderlich, entsprechende Informationen bei Lieferanten anzufragen und Geschäftsbedingungen anzupassen.
Mitteilungspflichten und der sogenannte „UFI“
Neue Pflichten ergeben sich auch aus dem seit dem 1. Januar 2021 geltenden Anhang VIII der Verordnung (EG) 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung) für Importeure und sog. nachgeschaltete Anwender, die Gemische in den Verkehr bringen. Der Begriff der „Nachgeschalteten Anwender″ erfasst alle Personen und Unternehmen mit Sitz in der EU, die im Rahmen ihrer industriellen oder gewerblichen Tätigkeit einen Stoff als solchen oder in einem Gemisch (aus zwei oder mehr Stoffen) verwenden.
Die Pflichten des Anhangs VIII gelten nur für Gemische, nicht für die Stoffe selbst. Denn ihr Zweck ist die Lokalisierung von SVHC in Gemischen, insbesondere um in Notfällen eine schnelle, den Auswirkungen der jeweiligen SVHC entsprechende gesundheitliche Versorgung zu ermöglichen. Bei Stoffen selbst ist dies nicht notwendig, da sie direkt anhand ihrer Bezeichnung charakterisiert werden können. Daher sind insbesondere sog. Formulierer, also Unternehmen, die Gemische herstellen – anders als der Hersteller des Stoffs selbst – als nachgeschaltete Anwender, Adressaten der Pflichten Anhangs VIII CLP-VO (vgl. Leitfaden der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zu Rechten und Pflichten des nachgeschalteten Anwenders, S. 6).
Gestaffeltes Inkrafttreten der Pflichten
Der Anhang VIII CLP-VO sieht ein gestaffeltes Inkrafttreten der Pflichten vor. Sie gelten
- grundsätzlich seit dem 1. Januar 2021 für Pflichtige, die Gemische zur Verwendung durch
- Verbraucher oder
- zur gewerblichen Verwendung
in den Verkehr bringen,
- ab dem 1. Januar 2024 für Gemische, die rein industriell genutzt werden, aber
- erst ab dem 1. Januar 2025, wenn vor dem 1. Januar 2021 eine ausreichende Mitteilung über das gefährliche Gemisch bei der jeweils zuständigen Stelle erfolgt war.
Mitteilungspflicht an die „zuständige Stelle″
Zunächst ergibt sich aus dem neuen Anhang VIII CLP-VO eine Pflicht, dem Bundesinstitut für Risikobewertung Daten zu dem Unternehmen selbst sowie über das Gemisch, insbesondere über die enthaltenen gefährlichen Stoffe und die von diesen ausgehenden Gefahren für Gesundheit, Umwelt etc. mitzuteilen.
„UFI″ auf dem Etikett
Die Meldung erfasst auch den sog. „UFI“. Die eher unverfänglich anmutende Abkürzung steht für „Unique-Formula-Identifier“. Bei dem UFI handelt es sich um einen eindeutigen alphanumerischen Code, der unmittelbar nach Abruf in einer Datenbank über die Zusammensetzung eines Gemischs oder einer Gruppe von Gemischen informiert. Dies soll Giftnotrufzentralen bei Notfällen die schnelle Identifizierung von Gefahrstoffen ermöglichen und somit ein schnelleres Ergreifen von Hilfsmaßnahmen ermöglichen. Ein UFI kann auf der Website der ECHA eigens und kostenfrei generiert werden. Die normative Grundlage des UFI findet sich in Anhang VIII, Teil A, Ziff. 5 CLP-VO. Der UFI ist zudem auf dem Etikett des betroffenen Produkts anzubringen.
Auch im Zusammenhang mit diesen Melde- und Kennzeichnungspflichten ist äußerste Sorgfalt geboten, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Kommt es beispielsweise zu Vergiftungen mit einem SVHC und verzögert sich die Behandlung wegen eines fehlenden oder fehlerhaften UFI, bestehen erhebliche Haftungsrisiken.