Gerechtigkeit, Vereinfachung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind in Bezug auf Steuern die Kernpunkte im Koalitionsvertrag der Ampel 2021.
Der Koalitionsvertrag enthält wie erwartet keine umfassende Abhandlung aller im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 thematisierten Steuerthemen, sondern konzentriert sich auf die Ankündigung spezifischer Einzelpunkte wie auch vager Programmsätze. Themen wie der weitere Umgang mit der Abgeltungssteuer, die Abschaffung der Spekulationsfrist bei privaten Immobilienveräußerungen oder die Anpassung des Einkommensteuertarifs werden nicht aufgegriffen. Ebenso wenig werden neue Substanzsteuern oder konkrete Steuererhöhungen angekündigt.
Nachfolgende Punkte wurden von den Parteien im Detail vereinbart:
Steuergerechtigkeit, faire Besteuerung und Missbrauchsbekämpfung
Deutschland soll eine Vorreiterstellung im Kampf gegen Steuerkriminalität, aggressive Steuergestaltung sowie Geldwäsche einnehmen: Illegale Finanzierungen von Immobilien sollen durch geeignete Maßnahmen bekämpft werden; so soll u.a. für gewerbliche und private Immobilienkäufer aus dem Ausland bei jeglichem Immobilienerwerb in Deutschland ein Versteuerungsnachweis erforderlich sein. Missbräuchliche Gestaltungen wie bspw. „cum ex“ sollen durch Nutzen von neuen technischen Möglichkeiten unterbunden werden. In diesem Kontext erlittene Steuerschäden werden konsequent zurückgefordert. Bestehende Steuerschlupflöcher bei Share Deals im Zusammenhang mit Immobilienerwerben sollen zur Finanzierung einer flexibleren Gestaltung der Grunderwerbsteuer – bspw. Freibeträge beim Erwerb von selbstgenutztem Wohnraum – geschlossen werden. Konkrete Verschärfungen nennt der Koalitionsvertrag zwar nicht; es kann allerdings mit einem weiteren Absenken der maßgeblichen Erwerbsschwellen gerechnet werden.
Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung der Renten soll die steuerliche Vollberücksichtigung der Rentenversicherungsbeiträge bereits ab dem Jahr 2023 erfolgen. Gleichzeitig soll der steuerpflichtige Rentenanteil ab dem Jahr 2023 jährlich lediglich um einen halben Prozentpunkt steigen, sodass die Vollversteuerung der Rente erst im Jahr 2060 und nicht wie bislang im Jahr 2040 erreicht wird.
Die bereits bestehende Meldepflicht bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen soll bei Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als EUR 10 Mio. auch auf nationale Steuergestaltungen ausgeweitet werden. Auch wenn Details hierzu noch nicht bekannt sind, müssen sich betroffene Unternehmen auf einen erheblichen Mehraufwand einstellen.
Zur Sicherung der Steuergerechtigkeit setzt sich die Regierung zukünftig dafür ein, dass die sog. schwarze Liste der EU regelmäßig aktualisiert wird, um Geschäftsbeziehungen zu Steueroasen unattraktiv zu machen. Nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang auch die Vereinbarung, sich für mehr globale Steuergerechtigkeit einzusetzen. Konkret ableitbare Folgen ergeben sich hieraus jedoch nicht.
Zur Senkung der Betrugsanfälligkeit des Mehrwertsteuersystems und zur Schaffung einer Schnittstelle zwischen Steuerverwaltung und Betrieben soll schnellstmöglich ein bundeseinheitliches elektronisches Meldesystem zur Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen eingeführt werden.
Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens
Erwartungsgemäß werden Nachhaltigkeit und Digitalisierung steuerlich besonders gefördert: Die lineare Abschreibung für den Neubau von Wohnungen wird von zwei auf drei Prozent erhöht. Eine Investitionsprämie für Klimaschutz und Digitalisierung betreffend die Jahre 2022 und 2023 soll geschaffen werden. Hierzu soll zumindest ein Anteil der Herstellungs- und Anschaffungskosten von förderungswürdigen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vom steuerlichen Gewinn abzugsfähig sein (sog. „Superabschreibung“).
Das Besteuerungsfahren soll modernisiert und digitalisiert werden, indem steuerliche Betriebsprüfungen durch den Einsatz geeigneter Technik beschleunigt werden oder Steuererklärungen bereits vorausgefüllt zur Verfügung gestellt werden (Easy Tax). Letzteres ist durch den elektronischen Abruf von Daten bspw. über das Programm Elster schon heute zum Teil möglich. Gleichwohl ist der Schritt hin zur volldigitalisierten Interaktion mit der Finanzverwaltung zu begrüßen.
Besteuerung mit Auslandsbezug
Nach wie vor soll aus Deutschland abfließendes Einkommen angemessen besteuert werden, d.h. es soll weder zu einer Nicht- noch zu einer Doppelbesteuerung kommen. Bestehende Doppelbesteuerungsabkommen sollen hierzu angepasst werden, um die Quellenbesteuerung für Einkünfte aus Deutschland zu stärken.
Zur Vermeidung unerwünschter Steuergestaltungen soll die bestehende Regelung zur Zinsschranke um eine Zinshöhenschranke ergänzt werden. Was hierunter konkret zu verstehen ist und wie diese ausgestaltet werden soll, ist unklar. Aufgrund des aktuellen Niedrigzinsniveaus sollte die Auswirkung dieser Ergänzung derzeit jedoch überschaubar sein.
Die Einfuhrumsatzsteuer soll weiterentwickelt werden, um im europäischen Wettbewerb gleiche Bedingungen zu erreichen.
Geplante Steuererleichterungen für Unternehmen wie Private
Die im Zuge des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz erweiterte Verlustverrechnung soll zeitlich bis zum Jahr 2023 verlängert und der Verlustrücktrag auf die zwei unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeiträume ausgeweitet werden.
Der Sparerpauschbetrag soll von bisher EUR 801 bzw. EUR 1.602 bei Verheirateten ab dem 1. Januar 2023 auf EUR 1.000 bzw. EUR 2.000 bei Verheirateten erhöht werden.
Es ist geplant, den Ausbildungsfreibetrag von EUR 924 auf EUR 1.200 zu erhöhen.
Auch im Jahr 2022 werden die aktuellen steuerlichen Regelungen zum Homeoffice für Arbeitnehmer Anwendung finden, sodass voraussichtlich die Tagespauschale i.H.v. EUR 5 für maximal 120 Arbeitstage auch im kommenden Jahr abzugsfähig sein wird. Die anschließend geplante Evaluierung erscheint im Hinblick auf den Wandel der Arbeitswelt geboten und richtig.
Koalitionsvertrag kündigt spannende Änderungen im Steuerrecht an
Auch wenn sich die Parteien nunmehr auf diesen Vertrag geeinigt haben, bleibt abzuwarten, ob und wie die steuerlichen Zielpunkte in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden (können).
Insbesondere die Details zu den Themen Superabschreibung, Meldepflicht nationaler Steuergestaltungen, Ausweitung der Quellenbesteuerung und Anpassung der Zinsschranke sind mit Spannung zu erwarten. Die Immobilienbranche wird die angekündigte weitergehende Beschränkung von Share Deals im Auge behalten müssen.
Interessant dürfte auch die Entscheidung bzgl. der Evaluierung und der ggf. erforderlichen Praxisanpassungen am Optionsmodell für Personengesellschaften im Zusammenhang mit dem KöMoG sein.
In unserer Blog-Serie zu den Auswirkungen des Koalitionsvertrags informieren wir Sie vertieft über die genannten und weitere spannende Themen, die uns in den nächsten vier Jahren beschäftigen werden.