Der Koalitionsvertrag nimmt die bereits in der Vergangenheit intensiv diskutierte Implementierung neuer Rechtsformen für Unternehmen wieder auf.
Da immer mehr Unternehmen nachhaltig wirtschaften wollen und die bislang gesetzlich vorgesehenen Gesellschaftstypen als dafür ungeeignet ansehen, wird der Ruf nach alternativen Rechtsformen immer lauter. Es war also abzusehen, dass dies auf der politischen Agenda der Ampelkoalition stehen würde:
Zu einer modernen Unternehmenskultur gehören auch neue Formen wie Sozialunternehmen oder Gesellschaften mit gebundenem Vermögen.
Bereits vor einigen Monaten haben sich Vertreter* zahlreicher Parteien vom Grundsatz her für eine neue Gesellschaftsform ausgesprochen. Nach dem am 26. November 2021 vorgestellten Koalitionsvertrag soll für Unternehmen mit gebundenem Vermögen eine neue geeignete Rechtsgrundlage geschaffen werden, die Steuersparkonstruktionen ausschließe. Wertebasierte Family-Offices und Start-ups dürften sich freuen. Der tatsächliche Nutzen einer solchen neuen Rechtsform wie des Unternehmens mit gebundenem Vermögen wird aber auch in Frage gestellt.
Das Dilemma mit der unternehmerisch-philanthropischen Rechtsform
Immer mehr „Sozialunternehmer“ verfolgen einen „sozialen Purpose“: Mit ihren Geschäftsideen wollen Sozialunternehmer einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen und eine nachhaltige Wirkung entfalten. Um dies zu erreichen, sollen Unternehmen und deren Werte unabhängig von familiären Konstellationen dauerhaft bewahrt werden. Erwirtschaftete Gewinne sollen dem Unternehmen zugutekommen – nicht den Gesellschaftern.
Damit stellt sich auch zugleich die Frage, mit welcher Rechtsform ein solcher Unternehmenszweck am besten zu erreichen ist. Zur Auswahl stehen bislang die bekannten Rechtsformen – von der klassischen GmbH bis hin zur Stiftung. Viele Sozialunternehmer sind mit der Auswahlmöglichkeit allerdings unzufrieden, weil sich die gewünschten Strukturen etwa bei der Stiftung nur unter hohen administrativen Herausforderungen und Kosten realisieren lassen. Zur Lösung der für Sozialunternehmer unbefriedigenden Situation wurde mit einem Gesetzesentwurf aus dem Jahr 2020/2021 eine neue Unternehmensform vorgeschlagen: das im Koalitionsvertrag erwähnte Unternehmen mit gebundenem Vermögen.
Geschlossene (Werte-)Gesellschaft: Verwirklichung unternehmerischer Ziele ist oberstes Gebot
Der Vorschlag beruht auf der Idee, einen rechtlichen Rahmen für Unternehmen mit einem treuhänderischen Unternehmensverständnis mittels einiger rechtstechnischer Neuerungen im bereits bestehenden GmbH-Recht zu schaffen.
Der Unternehmenszweck einer solchen GmbH muss nach dem Gesetzesentwurf nicht zwingend gemeinwohlförderlich ausgestaltet sein. Die GmbH mit gebundenem Vermögen soll auch jeden erwerbswirtschaftlichen Zweck verfolgen können mit einem wesentlichen Unterschied zu herkömmlichen, erwerbswirtschaftlichen GmbHs: Gewinne sollen dauerhaft im Unternehmen gebunden bleiben und nicht an Gesellschafter ausgeschüttet werden, ein sogenannter „Asset-Lock“. An dieser Stelle wird klar, dass Gesellschafter nicht jeder sein kann. Denn die Gesellschafterstellung wäre dauerhaft nur für solche Gesellschafter geeignet, die in ihrer Beteiligung an einer GmbH mit gebundenem Vermögen die Motivation zur Verwirklichung und Erhaltung der unternehmerischen Ziele und Werte sehen und nicht ihre Gewinnmaximierung.
Auch nach der Konzeption des Gesetzesentwurfs sollen die Gesellschafter einer GmbH mit gebundenem Vermögen eine „Wertefamilie“ darstellen, die sich eher als Treuhänder des Gesellschaftsvermögens versteht denn als klassischer Gesellschafter. Daher sieht der Gesetzesentwurf auch nur einen bestimmten Gesellschafterkreis vor: natürliche Personen oder Muttergesellschaften, die ebenfalls einer dauerhaften Vermögensbindung unterliegen. Die Vererbung soll zwar nicht ausgeschlossen werden – sie wäre aber abhängig von der Zustimmung der Gesellschafter. Sollten die Gesellschafter einen Erben als künftigen Gesellschafter ablehnen, würden die Geschäftsanteile an die Gesellschaft übergehen und der Erbe wäre lediglich in Höhe der Einlagesumme zu entschädigen.
Ziel einer solchen dauerhaften Vermögensbindung und eines begrenzten Gesellschafterpersonenkreises ist die Erhaltung und nachhaltige Entwicklung des selbständigen Unternehmens und seiner Werte über mehrere Generationen hinweg. Der Vorschlag der Implementierung einer neuen Rechtsform stieß und stößt, wie bereits vermutet, nicht überall auf Beifall. Kritiker bezweifeln den Mehrwert einer solchen neuen Rechtsform. Damit stellt sich die Frage, ob sich die Idee des treuhänderischen Unternehmertums nicht auch mittels der bestehenden GmbH- oder Stiftungsregelungen umsetzen ließe.
Die dauerhafte Vermögensbindung kann nicht rückgängig gemacht werden
Auch im Gesellschaftsvertrag einer klassischen GmbH können die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag niederlegen, dass Gewinne ganz oder teilweise im Unternehmen zu verbleiben haben und nicht an Gesellschafter ausgeschüttet werden. Jedoch darf nicht unberücksichtigt gelassen werden, dass der Gesellschaftsvertrag jederzeit wieder geändert werden kann – und hin sind sie, die guten Vorsätze.
Genau das soll bei einem Unternehmen mit gebundenem Vermögen gerade nicht möglich sein. Ist der Entschluss, ein Unternehmen als „GmbH mit gebundenem Vermögen“ auszugestalten, einmal gefasst und vollzogen, gibt es kein Zurück mehr. Der Gesetzesentwurf sieht eine Ewigkeitsklausel vor, die besagt:
Die dauerhafte Vermögensbindung kann weder aufgehoben noch eingeschränkt werden.
Selbst durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss soll dies nicht mehr geändert werden können.
Kritikpunkte: Angriff auf Privatautonomie und fehlendes Asset-Stripping
Diese die Vermögensbindung perpetuierende Ewigkeitsklausel wird aber auch kritisiert. Mit der unabänderlichen Festlegung auf die Rechtsform beraubten sich Gesellschafter ihrer Privat- und Verbandsautonomie.
Der Kritikpunkt ist aus Sicht der verfassungsrechtlich garantierten Privat- und Verbandsautonomie verständlich. Allerdings ist es ebenso Ausfluss der Privatautonomie, eine bewusste Entscheidung zur Vermögensbindung auf immer und ewig zu treffen. Und damit die Verbandssouveränität hinsichtlich der Nichtabänderbarkeit der Satzung durch die Gesellschafter zu beschränken? Zumindest kann man sagen, dass der Asset-Lock niemandem aufgezwungen wird. Auch der Erblasser kann nicht mehr über die Gesellschafterstellung der Erben entscheiden.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass der derzeitige Gesetzesentwurf nur auf einen Asset-Lock beschränkt ist – nicht auf ein „Asset-Stripping“. Mit einem Asset-Lock würde lediglich der Mittelabfluss in Gestalt der Ausschüttung verhindert werden. Dagegen könnten Vermögensbestandteile oder sogar das gesamte Vermögen veräußert werden, was dem Grundgedanken der Nachhaltigkeit eher widersprechen würde. Dem lässt sich dadurch begegnen, dass ein größeres Eigenkapitalpolster dem Unternehmen in Krisensituationen zugutekommt.
Würde man Unternehmen durch ein Asset-Stripping nicht jegliche Flexibilität und jegliches Wachstumspotential nehmen?
Nun könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass sich bestimmte Grundwerte auch mit der Wahl einer Stiftung lösen ließen. Das Vermögen der Stiftung soll einen vom Stifter festgelegten Zweck erfüllen und im Übrigen der Stiftung erhalten bleiben; das Konzept der GmbH mit gebundenem Vermögen klingt im Vergleich recht ähnlich.
Dass das Stiftungsrecht unflexibel ist, vermag vor dem Hintergrund der Leitbilder der GmbH mit gebundenem Vermögen – Asset-Lock, Ewigkeitsklausel und dem Erhalt der Wertefamilie – nicht unbedingt zu überzeugen. Vor allem bei der Unternehmenszweckverfolgung wäre die GmbH mit gebundenem Vermögen wesentlich flexibler. Daher ist auch ein Pendant zur Stiftungsaufsicht im Gesetzesentwurf zur GmbH mit gebundenem Vermögen nicht vorgesehen. Zudem ist nicht nur die Gründung von Stiftungen, sondern auch deren Verwaltung teuer und komplex. Gerade für Start-ups und allgemein für kleine und mittelständische Unternehmen sind solchen Kosten regelmäßig schwer finanzierbar.
Wenn aber kein Gegenargument wirklich überzeugt, dann lassen sich steuerliche Erwägungen immer hören. Tatsächlich war und ist das Risiko einer etwaigen Steuerumgehung durch die GmbH mit gebundenem Vermögen ein großer Kritikpunkt. Daher auch die Anspielung im Koalitionsvertrag darauf, dass die GmbH mit gebundenem Vermögen kein Steuersparmodell sein und der Besteuerung „normaler“ GmbHs entsprechen soll. Selbst wenn Steuern eingespart würden, muss man sich durchaus fragen, ob dies nicht von der gesetzlichen Wertung her systemkonform wäre, denn Gewinne einer GmbH mit gebundenem Vermögen sollen nun einmal nicht ausgeschüttet, sondern thesauriert werden.
Eine neue Rechtsform belebt die Rechtsformlandschaft
Fragt sich jemand, weshalb in Deutschland eine neue Rechtsform eingeführt werden sollte, lautet die Antwort: Weshalb denn nicht? Aus unternehmerischer Sicht ist es grundsätzlich zu begrüßen, wenn das deutsche Recht ein diversifiziertes Portfolio an gesellschaftsrechtlichen Unternehmensformen anbieten kann.
Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber die Idee des Unternehmens mit gebundenem Vermögen umsetzen wird. Die Erwähnung einer solchen neuen Rechtsform im Koalitionsvertrag bedeutet nicht die vollständige Übernahme des aus der letzten Legislaturperiode stammenden Gesetzesentwurfs. Sollte die Idee umgesetzt werden, so bedarf es in jedem Fall eines ausgeklügelten gesetzlichen Regelungskonzepts. Erst in der Zukunft wird sich zeigen, wie stark die Nachfrage nach einer „Bis dass die Liquidation euch scheide“-Rechtsform in der Wirtschaft tatsächlich sein wird. Unter Umständen entscheidet sich der Gesetzgeber auch nur für die Änderung des Stiftungsrechts, um den Gedanken eines nachhaltigen wertebasierten Unternehmens, dessen Gründung und Verwaltung kostengünstig ist, zu erreichen. Wie auch immer die Vermögensbindung an den Lebenszyklus eines Unternehmens erreicht wird – es bleibt spannend an der Front der „Einführung einer modernen Unternehmenskultur“.
In unserer Blog-Serie „Ampel 21 – Auswirkungen des Koalitionsvertrages“ halten wir Sie zu den Auswirkungen des Koalitionsvertrages für in den verschiedenen Sektoren tätige Unternehmen auf dem Laufenden.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.