22. Juli 2020
M&A Haftung Gewährleistung
Distressed M&A im Automobilbereich Restrukturierung und Insolvenz

Geringer Kaufpreis = Geringe Haftung?

Fließt in "Distressed"-Situationen ein nur geringer Kaufpreis an den Gesellschafter, ist dessen Bereitschaft, für Gewährleistungsansprüche zu haften, ebenfalls gering. Gleichwohl werden Käufer eine gewisse Absicherung erwarten.

In unserer Blogreihe „Distressed M&A im Automobilbereich″ sind wir bereits in verschiedenen Beiträgen darauf eingegangen, vor welchen Herausforderungen die Automobilbranche derzeit steht. Die Unternehmen der Branche sind aufgrund des digitalen und antriebstechnischen Umbruchs zu Investitionen oder aufgrund der Corona-Krise zu Sparmaßnahmen gezwungen. Wenn der Finanzbedarf nicht aus eigenen Mitteln, aus Mitteln der Gesellschafter oder über Finanzierungen gestemmt werden kann, müssen Investoren gesucht werden, die bereit sind, als Gesellschafter in das betroffene Unternehmen einzusteigen.

Geringer Kaufpreis beim Erwerb von Beteiligungen von Altgesellschaftern

Die Mittel, die die Investoren beim Einstieg in ein Unternehmen aufbringen, das sich in einer „Distressed″-Situation befindet, fließen regelmäßig zum größten Teil in das Unternehmen selbst. Dies erfolgt entweder im Wege einer Kapitalerhöhung oder durch entsprechende Gesellschafterdarlehen.

Ist mit dem Einstieg in das Unternehmen ein Erwerb von Beteiligungen von Altgesellschaftern verbunden, fällt der Kaufpreis dafür regelmäßig gering aus. Dies liegt daran, dass sich der Kaufpreis für Gesellschaftsanteile an marktüblichen Bewertungsmethoden, maßgeblich an den letzten Ergebnissen des Unternehmens, orientiert. Unternehmen in „Distressed″-Situationen können regelmäßig aber nicht auf gute Ergebnisse in den Jahren vor der „Distressed″-Situation zurückblicken. Zudem werden sie regelmäßig durch hohe Finanzierungsverbindlichkeiten belastet sein, die von dem ermittelten Kaufpreis in Abzug zu bringen sind.

Gewährleistungsansprüche durch Haftungshöchstgrenze bei M&A-Transaktionen begrenzt

Es entspricht dem Marktstandard, dass der Verkäufer von Unternehmensbeteiligungen dem Erwerber im Unternehmenskaufvertrag bestimmte Eigenschaften des Unternehmens zusichert. Sollten diese Zusicherungen nicht zutreffen, hat der Erwerber Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer unter dem Unternehmenskaufvertrag.

Solche Gewährleistungsansprüche sind regelmäßig über eine Haftungshöchstgrenze nach oben begrenzt. Diese Haftungshöchstgrenze entspricht meist einem bestimmten Prozentsatz des Kaufpreises. In unserer CMS European M&A Study untersuchen wir seit 12 Jahren die Entwicklung dieser Haftungshöchstgrenzen, auch bezogen auf verschiedene Branchen und Sektoren.

Geringer Kaufpreis = Geringe Haftung

Die Haftungsbereitschaft eines Verkäufers von Unternehmensbeteiligungen wird mit sinkendem Kaufpreis ebenfalls abnehmen. Wenn, wie bei der Aufnahme von neuen Gesellschaftern über Kapitalerhöhungen, an den Altgesellschafter nur ein sehr geringer oder sogar nur ein symbolischer Kaufpreis gezahlt wird, mag die Haftungsbereitschaft des Altgesellschafters sogar gänzlich schwinden.

Auf der anderen Seite steht jedoch der Käufer, der eine Investition tätigt und hierfür eine gewisse Absicherung erwartet. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es für ihn sekundär, ob die investierten Mittel an den Altgesellschafter fließen oder in das Unternehmen. Es besteht ein Spannungsverhältnis, das es zu lösen gilt.

Absicherung des Käufers möglich: Durch W&I-Versicherung, Unternehmensbeteiligung als Haftungsmasse oder disproportionale Haftung

Um das Spannungsverhältnis zwischen geringem Kaufpreis und Absicherungsbedürfnis des Käufers zu lösen, kommen verschiedene Wege in Betracht. Eine Möglichkeit ist, die Gewährleistungsansprüche über eine W&I-Versicherung zu decken. In diesem Fall würde der Verkäufer allenfalls sehr eingeschränkt haften und der Käufer könnte sich bei Gewährleistungsansprüchen an die W&I-Versicherung wenden. Die Frage, die sich dann stellt, ist, wer die Versicherungsprämie übernimmt. In den letzten Jahren sind die Versicherungsprämien deutlich gefallen und die Verhandlungen über die wirtschaftliche Allokation der Versicherungsprämie sollten um einiges leichter zu führen sein, als die Verhandlungen über die Haftungsgrenze des Verkäufers.

Verbleibt der Verkäufer im Unternehmen, kann auch daran gedacht werden, dass der Verkäufer bei Gewährleistungsansprüchen nicht mit einem Geldbetrag haftet, sondern seine verbleibende Beteiligung am Unternehmen bis zu einer gewissen Grenze zu übertragen hat. Auch diese Lösung setzt natürlich eine gewisse Haftungsbereitschaft auf Seiten des Verkäufers voraus.

Es ist natürlich auch denkbar, dass der Verkäufer trotz des geringen Kaufpreises, der an ihn fließt, eine überproportionale Haftung für Gewährleistungsansprüche in Kauf nimmt. Die Bereitschaft des Verkäufers hierzu wird höher sein, wenn mit dem Einstieg des neuen Gesellschafters die Ablösung von Sicherheiten für Verbindlichkeiten der Zielgesellschaft verbunden ist, die der Verkäufer mit seinem Privatvermögen besichert hat.

Nach dem Auftakt zu unserer Blog-Serie „Distressed M&A im Automobilbereich“ haben wir anschließen gezeigt, warum der wesentliche Teil des Kapitals nicht vom Neu- an den Altgesellschafter fließt. Anschließend folgten unsere Beiträge zur Gesellschaftervereinbarung zum Interessenausgleich zwischen Altgesellschafter und Investor und mit einem insolvenzrechtlichen Blick auf Unternehmenskäufe. Zuletzt haben wir uns mit dem Schutzschirmverfahren und Insolvenzplan, dem Earn-out bei Distressed M&A und dem Kauf vom Insolvenzverwalter befasst.

Tags: Beteiligung Gesellschafter Gewährleistung Haftung Käufer Kaufpreis m&a