24. Mai 2022
Digitalisierungsrichtlinie eSigning GmbH-Gründung
Elektronische Signaturen und Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht

Digitale Neuerungen im Gesellschaftsrecht: eSigning

Einfacher, kostengünstiger und effizienter – diese Verheißungen verspricht die am 31. Juli 2019 in Kraft getretene „Digitalisierungsrichtlinie“.

Der offizielle Name ist „Richtlinie (EU) 2019/1151 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht“. Sie geht auf das „Company Law Package“ der Europäischen Kommission vom April 2018 zurück und verfolgt ein klares Ziel: Die EU-weite Digitalisierung des Gesellschaftsrechts soll weiter vorangetrieben werden.

Digitalisierungsrichtlinie als nächster Schritt in der Digitalisierung des Gesellschaftsrechts

Gesellschaft und Wirtschaft sind einem zunehmenden digitalen Wandel ausgesetzt. Es ist daher wenig verwunderlich, dass auch die Digitalisierung des Rechts immer weiter voranschreitet. Schon jetzt sind elektronische Akten und das beA-Postfach zentrale Bestandteile der juristischen Arbeitswelt. Dabei soll bereits in naher Zukunft vor allem im Gesellschaftsrecht noch so einiges mehr möglich sein. So sieht die Digitalisierungsrichtlinie u.a. vor, dass Kapitalgesellschaften künftig komplett online gegründet werden, Gesellschaftsunterlagen online eingereicht und sogar Zweigniederlassungen online registriert werden können. Aber auch der grenzüberschreitende Informationsaustausch über disqualifizierte Geschäftsführer soll erleichtert werden. 

Die Digitalisierungsrichtlinie stellt als EU-Richtlinie noch kein unmittelbar geltendes Recht in den einzelnen Mitgliedstaaten dar. Vielmehr ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten, die in der Richtlinie aufgestellten Vorgaben in das jeweilige nationale Recht zu implementieren. Dabei steht ihnen ein gewisser Umsetzungsspielraum zu. Insgesamt ist die Digitalisierungsrichtlinie in vielen Punkten sehr offen formuliert, was sowohl als Risiko als auch als Chance gesehen werden kann. 

Als Ablaufdatum der Umsetzungsfrist ist in der Richtlinie der 1. August 2021 genannt. Allerdings wurde den Mitgliedstaaten eine Option zur Verlängerung der Frist um ein Jahr (bis 1. August 2022) eingeräumt, von der auch Deutschland Gebrauch gemacht hat. 

Elektronische Signatur in Deutschland

In Deutschland sind Vorgänge wie die Gründung einer GmbH oder Anmeldungen zu Handelsregistereintragungen bislang nur in Präsenz möglich. Dies änderte sich auch nicht durch die 2016 vom Europäischen Parlament und Rat verabschiedete „Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt“ (eIDAS-VO), die einheitliche Vorgaben hinsichtlich der elektronischen Signatur mit sich brachte. 

Die Verordnung unterscheidet drei Formen der elektronischen Signatur: die „einfache elektronische Signatur“, die „fortgeschrittene elektronische Signatur“ und die „qualifizierte elektronische Signatur“. Für Dokumente, die keine notarielle Beurkundung erfordern, kann die elektronische Signatur schon heute bei entsprechender Gestaltung viele Präsenztermine überflüssig machen, und zwar sowohl bei GmbHs als auch bei Aktiengesellschaften und Personengesellschaften.

Sowohl für die notarielle Beurkundung als auch für die notarielle Beglaubigung ist jedoch keine der drei Signaturformen ausreichend. Die persönliche Anwesenheit der Beteiligten ist in beiden Fällen daher (noch) zwingend erforderlich.

Eine Änderung dieser Rechtslage ist jedoch in Sicht. Der Deutsche Bundestag hat am 10. Juni 2021 das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) beschlossen. Das Gesetz wird pünktlich zum Ende der Umsetzungsfrist der Digitalisierungsrichtlinie am 1. August 2022 in Kraft treten.

GmbH-Gründungen ab dem 1. August auch online möglich

Eine der zentralen Neuerungen durch das DiRUG ist die Möglichkeit der Online-Gründung einer GmbH. Die zur Gründung erforderliche Beurkundung soll künftig mittels Videokommunikation gegenüber Notaren* über ein von der Bundesnotarkammer neu zu implementierendes Videokommunikationssystem (neu: § 78p BNotO) möglich sein (neu: § 2 Abs. 3 GmbHG). Notare haben dabei eine elektronische Niederschrift mit qualifizierter elektronischer Signatur zu erstellen (neu: § 16a, b BeurkG). 

Des Weiteren soll auch die öffentliche Beglaubigung qualifizierter elektronischer Signaturen mittels Videokommunikation durch Notare ermöglicht werden. 

Aber auch in registerrechtlicher Hinsicht bringt das DiRUG einige Änderungen mit sich. So sollen Bekanntmachungen von Eintragungen in das Handelsregister künftig nur noch durch die erstmalige Abrufbarkeit der entsprechenden Informationen über das Registerportal der Länder erfolgen (sog. „Register only“-Lösung).

Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie im Entwurfsstadium

Sicherlich lassen die neuen Regelungen auch noch Luft nach oben. Die Möglichkeit einer Online-Gründung beschränkt sich nach dem DiRUG auf die Bargründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Andere Rechtsformen und die Gründung mit Sacheinlagen sind, wohl auch aufgrund höherer Komplexität der Sachverhalte, ausgenommen. Es gibt allerdings bereits einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiREG), in dem die Ausweitung auf andere Rechtsträger vorgeschlagen wird.

Weiterhin steht allerdings zu befürchten, dass aufgrund strenger Anforderungen an die Identifizierungsmittel vielen Ausländern der Zugang zum Online-Verfahren verwehrt bleiben wird. Darüber hinaus sind mangels geeigneter Identifizierungsmittel Gründungswillige aus Drittstaaten bereits von vornherein von der Möglichkeit der Online-Gründung ausgeschlossen. 

Digitalisierung in anderen EU-Ländern teilweise schon weiter fortgeschritten 

Unser Nachbarland Belgien zeigt, dass es zumindest teilweise auch anders gehen kann. Bereits seit dem 1. August 2021 ist es dort möglich, sämtliche belgische Gesellschaften online zu gründen. Der Anwendungsbereich des dort verabschiedeten Umsetzungsgesetzes wurde dabei weiter gefasst als in der Richtlinie vorgegeben. Der Anwendungsbereich ist hierbei nicht auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung reduziert. Allerdings sind auch dort Gründungen im Wege der Sacheinlage nicht möglich. 

In Österreich wurde im Januar 2019, also bereits vor Inkrafttreten der Digitalisierungsrichtlinie, durch das Elektronische Notariatsform-Gründungsgesetz die Möglichkeit der vollständigen Online-Gründung einer GmbH in der Notariatsordnung verankert (auch hier ist jedoch bislang nur eine Bargründung möglich). Die Nachfrage hält sich bisher allerdings noch in Grenzen – weniger als 1 % aller notariellen Urkunden werden in Österreich bislang digital ausgestellt. 

Die digitale Entwicklung des Rechts bleibt spannend

Die Digitalisierungsrichtlinie und das sie umsetzende DiRUG zeigen, dass auch die Digitalisierung des Rechts stetig voranschreitet. Manche mögen die aktuellen Schritte als zu klein bzw. zu langsam ansehen, jedoch sind sich fast alle darin einig, dass die eingeschlagene Richtung stimmt. Ob die eingangs aufgeführten Versprechungen eingehalten werden, muss sich in der täglichen Praxis zeigen. Auch die Frage, welche Neuerungen in Zukunft noch kommen werden, bleibt spannend. 

In unserem CMS Blog informieren wir Sie fortlaufend mit aktuellen Beiträgen über elektronische Signaturen und die Nutzung von Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Corporate / M&A Digitalisierungsrichtlinie Elektronische Signaturen und Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht