Bundestag und Bundesrat haben dem Entwurf der Regierungsfraktionen zum Darlehensnehmerschutz nahezu unverändert zugestimmt. Innerhalb einer Woche wurde das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen und das Gesetz am 27. März 2020 im Bundesgesetzblatt 2020 I S. 569 ff veröffentlicht.
Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens und Wirtschaftens zur Bekämpfung der Corona-Pandemie treffen auch Darlehensnehmer, weil sie die Darlehen in der Regel aus ihrem laufenden Einkommen oder erzielten Einnahmen bedienen.
+++ Update +++ 30. März 2020 +++ Update +++
Die bei Abschluss des Darlehensvertrags unvorhersehbaren krisenbedingten Einbußen können dazu führen, dass Darlehensnehmer ihre Darlehen oder die regelmäßigen Zins- und Tilgungszahlungen nicht oder nur noch in Teilen zurückzahlen können. Darlehensnehmer geraten in die Gefahr, dass das Darlehen verzugsbedingt gekündigt und die eingeräumte Sicherheit verwertet wird.
Das Gesetz zur Abmilderung der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht enthält die Sonderregelungen zum Darlehensrecht in Art. 240 § 3 EGBGB. Ziel der neuen Vorschriften ist es, dass die Vertragsparteien den Darlehensvertrag auch in Krisensituationen nicht sofort beenden müssen. Ihnen soll Zeit verschafft werden, in der sie nach Lösungen suchen können, um eine Fortsetzung des Darlehensverhältnisses nach Abklingen der Krise zu ermöglichen.
Gesetzliche Stundung der Ansprüche um drei Monate (Absatz 1)
Als zentrales Instrument werden Ansprüche von Darlehensgebern gegen Verbraucher auf Rückzahlung, Tilgung und Zins, die im Zeitraum zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2020 fällig werden, kraft Gesetzes gestundet. Die Fälligkeit der Ansprüche wird um drei Monate hinausgeschoben. Ein Anspruch, der am 2. April 2020 fällig würde, wäre somit bis zum Ablauf des 1. Juli 2020 gestundet; seine Fälligkeit wäre auf den 2. Juli 2020 verschoben.
Die Stundung bewirkt das Hinausschieben der bestimmten Fälligkeit der Forderung. Während des Zeitraums der Stundung können Verbraucher mit diesen Ansprüchen somit nicht in Verzug geraten. Die Regelung ist nur auf solche Darlehensverträge anwendbar, die vor dem 15. März 2020 abgeschlossen wurden. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass zu diesem Zeitpunkt die Krise nicht mehr unvorhersehbar war. Die Regelung soll auch vermeiden, dass Verträge, die ab dem 15. März 2020 gerade zur Unterstützung für Verbraucher abgeschlossen wurden und werden, um in der Krise liquide zu bleiben, kraft Gesetzes gestundet sind.
Zunächst ist Voraussetzung der Stundung, dass der Darlehensnehmer aufgrund der durch das Auftreten des Coronavirus hervorgerufenen außergewöhnlichen Verhältnisse Einnahmeausfälle hat. Dies hat der Darlehensnehmer ggf. darzulegen und zu beweisen. Zudem müssen die Einnahmeausfälle dazu führen, dass dem Darlehensnehmer die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ihm die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung seines oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner Unterhaltsberechtigten nicht zumutbar erbringen kann. Die Schwelle der relevanten Einnahmeminderung ist somit nicht pauschal festgelegt, sondern vom individuellen Einzelfall abhängig. Die Gefährdung des Lebensunterhalts ist als Regelbeispiel ausgestaltet. Der Darlehensnehmer hat die insoweit erforderlichen Nachweise zu erbringen. In der Regel wird dies dazu führen, dass die Verbraucher ihrer Bank mitteilen, dass sie sich auf die gesetzliche Stundungswirkung berufen.
Allerdings können die Vertragsparteien ausdrücklich auch zur gesetzlichen Stundungsregelung abweichende Vereinbarungen, insbesondere über mögliche Teilleistungen, Zins- und Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen treffen (Absatz 2). In dieser Vereinbarung, die die im Darlehensvertrag vor Eintritt der Stundungswirkung geltenden Zahlungstermine wieder in Kraft setzt, ist jedoch keine vorzeitige Erfüllung zu sehen, die eine Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 BGB auslösen würde.
Ausschluss des Kündigungsrechts wegen Zahlungsverzugs (Absatz 3)
Neben der Stundung wird das Kündigungsrecht des Darlehensgebers wegen Zahlungsverzugs, wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Verbrauchers oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit ausgeschlossen.
Die Stundung schiebt zwar die Fälligkeit der betreffenden Ansprüche hinaus, sodass der Darlehensnehmer mit diesen Ansprüchen nicht in Verzug gerät. Auch Verzugszinsen werden für die Zeit der gesetzlichen Stundung nicht geschuldet, da Verzug gemäß § 286 BGB Fälligkeit voraussetzt. Zusätzlich wird mit dem Ausschluss des Kündigungsrechts klargestellt, dass eine Verzugskündigung bis zum Ablauf der Stundung folgerichtig nicht in Frage kommt. In diesem Zeitraum ist ebenso eine Kündigung des Darlehensgebers gemäß § 490 Absatz 1 BGB (tatsächliche oder drohende Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensgebers oder der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit) nicht zulässig. Schließlich kann der Kündigungsschutz nicht zu Lasten von Verbrauchern abbedungen werden. Nach dem Gesetzeswortlaut sind die ausgeschlossenen Kündigungsgründe enumerativ aufgezählt. In der Praxis wird sich die Frage stellen, inwiefern sonstige Kündigungsgründe erhalten bleiben.
Gespräch über einverständliche Regelung (Absatz 4) und Verlängerung der Vertragslaufzeit bei Scheitern der einverständlichen Regelung (Absatz 5)
Darlehensgeber sollen Verbrauchern, die von krisenbedingten Einnahmeausfällen betroffen und deren Darlehensverpflichtungen gestundet sind, die Möglichkeit eines persönlichen Gesprächs anbieten. Gegenstand des Gesprächs können nach der Gesetzesbegründung zum einen mögliche Hilfs- oder Überbrückungsmaßnahmen seitens des Darlehensgebers sein. Auf Angebote Dritter muss der Darlehensgeber nach der Gesetzesbegründung nur hinweisen, soweit sie ihm positiv bekannt sind (z.B. Förderkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau). Zum anderen sollte sich das Gespräch auf die Fortführung des Darlehensverhältnisses nach Ablauf der Stundungsfrist beziehen. Hierzu können z.B. Zins- und Tilgungsanpassungen, die Verlängerung der Vertragslaufzeit oder Umschuldungen vereinbart werden. Diese Regelung dürfte darlehensgebende Banken unter dem gegebenen Zeitdruck vor erhebliche Kapazitätsprobleme stellen. Schnell wird sich auch die Frage stellen, ob diese Gespräche zu Haftungen wegen Beratungsverschuldens führen können.
Mit Ablauf der Stundungsfrist wären die bis zum 30. Juni 2020 fälligen, aber gesetzlich gestundeten Ansprüche und die nach diesem Zeitpunkt wieder regulär fällig werdenden Ansprüche parallel zu erfüllen. Für eine Übergangszeit wären Verbraucher daher doppelt belastet. Dieser Umstand könnte eine noch erheblichere Überforderung bedeuten. Sofern die Parteien keine Verhandlungslösung hinsichtlich der Fortführung des Darlehensverhältnisses nach dem 30. Juni 2020 gefunden haben, wird der Vertrag wie ursprünglich vereinbart fortgesetzt, nur die Fälligkeit der Leistungen wird um drei Monate verschoben. Diese Wirkung, die für die gestundeten Leistungen bereits eingetreten ist, wird nunmehr auf den gesamten Vertrag übertragen. Daher würde sich die Vertragslaufzeit insgesamt um drei Monate verlängern. Verzugszinsen, Entgelte oder Schadensersatzansprüche zu Lasten des Verbrauchers können nicht entstehen, weil eine gesetzliche Vertragsanpassung gegeben ist. Ein weiteres logistische Problem für die Darlehensgeber ergibt sich daraus, dass sie gemäß Absatz 5 Satz 3 verpflichtet werden, die vereinbarte aber auch die gesetzliche Vertragsänderung zu dokumentieren.
Ausschluss bei Unzumutbarkeit für den Darlehensgeber (Absatz 6)
Die vorstehenden Regelungen zum Schutz der Verbraucher gelten nicht, wenn dem Darlehensgeber die Stundung oder der Ausschluss der Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls einschließlich der durch das Coronavirus verursachten Veränderungen der allgemeinen Lebensumstände unzumutbar ist.
Der Gesetzentwurf geht zwar davon aus, dass wegen der großen Schutzbedürftigkeit von Verbrauchern deren Interesse an einem Zahlungsaufschub im Regelfall überwiegt. Gleichwohl kann es außergewöhnliche Fallkonstellationen geben, die eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses auch während des Stundungszeitraums im Einzelfall für den Darlehensgeber unzumutbar erscheinen lässt.
In Betracht kommen nach der Gesetzesbegründung gravierende oder sich über einen längeren Zeitraum hinziehende schuldhafte Pflichtverletzungen des Verbrauchers (z.B. betrügerische Angaben oder vertragswidrige Veräußerungen von Sicherheiten vor oder während der Pandemie-bedingten Ausnahmesituation, die das Sicherungsinteresse des Gläubigers erheblich beeinträchtigen).
Regelungen sind zunächst nur für Verbraucherdarlehensverträge anwendbar
Der erste Regierungsentwurf sah noch vor, dass die Regelungen für Gelddarlehensverträge aller Art gelten sollten. Als Begründung wurde angeführt, dass gerade Gewerbetreibende, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, vom Coronavirus stark betroffen seien und sich vielfach in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sähen. Auch gewerbliche Darlehensnehmer benötigten daher eine Schutzfrist, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, ihre Einnahmeausfälle zu kompensieren und das Darlehen wieder bedienen zu können.
Diese Regelung war aber bereits im endgültigen Gesetzentwurf nicht mehr enthalten. Mithin gelten die vorgeschlagenen Regelungen zunächst nur für Verbraucherdarlehensverträge im Sinne des § 491 BGB. Daher muss der Darlehensnehmer stets Verbraucher sein, sodass Einlagen des Verbrauchers (z.B. Sparverträge) und das Interbankengeschäft ausscheiden. Zudem werden weder Sachdarlehen noch Finanzierungshilfen oder Teilzahlungsgeschäfte im Sinne des § 506 BGB vom Anwendungsbereich der Norm erfasst. Für diese soll das in Art. 240 § 1 EGBGB geregelte Moratorium in Form des Leistungsverweigerungrechts ausreichenden Schutz bieten.
Verordnungsermächtigung kann Anwendungsbereich für andere Darlehensnehmer erweitern (Absatz 8)
Auch Unternehmen sehen sich trotz öffentlicher Hilfsangebote in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Statt die Regelung aber sofort auch auf Darlehen an Unternehmen zu erstrecken, hat sich der Gesetzgeber hingegen für eine Verordnungsermächtigung entschieden. Unternehmer sollen vorläufig auf die sonstigen Hilfspakete verwiesen werden.
Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundestages aber ohne Zustimmung des Bundesrates jedoch mittels Rechtsverordnung den Anwendungsbereich auf weitere Darlehensnehmergruppen, insbesondere auf Kleinstunternehmen und kleine und mittlere Unternehmen erstrecken. An dieser Stelle findet sich die einzige im Bundestag beschlossene Änderung im Vergleich zum Gesetzentwurf. Dort war noch eine Regelung enthalten, nach der die Erweiterung des personellen Anwendungsbereichs von der Regierung allein hätte entschieden werden können.
Zeitlich befristet bis zum 30. Juni mit Option der Verlängerung
Die Stundung gilt für Ansprüche, die im Zeitraum zwischen dem 1. April und dem 30. Juni 2020 fällig werden. Dauer und Auswirkungen der Corona-Pandemie können jedoch derzeit nicht verlässlich vorhergesagt werden.
Daher ist die Bundesregierung gemäß Art. 240 § 4 EGBGB ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates den Zeitraum der Stundung bis zum 30. September und die Verlängerung der Vertragslaufzeit auf bis zu zwölf Monate zu erstrecken. Dies soll gelten, wenn zu erwarten ist, dass das soziale Leben, die wirtschaftliche Tätigkeit einer Vielzahl von Unternehmen oder die Erwerbstätigkeit einer Vielzahl von Menschen durch die COVID-19-Pandemie weiterhin in erheblichem Maße beeinträchtigt bleibt.
Durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages aber ohne Zustimmung des Bundesrates kann die Frist auch über den 30. September 2020 hinaus verlängert werden, wenn die Beeinträchtigungen auch nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung fortbestehen.
In unserer Blogreihe „Finanzierungsthemen in Corona-Zeiten″ betrachten wir die Finanzierung mit all ihren Facetten. Angefangen haben wir mit einem Blick auf die Immobilienfinanzierung. Anschließen haben wir uns mit Kreditverträgen allgemein und der Verlängerungsoption in Konsortialkreditverträgen beschäftigt. Weiter haben wir die Darlehenskündigung und das Gesetz zum Darlehensnehmerschutz unter die Lupe genommen, sowie auf die Herausforderungen für Darlehensgeber aufgezeigt. Auch die KfW-Förderprogramme und den Wirtschaftsstabilisierungsfonds haben wir uns angeschaut.
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