Das dinglich wirkende Vermächtnis als neues Gestaltungsmittel für die Rechtsnachfolge in Deutschland.
Viele haben den Wunsch, bestimmte Gegenstände – insbesondere auch Immobilien – einer bestimmten Person – am Nachlass vorbei – zuzuwenden.
Der Klassiker für solche Zuwendungen sind Lebensversicherungen (mit denen man aber natürlich keine Immobilien schenken kann). Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit ist die Schenkung auf den Todesfall, die jedoch schon zu Lebzeiten des Erblassers vollzogen sein muss. Bei Immobilien muss die Auflassung hierfür bereits erklärt und der Grundbuchberichtigungsantrag gestellt sein. Da der Erblasser in diesem Fall zu Lebzeiten das Eigentum an seiner Immobilie verliert, wird diese Gestaltung eher selten dem Wunsch des Erblassers entsprechen.
Die Entscheidung des EuGHs in der Sache Kubicka (EuGH, Urteil v. 12. Oktober 2017 – Rs C-218/16) eröffnet nun die Diskussion, ob das in Deutschland anzuerkennende Vindikationslegat als Mittel zur Gestaltung der Zuwendung einer Immobilie am Nachlass vorbei in Frage kommt.
Zum Vindikationslegat und Damnationslegat in den Mitgliedsstaaten der EuErbVO
In einigen Mitgliedsstaaten der EuErbVO (z. B. Dänemark, Polen, Schweden, Frankreich oder Italien) ist es möglich, einen Vermögensgegenstand nach dem Tod des Erblassers mit unmittelbar dinglicher Wirkung einer bestimmten Person zuzuwenden. Der Gegenstand fällt dadurch nicht in den Nachlass und der Bedachte wird unmittelbar Eigentümer des Gegenstandes nach dem Erblasser. Man spricht in solchen Fällen von einem sog. Vindikationslegat.
Grundsätzliche Unzulässigkeit der Zuwendung einer Immobilie am Nachlass vorbei nach deutschem Recht
Ein derart dinglich wirkendes Vermächtnis ist dem deutschen Recht unbekannt. Dieses kennt nur das sog. Damnationslegat, bei welchem der Vermächtnisnehmer einen Anspruch gegen den Erben auf Übertragung der ihm zugewendeten Immobilie erwirbt.
Der Grund hierfür liegt in der im deutschen Erbrecht geltenden Universalsukzession. Diese bewirkt, dass die Erben unmittelbar im Zeitpunkt des Erbfalls das Eigentum an allen Nachlassgegenständen erwerben. Ist der Erbe mit einem Grundstücksvermächtnis belastet, trifft ihn nur die Verpflichtung dieses auf den Vermächtnisnehmer zu übertragen, wenn Letzterer dies verlangt. Ein Zwischenerwerb der Erben erfolgt immer zwingend, auch wenn dieser nicht immer im Grundbuch eingetragen werden muss. Das gesamte, für die Grundstücksübertragung und den Nachweis der Erbfolge anzuwendende Verfahrensrecht ist (derzeit noch) dem Grundgedanken der Universalsukzession entsprechend ausgestaltet.
Paukenschlag EuGH: Dingliche Wirkung des Vindikationslegat auch in Deutschland!
Der EuGH hat in der Sache Kubicka nun entschieden, dass ein nach ausländischem Recht mögliches Vindikationslegat auch in Rechtsordnungen anerkannt werden muss, denen das Vindikationslegat fremd ist.
Das heißt, dass auch in Deutschland ein ordnungsgemäß angeordnetes Vindikationslegat dingliche Wirkung entfaltet. Begründet wird dies mit Art. 23 II e EuErbVO, in welchem der Übergang der zum Nachlass gehörenden Gegenstände auf die Erben und gegebenenfalls Vermächtnisnehmer dem Erbstatut zugewiesen werden. Konsequenterweise unterfällt auch die dingliche Umsetzung der Nachlassverteilung dem Erbstatut und nicht dem Sachenrechtsstatut.
Durch die Kubicka-Entscheidung muss Deutschland deshalb auch die unmittelbar dinglich wirksamen Vindikationslegate anerkennen und der Bedachte muss in der Konsequenz unmittelbar Eigentümer werden können. Ungelöst ist bisher jedoch die Frage, wie dies umgesetzt werden kann.
Vindikationslegat als Gestaltungsmittel sinnvoll und in Deutschland umsetzbar?
Da der EuGH die dingliche Wirkung des Vindikationslegats nun auch für Deutschland angeordnet hat, stellt sich konsequenterweise die Frage, ob dadurch ein neues Gestaltungsmittel im deutschen Erbrecht geschaffen wurde.
Gestaltungsmittel nur für Personen mit Bezug zu solchen Mitgliedsstaaten, die das Vindikationslegat zulassen
In Betracht kommt das Vindikationslegat als neues Gestaltungsmittel nur für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates, der das Vindikationslegat zulässt, wenn er in diesem Mitgliedstaat seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat oder in einer letztwilligen Verfügung sein Heimatrecht wählt. Für einen Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats, der das Vindikationslegat nicht zulässt, z. B. für einen deutschen Staatsangehörigen, kommt das Vindikationslegat daher nur in Betracht, wenn er in einem solchen Mitgliedsstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Grundbuchberichtigung ohne Bewilligung und ohne Unrichtigkeitsnachweis – Wie soll das funktionieren?
Befindet sich eine Immobilie im Nachlass, muss das Grundbuch, wenn ein im Grundbuch eingetragener Rechtsinhaber verstorben ist, berichtigt werden. Hierzu muss der neue Rechtsinhaber die Grundbuchberichtigung beim Grundbuchamt beantragen, die Unrichtigkeit des Grundbuchs durch Nachweis der Erbfolge gemäß § 35 GBO, also die Vorlage des Erbscheins, notariellen Testaments oder Europäischen Nachlasszeugnisses, darlegen und die erforderlichen Kosten zahlen.
Passt das Grundbuchrecht auch für Vermächtnisnehmer, die durch Vindikationslegat Eigentümer gewordenen sind?
Grundsätzlich muss jeder Vermächtnisnehmer beim Grundbuchamt einen Antrag auf Grundbuchberichtigung bzw. Umschreibung stellen. Beim Damnationslegat muss der Übergang des Eigentums dann vom Rechteinhaber, dem Erben, bewilligt werden. Beim Vindikationslegat scheidet dieser Weg jedoch denklogisch aus, da der noch im Grundbuch eingetragene Erblasser keine Bewilligungserklärung mehr abgeben kann, da er verstorben ist. Dementsprechend verbleibt dem Vermächtnisnehmer eines Vindikationslegats nur der Weg über den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuches gemäß § 22 GBO. Hierbei stellt sich jedoch die Frage, in welcher Form dieser Nachweis erbracht werden kann, da es für das Vindikationslegat keine passende Vorschrift gibt. Naheliegend wäre es, § 35 GBO heranzuziehen. Dieser regelt, dass der Nachweis der Erbfolge durch Erbschein, Europäisches Nachlasszeugnis oder ein notarielles Testament nebst Eröffnungsniederschrift geführt werden kann. Der Vermächtnisnehmer eines Vindikationslegats möchte und kann aber ja gerade nicht seine Erbfolge nachweisen, sondern nur seine dingliche Berechtigung aufgrund des Vindikationslegates.
Lösungsansätze der Literatur, aber keine Maßnahmen der Rechtsprechung oder Gesetzgebung
Seit der Kubicka-Entscheidung werden in der Literatur verschiedene Lösungsansätze für die fehlende Möglichkeit des Vermächtnisnehmers, die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachzuweisen, aufgezeigt.
Zum Teil wird gefordert, § 35 GBO analog auf diese Situation anzuwenden. Jedoch gebietet § 35 GBO mangels planwidriger Regelungslücke keinen Raum für eine Analogie. Andere fordern, das Vindikationslegat als Sondererbfolge zu qualifizieren und damit in den Anwendungsbereich des § 35 GBO zu zwängen.
Der sicherste Weg wäre aber wohl, den Wortlaut des § 35 GBO dahingehend zu ändern, dass § 35 GBO nach dem Vorbild des § 12 HGB angepasst wird, indem „Nachweis der Erbfolge“ durch „Nachweis der Rechtsnachfolge“ von Todes wegen geändert wird, sodass auch der Vermächtnisnehmer als Rechtsnachfolger vom Anwendungsbereich erfasst wäre.
Eigener Ansatz: Änderung des § 35 GBO und § 352b FamFG
Aus hiesiger Sicht sollte § 35 GBO dahingehend geändert werden, dass geregelt wird, wie der „Nachweis der Rechtsnachfolge von Todes wegen“ erbracht werden kann. Zusätzlich sollte nach hiesiger Auffassung § 352b FamFG noch ein dritter Absatz hinzugefügt werden, indem geregelt wird, dass im Erbschein auch anzugeben ist, wenn aufgrund eines Vindikationslegats ein unmittelbarer dinglicher Rechtserwerb nach dem Erblasser angeordnet wurde.
Vindikationslegat (noch) kein neues Gestaltungsmittel
Derzeit lässt sich damit festhalten, dass das Vindikationslegat als sicheres Gestaltungsmittel für die Übertragung von Immobilien am Nachlass vorbei noch nicht geeignet ist, da die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen noch fehlen. Es muss daher vorerst abgewartet werden, welche Maßnahmen der Gesetzgeber unternimmt, um die Vorgaben des EuGHs im deutschen Verfahrensrecht umzusetzen.
Die Übersicht zur Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist der erste Beitrag unserer Serie zu Immobilien in der Nachfolge. In weiteren Beiträgen befassen wir uns mit der Immobilienbewertung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, der Steuerbefreiung des Familienheims und der Strukturierung und Übertragung von Immobilienvermögen. Es folgten Beiträge zur Besteuerung des Familienpools mit Immobilien, zu Verschonungsregelungen für Wohnungsunternehmen sowie zur Grunderwerbsteuer bei Übertragungen im Rahmen der Vermögensnachfolge. Zuletzt sind wir auf Immobilien in der Betriebsaufspaltung, Immobilienbewertung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht und Minderjährige in der Immobiliennachfolge eingegangen.