12. Februar 2020
Nießbrauch Immobilie
Immobilien in der Nachfolge Private Clients Steuerrecht

Übertragung von Immobilien unter Nießbrauchsvorbehalt

Gerade bei Immobilienübertragungen ist der Vorbehalt des Nießbrauchs für den Schenker eine beliebte Gestaltung. Worauf ist zu achten?

Immobilien eignen sich sehr gut, um Vermögen bereits frühzeitig auf die nachfolgende Generation zu übertragen. Behält sich der Schenker hierbei den Nießbrauch vor, überträgt er zwar die Vermögenssubstanz, behält aber die Einkunftsquelle zurück und vereinnahmt so weiterhin die Erträge aus der Immobilie, so als ob er Eigentümer wäre. Dennoch können die persönlichen schenkungsteuerlichen Freibeträge, die alle 10 Jahre wieder neu nutzbar sind, bereits frühzeitig und im Zeitablauf so ggf. mehrfach genutzt werden.

Zivilrechtliche Grundlagen der Übertragung von Immobilien und Bestellung eines Nießbrauchs

Wird bei der Grundstücksübertragung der Nießbrauch vorbehalten, stehen dem Nießbraucher nach § 1030 BGB die Erträge aus der Immobilie zu. Der Nießbraucher bleibt Vermieter der Immobilie. Er ist verpflichtet, für die Erhaltung der Immobilie zu sorgen und für die Dauer des Nießbrauchs öffentliche und private Lasten in Bezug auf das Grundstück zu tragen (§§ 1041, 1045, 1047 BGB). Aufgrund der gesetzlichen Regelung muss der Nießbraucher nur für die gewöhnlichen Aufwendungen aufkommen. Außerordentliche Ausbesserungen und Erneuerungen (wie z.B. größere Instandhaltungen) müssen dagegen vom Eigentümer übernommen werden. Regelmäßig wird dies in der Praxis jedoch abweichend geregelt und dem Nießbraucher vertraglich auch die außergewöhnlichen Belastungen auferlegt.

In den meisten Fällen wird ein Vorbehaltsnießbrauch vereinbart. Hierbei wird bei der Übertragung des Grundstücks ein Nießbrauchsrecht für den bisherigen Eigentümer bestellt. Wird das Nutzungsrecht dagegen einem Dritten eingeräumt, handelt es sich um einen Zuwendungsnießbrauch. Die Unterscheidung ist für die steuerliche Beurteilung von entscheidender Bedeutung.

Mit dem Tod des Berechtigten fällt der Nießbrauch ersatzlos weg (§ 1061 BGB).

Ertragsteuerliche Grundlagen der Übertragung von Immobilien und Bestellung eines Nießbrauchs

Die ertragsteuerlichen Folgen des Nießbrauchs sind weitgehend geklärt („Nießbrauchserlass″, BMF vom 30. September 2013, BStBl. I S. 1184). Der Nießbraucher, der die Erträge vereinnahmt, versteuert diese als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Er kann im Falle des Vorbehaltsnießbrauchs auch weiterhin die Abschreibung steuerlich geltend machen, da er selbst die Anschaffungskosten der Immobilie getragen hat. Im Falle eines Zuwendungsnießbrauchs ist dagegen ein Abzug der Abschreibung nicht möglich ist. Denn der Nießbraucher hat die Anschaffungskosten nicht getragen und der Eigentümer erzielt selbst keine Einnahmen. Insoweit ist die Einräumung des Zuwendungsnießbrauchs steuerlich ungünstig.

Soweit der Nießbraucher aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtung die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Immobilie trägt, ist er zum Werbungskostenabzug berechtigt. Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, dass in der Nießbrauchsvereinbarung dem Nießbraucher auch die Verpflichtung zur Tragung der außerordentlichen Aufwendungen auferlegt wird, da er diese aufgrund der gesetzlichen Regelung nicht tragen müsste. Fehlt eine vertragliche Vereinbarung und werden sie dennoch vom Nießbraucher übernommen, stellt dies eine Schenkung an den Grundstückseigentümer dar. Weder der Eigentümer noch der Nießbraucher können die Kosten steuerlich geltend machen. Bei der vertraglichen Formulierung ist deshalb Vorsicht geboten.

Schenkungsteuerliche Grundlagen der Übertragung von Immobilien und Bestellung eines Nießbrauchs

Die Bestellung des Nießbrauchs für den Schenker stellt kein Entgelt für die Übertragung des Grundstücks dar. Vielmehr wird das Grundstück um den Wert der Belastung gemindert unentgeltlich auf den Beschenkten übertragen. Es wird also der Wert der Schenkung gemindert, was die Immobilienübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt steuerlich attraktiv macht.

Ziel einer Grundstücksübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist regelmäßig, die schenkungsteuerlichen Freibeträge frühzeitig zu nutzen. Da die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage aufgrund der Nießbrauchsbelastung gemindert wird, kann im Ergebnis ein höherer Wert des Vermögensstamms (innerhalb der persönlichen Freibeträge) schenkungsteuerfrei übertragen werden.

Falls der Schenker die Erträge nicht für seinen Lebensunterhalt benötigt, wird beim Übertragenden aufgrund des Nießbrauchs neues Vermögen aufgebaut werden, was zu einem späteren Zeitpunkt der Schenkung- oder Erbschaftsteuer unterliegen wird. Dies ist bei den Überlegungen zum Nießbrauch zu beachten.

Im Falle des Zuwendungsnießbrauchs erhält der Nießbraucher diesen im Rahmen einer Schenkung.

Endet der Nießbrauch mit dem Tod des Berechtigten oder zum Ende der vereinbarten Laufzeit, hat dies keine Auswirkungen bei der Schenkung- oder Erbschaftsteuer.

Welchen Wert hat der Nießbrauch?

Der Nießbrauch wird grundsätzlich mit dem Kapitalwert berücksichtigt (§§ 13 bis 16 BewG). Dieser ergibt sich aus dem durchschnittlichen Jahreswert multipliziert mit einem von der Dauer des Nießbrauchs abhängigen Vervielfältiger. Im Falle eines lebenslangen Nießbrauchs ist das Alter des Nießbrauchsberechtigten maßgebend (§ 14 BewG). Die Vervielfältiger werden jährlich auf der Grundlage der Sterbetafel von der Finanzverwaltung veröffentlicht (z.B. BMF vom 2. Dezember 2019, BStBl I S. 638). Je jünger der Nießbrauchsberechtigte ist, umso höher der Vervielfältiger und umso höher der Wert des Nießbrauchs. Der Jahreswert ergibt sich aus dem durchschnittlichen Jahresertrag, ermittelt aus den Einnahmen abzüglich der vom Nießbraucher zu tragenden Aufwendungen (ohne Abschreibung). Er ist begrenzt auf ein 1/18,6 des Grundstückswerts.

Beispiel: Es wird eine Immobilie mit einem Jahreswert von EUR 50.000 unter Vorbehalt des Nießbrauchs für den Schenker übertragen. Der nießbrauchsberechtigte Vater ist im Zeitpunkt der Schenkung 60 Jahre alt. Der Vervielfältiger beträgt 12,833 und der Kapitalwert des Nießbrauchs damit EUR 641.650. Um diesen Wert kann die Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer gemindert werden.

Grundsätzlich ist der Wert des Nießbrauchs von der tatsächlichen Dauer des Nießbrauchs unabhängig. Nur im Falle eines frühen Versterbens des Nießbrauchsberechtigten kann der Kapitalwert des Nießbrauchs im Einzelfall rückwirkend anzupassen sein.

Unter Umständen kann durch ein Immobilienwertgutachten, welches auch den Nießbrauch berücksichtigt, ein günstigeres Ergebnis erzielt werden. Denn diesbezüglich sind nicht die Regelungen des Bewertungsgesetzes maßgebend. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag zur Immobilienbewertung.

Nießbrauch zugunsten von Ehegatten (mehrere Nießbrauchsberechtigte)

Häufig ist es der Wunsch der Eltern, solange die Mieterträge zu vereinnahmen, bis der Letzte von ihnen verstirbt. Ist nur ein Ehegatte Eigentümer des Grundstücks, besteht meist der Wunsch, den anderen Ehegatten auch nach seinem Tod durch Zufluss der Mieteinnahmen abzusichern.

Das Nutzungsrecht des anderen Ehegatten kann auf unterschiedliche Weise ausgestaltet werden. Beispielsweise können sich die Ehegatten von Anfang an einen Gesamtnießbrauch vorbehalten oder der Nießbrauch des anderen Ehegatten tritt erst aufschiebend bedingt auf den Tod des Schenkers ein. Die Varianten haben unterschiedliche steuerliche Konsequenzen.

Beim Gesamtnießbrauch wird der Kapitalwert des Nießbrauchs mit dem höheren Vervielfältiger der beiden Ehegatten berechnet, was von Vorteil sein kann, wenn z.B. der nicht schenkende Ehegatte einen höheren Vervielfältiger hat als der Schenker, da sich dann ein höherer Nießbrauchswert als Abzugsposition ergibt. War nur ein Ehegatte Eigentümer der Immobilie, erhält der andere einen Zuwendungsnießbrauch. Der Zuwendungsnießbrauch unterliegt der Schenkungsteuer (diese kann auf Antrag mit dem Jahreswert versteuert werden, § 23 ErbStG). Ertragsteuerlich ist diese Variante nachteilig, da aufgrund des Zuwendungsnießbrauchs die hälftige Abschreibung nicht mehr geltend gemacht werden kann.

Im Fall der aufeinanderfolgenden Berechtigung der Ehegatten wird zunächst nur der Nießbrauch des Schenkers nach seinem Lebensalter bewertet. Der andere Ehegatte erhält einen schenkungsteuerrelevanten Zuwendungsnießbrauch erst (aufschiebend bedingt) im Zeitpunkt des Versterbens des ersten Ehegatten. Ertragsteuerlich ist diese Variante dem Gesamtnießbrauch vorzuziehen, da die Abschreibung für die Immobilie bis zum Versterben des ersten Ehegatten noch in vollem Umfang genutzt werden kann.

Für die Praxis ist in diesem Fall zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt des Todes des ersten Nießbrauchsberechtigten die ursprüngliche Schenkungsteuerveranlagung rückwirkend korrigiert und der Nießbrauch des zweiten Ehegatten berücksichtigt werden kann. Die Änderung ist jedoch nur auf Antrag möglich. Dieser ist zeitgebunden bis zum Ablauf des Folgejahres nach dem Versterben des ersten Ehegatten zu stellen (§ 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG). Da ein Nießbrauch durchaus sehr viele Jahre laufen kann, bis die Berechtigung des zweiten Ehegatten eintritt, ist entsprechende Vorsorge zu treffen, dass dies nicht in Vergessenheit gerät. Insbesondere sollten die Unterlagen zur Schenkung aufbewahrt werden.

Nießbrauch bei und wegen Fremdfinanzierung

Regelmäßig will der Schenker den Beschenkten nicht mit einer noch aus dem Grundstückserwerb resultierenden Darlehensschuld belasten und wird deshalb das Darlehen zurückbehalten. Allerdings fehlt ihm dann die nötige Liquidität, um den Schuldendienst zu leisten. Zudem könnte er die Schuldzinsen nicht mehr steuerlich geltend machen, da er mit dem Grundstück selbst keine Einkünfte mehr erzielt. Beide Nachteile können durch einen Nießbrauchsvorbehalt vermieden werden. Aufgrund des Nießbrauchs erzielt der Nießbraucher weiterhin die Erträge, die er zur Bedienung der Darlehensverpflichtungen verwenden kann und die ihn berechtigen, die Schuldzinsen weiterhin als Werbungskosten steuerlich geltend zu machen.

Ist die bestehende Fremdfinanzierung der einzige Grund für den Vorbehalt des Nießbrauchs, kann dieser auch zeitlich beschränkt auf die Laufzeit des Darlehens vereinbart werden.

Besonderheiten bei Fremdfinanzierung

Im Falle einer Fremdfinanzierung sollte sichergestellt werden, dass die Schulden im Falle des Versterbens des Schenkers auf den Grundstückseigentümer übergehen. Dies kann durch Übernahme der Schulden durch den Beschenkten bereits bei Übertragung des Grundstücks erfolgen. Da er jedoch im Falle des Vorbehaltsnießbrauchs die Mieterträge nicht vereinnahmt, sollte der Nießbraucher den Eigentümer im Innenverhältnis für die Dauer des Nießbrauchs von Darlehensbelastungen (Zins und Tilgung) freistellen. Dies hat jedoch den Nachteil, dass nach neuerer Rechtsprechung der Jahreswert zur Berechnung des Kapitalwerts des Nießbrauchs um die Zinsaufwendungen zu mindern ist, was den Kapitalwert des Nießbrauchs erheblich mindern kann (BFH vom 28. Mai 2019, BFH/NV 2020, 146).

Ob und wie der Übergang des Restdarlehens auf den Grundstückseigentümer durch andere Weise sichergestellt werden kann, hängt auch von der weiteren Situation der Familie und dem vorhandenen Vermögen ab und muss im Einzelfall beurteilt werden.

Verzicht/Ablösung

Unter Umständen ist zu einem späteren Zeitpunkt der Nießbrauch nicht mehr gewünscht, sei es, dass das Grundstück veräußert werden soll oder der Nießbraucher die Einkünfte nicht mehr benötigt. Verzichtet der Nießbraucher auf den Nießbrauch, stellt dies eine Schenkung in Höhe des Kapitalwerts des Nießbrauchs im Zeitpunkt des Verzichts dar. Im Fall eines vor 2009 begründeten Nießbrauchs bestehen Besonderheiten.

Nießbrauch bei vermögensverwaltenden Immobilienpersonengesellschaften

Befinden sich Immobilien in einer Gesellschaft stellt sich die Frage, ob der Nießbrauch am Grundstück (z.B. bei Einbringung des Grundstücks in die Gesellschaft) oder dem Gesellschaftsanteil bestellt wird. Für den Nießbrauch am Grundstück gelten die obigen Ausführungen. Der Nießbrauch am Gesellschaftsanteil ist dagegen deutlich komplexer. So muss dem Nießbraucher eine gesellschafterähnliche Position eingeräumt werden, damit ihm die Mieteinkünfte zugerechnet werden können. Zudem ist die Regelung zur Tragung insbesondere von außergewöhnlichen Aufwendungen komplexer als im Fall des Nießbrauchs am Grundstück.

Grunderwerbsteuer

Aus grunderwerbsteuerlicher Sicht wird der Nießbrauch – anders als für Zwecke der Einkommensteuer und der Schenkungsteuer – als Entgelt angesehen, so dass insoweit grundsätzlich die Grunderwerbsteuerbefreiung der unentgeltlichen Grundstücksübertragung des § 3 Nr. 2 GrEStG nicht zur Anwendung kommt. Da jedoch Grundstücksübertragungen in gerader Linie ebenfalls grunderwerbsteuerfrei sind (§ 3 Nr. 6 GrEStG), wird sich meist die Entgeltlichkeit des Nießbrauchs nicht nachteilig auswirken.

Ausblick zur Übertragung von Immobilien und Bestellung eines Nießbrauchs

Die Schenkung von Immobilien unter Nießbrauchsvorbehalt war bisher ein beliebtes Gestaltungsinstrument in der Vermögensnachfolge und wird dies auch in Zukunft blieben. Die Übergebergeneration kann so schon frühzeitig den Vermögensstamm auf die nachfolgende Generation übertragen und hierbei die persönlichen Freibeträge nutzen. Schenkungsteuerliche Vorteile ergeben sich zudem aus der Minderung der Schenkungsteuer durch Abzug der Nießbrauchsbelastung. Da für den Schenker im Hinblick auf seine Ertragssituation „Alles beim Alten″ bleibt, kann diese Art der Schenkung für ihn einen Charme haben.

Die Übersicht zur Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist der erste Beitrag unserer Serie zu Immobilien in der Nachfolge. Weitere Beiträge wie zur Immobilienbewertung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht folgen.

Tags: Immobilie Nachfolge Nießbrauch Übertragung