6. August 2020
Vorerbschaft Immobilie
Immobilien in der Nachfolge

Vorerbschaft und Testamentsvollstreckung bei Immobilien in der Nachfolge

Kontinuität gestalten durch maßvolle Bindung.

Immobilien haben einen hohen materiellen Wert als Renditeobjekte und als stabile Vermögenswerte. Nicht selten sind Immobilien auch ein Mittelpunkt des Familienlebens, sei es im Alltag oder in den Ferien. Sie verbinden die Familienmitglieder miteinander.

Beide Erwägungen führen häufig zu dem Wunsch, eine Immobilie für nachfolgende Generationen zu erhalten. Viele Menschen möchten ihr Immobilienvermögen vor einer (übereilten) Veräußerung schützen und zudem eine funktionierende Verwaltung sicherstellen.

Oftmals wird zu diesem Zweck das Instrument der Vor- und Nacherbschaft verwendet, in der Handhabung überwacht durch einen Testamentsvollstrecker.

Wo eine solche Gestaltung sinnvoll ist und um welche Fallstricke man dabei wissen sollte – diesen Fragen gehen wir in diesem Beitrag unserer Reihe „Immobilien in der Nachfolge″ nach.

Funktionsweise der Vor- und Nacherbschaft

Eine Vorerbschaft ist eine „Erbschaft auf Zeit″. Der Vorerbe hält den Nachlass so lange in seinen Händen, bis der „Nacherbfall″ eintritt. Das ist das Ereignis, bei dem der Nachlass an den Nacherben herauszugeben ist. Soweit nicht anders vom Erblasser angeordnet, tritt der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein.

Der Vorerbe fungiert insgesamt eher als eine Art Treuhänder des Nachlasses für den Nacherben. Er kann mit den ererbten Gegenständen nicht umgehen, wie er möchte. Vielmehr ist ein Vorerbe einem engmaschigen Regelwerk (in den §§ 2100 ff. BGB) unterworfen, das seine Verwaltungsbefugnisse und – pflichten über den Nachlass festlegt.

Der Vorerbe darf über den Nachlass nur begrenzt verfügen. Er darf den Nachlass nicht verschenken. Über eine Immobilie darf er grundsätzlich auch dann nicht verfügen, wenn ein Entgelt für die Immobilie gezahlt wird. Der Vorerbe ist bei der Vermögensanlage der Vorerbschaft beschränkt und ist dem Nacherben gegenüber auskunfts- und rechenschaftspflichtig. Was der Vorerbe als Gegenwert für einen Teil des Nachlasses erhält, wird wiederum Teil des Nachlasses (sogenannte dingliche Surrogation). Der Vorerbe haftet dem Nacherben für einen sorgfältigen Umgang mit der Vorerbschaft.

Nutzenverteilung

Und warum soll man sich das antun?″ Weil es sich auch für den Vorerben selbst lohnt. Ausschließlich fremdnützig ist die Vorerbschaft nämlich nicht. Der Vorerbe erhält die Nutzungen des Nachlasses zur freien Verwendung. Darunter fallen insbesondere die Erträge des Nachlassvermögens, zum Beispiel der Mietertrag einer Immobilie.

Der Nacherbe erhält die Substanz (also etwa die Immobilie selbst), und der Vorerbe bekommt die Erträge während der Dauer der Vorerbschaft.

Die Immobilie selbst wird nie ein eigenständiger Vermögenswert des Vorerben. Sie ist vor dem Zugriff von Gläubigern geschützt und fällt nicht in den Nachlass des Vorerben, wenn dieser verstirbt. Das macht die Vor- und Nacherbschaft gerade in Patchwork-Situationen attraktiv. Pflichtteilsansprüche an der Immobilie werden so vermieden. Die Situation ist der eines Nießbrauchers faktisch nicht unähnlich (rechtlich aber schon).

Lastentragung

Wer trägt denn die Kosten der Immobilie?″ Das kommt darauf an.

Weil der Vorerbe die Immobilie nutzen und ihre Erträge behalten darf, hat er die gewöhnlichen Erhaltungskosten der Immobilie zu tragen. Hierzu gehören etwa normale Verschleißreparaturen und Kosten, die regelmäßig anfallen (Versicherungsprämien, Grundsteuern, Treppenhausreinigung und dergleichen mehr).

Der Nacherbe (oder besser: die Nachlasssubstanz, die der Nacherbe später erhalten soll) trägt die außergewöhnlichen Erhaltungskosten der Immobilie. Hierzu zählen etwa die Kosten zur Erschließung eines Grundstücks, Sanierungsbeiträge, die Beseitigung einer Bodenkontamination, der Einbau einer neuen Heizanlage, die Instandsetzung des Daches, der Einbau neuer Fenster und ähnliche Maßnahmen, die die Verkehrsanschauung als nicht regelmäßig wiederkehrend, also „gewöhnlich″ ansieht.

Es bedarf keiner gesteigerten Fantasie, um sich vorzustellen, dass hier erhebliche Meinungsverschiedenheiten entstehen können.

Befreiungstatsbestände beachten

Und kann man da gar nichts machen?″ Doch, das kann man – zum Teil.

Der Erblasser kann den Vorerben von den engen Bindungen gegenüber dem Nacherben ein Stück weit befreien, indem er ihn zum „befreiten Vorerben″ einsetzt. Er kann seine Rechtsposition und Autonomie erheblich stärken. In welchem Umfang das möglich ist, regelt § 2136 BGB.

Durch Befreiungen werden dem Vorerben „die Zügel gelockert″. Der Vorerbe kann insbesondere dazu frei gestellt werden, den Nachlass für sich selbst zu verbrauchen. Er darf ihn allerdings nicht verschenken oder in der Absicht „verschleudern″, den Nacherben zu schädigen.

Im Hinblick auf Immobilien ist die wichtigste Befreiung die Möglichkeit zur Veräußerung von Immobilien gegen Entgelt. Der erzielte Erlös wird aber auch dann Teil des Nachlasses. Allerdings kann der befreite Vorerbe dann berechtigt sein, auch den Erlös aus dem Immobilienverkauf für sich zu verbrauchen.

Eine erheblich streitvermeidende Wirkung hat nicht selten die Befreiung von Auskunfts- und Rechenschaftspflichten des Vorerben gegenüber dem Nacherben.

Steuerlicher Fallstrick

Ah, dann ist ja alles in Ordnung.″ Ja, das stimmt. Aber:

Häufig vergessen wird die steuerliche Auswirkung der Vor- und Nacherbschaft. Denn dass der Nacherbe zivilrechtlich Erbe des ursprünglichen Erblassers wird (und nicht aber der Vorerbe), spiegelt das Erbschaftsteuerrecht nur bedingt (§ 6 Abs. 1-3, § 7 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 ErbStG).

Steuerlich spielt die wirtschaftliche Betrachtungsweise der Vorerbschaft eine größere Rolle. Es kommt steuerlich zu der Annahme zweier Erbfälle:

Einmal erbt der Vorerbe vom Erblasser, einmal erbt der Nacherbe vom Vorerben – sofern er nicht für eine Besteuerung im Verhältnis zum Erblasser optiert.

Die Freibeträge des Nacherben werden zusammen betrachtet. Der Nacherbe kann einen eigenständigen Freibetrag nach dem Vorerben nur nutzen, soweit er seinen Freibetrag nach dem ursprünglichen Erblasser nicht verbraucht (§ 6 Abs. 2 Satz 4 ErbStG).

Das bedeutet etwa: Setzt der Vater seine Ehefrau zur Vorerbin ein und die gemeinsame Tochter zur Nacherbin, kann die Tochter beim Tod der Mutter ihren Freibetrag (von derzeit EUR 400.000,00) für den eigenen Nachlass der Mutter nur soweit nutzen, wie sie weniger als EUR 400.000,00 aus der Nacherbschaft nach dem Vater erhalten hat.

Umsetzung durch Testamentsvollstreckung

Wer kümmert sich denn um das alles?″ Wenn man will: Ein Testamentsvollstrecker.

Vorerbschaften können eine erhebliche Dauer haben, sie können sogar ein ganzes Leben dauern. Es ist auch möglich (in Grenzen), einen Nacherben seinerseits wieder zum Vorerben einzusetzen. Wiederum bedarf es nicht vieler Fantasie, um sich vorzustellen, dass die Trennung zwischen der Vorerbschaft und dem eigenen Vermögen über so viele Jahre nicht jedem leichtfällt. Häufig „verflüchtigen″ sich Gegenstände aus der Vorerbschaft im Laufe der Jahre, und zwar auch dann, wenn der Erblasser es eigentlich anders angeordnet hat.

Zur Einhaltung der Bindungen des Vorerben kann ein Testamentsvollstrecker eingesetzt werden. Seine Befugnisse können sogar so weit reichen, dass er während der Vorerbschaft zugleich für den Nacherben tätig wird (sogenannte „Nacherbenvollstreckung″). Das kann praktisch sein, setzt aber ein hohes Maß an Vertrauen in den Testamentsvollstrecker voraus.

Im Hinblick auf Immobilien sieht man häufig die Verwaltung der Immobilie durch Personen als Testamentsvollstrecker, die beruflich mit diesen Fragen zu tun haben. Auch diese Maßnahme kann Konflikte zwischen Vor- und Nacherben erheblich reduzieren.

Absicherung im Grundbuch

Und: Geht das alles heimlich?″ Nein, das geht nicht.

Bei der Umtragung im Grundbuch ist sowohl die Nacherbschaft einzutragen (Nacherbenvermerk, § 51 GBO) als auch die Testamentsvollstreckung (Testamentsvollstreckervermerk, § 52 GBO). Beide Eintragungen nimmt das Grundbuchamt von Amts wegen vor.

Damit ist sichergestellt, dass eine Immobilie nicht ohne den Testamentsvollstrecker und/oder ohne das Zutun des Nacherben veräußert werden kann. Der Vorerbe ist in der Verfügungsgewalt gleich doppelt gehindert.

Unterm Strich

„Und jetzt: Soll ich’s wagen?″ Vielleicht – mit Augenmaß.

Die Vor- und Nacherbschaft ist ein Instrument, das seit jeher dazu gedacht und geeignet ist, Beständigkeit zu schaffen. Allerdings: Die Gemengelage aus Zeitablauf und potenziell gegenläufigen Interessen der Beteiligten macht sie anfällig für Konflikte und für tatsächliche Verhältnisse, die der Erblasser nicht hat erzielen wollen.

Wie immer im Erbrecht, wird der Schlüssel zum Erfolg in der richtigen Balance aus Bindung und Zutrauen liegen.

Die Übersicht zur Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist der erste Beitrag unserer Serie zu Immobilien in der Nachfolge. In weiteren Beiträgen befassen wir uns mit der Immobilienbewertung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, der Steuerbefreiung des Familienheims und der Strukturierung und Übertragung von Immobilienvermögen. Es folgten Beiträge zur Besteuerung des Familienpools mit Immobilien, zu Verschonungsregelungen für Wohnungsunternehmen sowie zur Grunderwerbsteuer bei Übertragungen im Rahmen der Vermögensnachfolge. Zuletzt sind wir auf Immobilien in der BetriebsaufspaltungImmobilienbewertung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht und Minderjährige in der Immobiliennachfolge eingegangen.

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