Konflikte im Joint Venture treten immer wieder auf. Verschiedene Mechanismen können jedoch helfen, Spannungen zu minimieren und einen sog. Deadlock zu überwinden.
In einem Joint Venture (JV) sind die JV-Partner (Gesellschafter der JV-Gesellschaft) häufig zu gleichen Teilen beteiligt, verfolgen jedoch trotz eines gemeinsamen unternehmerischen Ziels jedenfalls in Teilbereichen unterschiedliche Interessen. Dies bedeutet ein gewisses Maß an Konfliktpotential für die tägliche Zusammenarbeit. Früher oder später werden sich die JV-Partner in einer anstehenden Entscheidung nicht (sofort) einig werden. Es kommt zu einer Pattsituation und mitunter zum Stillstand im Entscheidungsprozess, dem sog. „Deadlock“. Damit dies nicht den Erfolg des JV beeinträchtigt, lohnt es sich, Deadlock-Szenarien schon bei der Errichtung des JV zu bedenken.
„Deadlock“: Pattsituationen im Joint Venture
Das operative Geschäft im JV bedarf im Regelfall einer Mehrheitsentscheidung. Sind die JV-Partner paritätisch am JV beteiligt und sich in einer anstehenden Entscheidung nicht einig, kommt es zum Entscheidungsstillstand. Keiner der JV-Partner kann die eigene Sichtweise gegenüber dem anderen durchsetzen. Dies bedeutet oftmals zugleich einen Stillstand auf operativer Ebene, da infolge des ruhenden Entscheidungsprozesses der JV-Partner die Geschäftsleitung des JV von den JV-Partnern entweder keine oder widersprüchliche Anweisungen erhält. Diesen „Deadlock“ gilt es möglichst schnell zu beheben, um wirtschaftliche Nachteile abzuwenden. Hält die Lähmung in operativer Hinsicht länger an, kann dies für das JV schnell existenzbedrohend werden.
Entscheidungslähmungen von vornherein vermeiden
Einen Deadlock aufzulösen, ist meist mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden. Oberstes Ziel der JV-Partner muss daher sein, einen Entscheidungsstillstand gar nicht erst entstehen zu lassen.
Eine Möglichkeit ist, einem JV-Partner ein Letztentscheidungsrecht (casting vote) einzuräumen. Das Letztentscheidungsrecht kann zum einen nach Sachgebieten zwischen den JV-Partnern aufgeteilt und dem jeweils sachkompetenteren Partner zugeordnet werden. Zum anderen kann das Letztentscheidungsrecht auch turnusmäßig zwischen den Partnern wechseln, bspw. nach Geschäftsjahren. Beide Varianten sind nicht frei von Risiken. So kommt es bei der Zuweisung von Sachgebieten an einen JV-Partner maßgeblich auf eine trennscharfe Bezeichnung der Zuständigkeiten an. Einige Entscheidungen werden sich nicht nur einem Sachgebiet zuordnen lassen. Denn bereits die Frage der Zuständigkeit kann neue Diskussionen hervorrufen, wenn jeder JV-Partner das Letztentscheidungsrecht für sich beansprucht. Auch die Sachgebiete im Voraus zwischen den JV-Partnern aufzuteilen, wird nicht immer einfach möglich sein. Bei einem turnusmäßigen Wechsel des Letztentscheidungsrechts könnte ein JV-Partner eine Entscheidung herauszögern oder beschleunigen, abhängig davon, wem das Letztentscheidungsrecht zusteht. Insgesamt entspricht ein Letztentscheidungsrecht zugunsten eines JV-Partners strukturell nicht dem Charakter eines JV, das auf Zusammenarbeit und gemeinsame Entscheidung beider Partner ausgerichtet ist. Ob im Ergebnis ein Letztentscheidungsrecht zugunsten eines JV-Partners einen Deadlock vermeiden kann, ist bei der Vertragsgestaltung abzuwägen.
Stehen konfliktträchtige Themen bereits vor Abschluss des JV-Vertrags fest, können Stimmbindungsabreden helfen, einen Deadlock zu vermeiden. Dafür verpflichten sich die JV-Partner, bei bestimmten im Voraus festgelegten Beschlussgegenständen ihr Stimmrecht in bestimmter Weise auszuüben, bspw. wenn Themen im Businessplan des JV bereits festgelegt sind. Dies hat den Vorteil, dass eine Einigung möglicherweise leichter gefunden wird, da die konkrete Entscheidung bei Abschluss der abstrakten Stimmbindungsabrede noch nicht ansteht. Zudem bietet die Stimmbindungsabrede eine gewisse Planungssicherheit. Nachteil ist, dass eine Bindung für die Zukunft bereits zu Beginn der Zusammenarbeit entsteht, ohne die künftigen maßgeblichen Fakten zu kennen. Dadurch büßen die JV-Partner Flexibilität ein. Schwierig ist insbesondere, die künftigen Beschlussgegenstände hinreichend konkret im Vertragstext zu formulieren. Im Rahmen der Verhandlungen zur Errichtung des JV, wenn beide JV-Partner voller Elan in die Zukunft blicken, kann eine Stimmbindungsabrede die positive Stimmung trüben, wenn beide Parteien versuchen das Worst-Case-Szenario abzubilden. Die Praxis zeigt, dass in manchen Fällen ein Vertagen bis zur eigentlichen Entscheidung der einfachere Weg sein kann. Zudem bleiben Stimmbindungsabreden für unvorhersehbare Themen von vornherein unmöglich (z.B. Maßnahmen infolge des Ukraine-Kriegs oder der Coronapandemie).
Interne und externe Streitschlichtungsmechanismen – Das Maß aller Dinge?
Manche Streitfrage lässt sich rasch auflösen, wenn ein Dritter hinzugezogen wird und vermittelt. Um nicht bei einer kleinen Unstimmigkeit der JV-Partner bereits ein mitunter zeit- und kostenintensives Schlichtungsverfahren auszulösen, sollten kaskadenartige Streitschlichtungsmechanismen auf verschiedenen Eskalationsstufen implementiert werden. Dafür empfiehlt es sich, in der Gesellschaftervereinbarung zunächst einen Deadlock zu definieren und mit einem zu überschreitenden Schwellenwert (abhängig von Branche und Unternehmensgröße, z.B. Maßnahmen, die über einen gewissen Eurobetrag hinausgehen) zu belegen. Die JV-Partner bringen dadurch zum Ausdruck, dass sie der Entscheidung ein gewisses Gewicht beimessen und die Einschaltung eines Dritten gerechtfertigt ist.
So kann als erste Eskalationsstufe eine Verlagerung auf eine höhere Instanz helfen. In Betracht kommt dafür ein eigens eingerichtetes fakultatives Gesellschaftsorgan in der JV-Gesellschaft (z.B. Aufsichtsrat oder Beirat) – oder auch Führungskräfte der Muttergesellschaften der JV-Partner. In letzterem Fall erhöht sich der Druck auf Ebene der JV-Partner, sich zu einigen, um nicht die sogenannte „Elefantenrunde“ ohne Not behelligen zu müssen.
Kann ein Konflikt nicht JV-intern gelöst werden, kommt auf der nächsten Stufe eine externe Streitschlichtung in Form von Mediation oder Schiedsgerichtsverfahren in Betracht. In beiden Fällen werden neutrale dritte Personen hinzugezogen, die mit dem JV in keiner Verbindung stehen. Bei der Mediation als außergerichtlich strukturiertem Verfahren versucht der Mediator gemeinsam mit den JV-Partnern eine Einigung zu erarbeiten. Dagegen hat das Schiedsgericht die Aufgabe, eine unternehmerische Opportunitätsentscheidung zu treffen, den Konflikt zu lösen und so die Handlungsfähigkeit des JV wieder herzustellen. Sowohl bei der Mediation als auch im Schiedsverfahren ist zu bedenken, dass Personen zur Entscheidungsfindung hinzugezogen oder mit dieser betraut werden, die nicht im operativen Geschäft des JV mitwirken – dies ist Vorteil und Nachteil zugleich.
Vor jeder Streitschlichtungsmaßnahme wird sich jeder JV-Partner genau überlegen, ob sich der zeitliche Aufwand und die Kosten hierfür lohnen. Als anderer Ausweg und zugleich Ultima Ratio kommt sonst meist nur noch der Exit in Betracht.
Keine Regelung ist keine Lösung
Die Praxis zeigt: Gute Vorbereitung ist das A und O. In jedem Fall sollten die JV-Partner schon bei der Errichtung des JV Regelungen zur Streitschlichtung auf verschiedenen Eskalationsstufen vorsehen. Ein in sich stimmiges und vollständiges Regelungswerk für die Streitschlichtung zu formulieren, ist eine hohe Kunst. Wichtig ist dabei, dass es keine Möglichkeit zur Manipulation durch einen JV-Partner gibt. Die Regelungen müssen so ausgestaltet sein, dass das Schlichtungsverfahren stets fortläuft und es zu einem Abschluss mit bindender Entscheidung kommt. Es dürfen keine Lücken im geregelten Verfahren verbleiben, die eine Seite zur Blockade nutzen oder zeitlich aussitzen kann. Ist ein Konflikt erst einmal existent, erscheint es kaum möglich, dass sich die JV-Partner zunächst über den Modus der Streitschlichtung einigen werden. Ein gut durchdachtes Regelungswerk zur Streitschlichtung mit unterschiedlichen Lösungsansätzen hilft, für den Ernstfall gewappnet zu sein. Darauf zu vertrauen, dass die JV-Partner im Konfliktfall eigenständig zu einer Lösung kommen werden, greift zu kurz und spiegelt kaum die Realität wider. Daher gilt auch hier: Vorsicht ist besser als Nachsicht. Oft können die JV-Partner nach Auflösung des Deadlocks wieder in eine erfolgreiche Zukunft blicken.
Letzter Ausweg: Exit aus dem Joint Venture
Bleibt ein Deadlock trotz aller Bemühungen der JV-Partner bestehen und kann auch mit den aufgezeigten Streitschlichtungsmechanismen nicht aufgelöst werden, kommt als letzte Eskalationsstufe nur noch die Beendigung des JV in Betracht. Das Vertrauensverhältnis zwischen den JV-Partnern ist in diesem Fall so stark beschädigt, dass eine fruchtbringende Zusammenarbeit nicht mehr möglich erscheint.
Dem Auftakt zu unserer Serie „Joint Ventures“ folgten die Beiträge zur Geschäftsleitung, zur initialen Ausstattung eines Joint Ventures, zu Finanzierungsstrategien und zu asymmetrischen Joint Ventures.