Bei asymmetrischen Joint Ventures ist die Ausgestaltung der Corporate Governance und der Joint Venture-Vereinbarung besonders delikat.
Vorkaufs- und Vorerwerbsrechte? Für den „kleinen“ Partner u.U. uninteressant, da viel zu teuer. Vetorechte in der Gesellschafterversammlung? Lähmen das Geschäft, sagt der „große“ Partner. Wie kommt es zu solchen „ungleichen“ Partnerschaften, in denen ein Joint-Venture-Partner das Bedürfnis hat, sich gegen den anderen Joint-Venture-Partner abzusichern?
Es gibt verschiedenste Konstellationen, in denen eine gleichmäßige Beteiligung am Joint Venture nicht gewollt oder nicht möglich ist, bspw. folgende:
- Ein Joint-Venture-Partner ist noch in der Start-up-Phase, hat maßgebliches Knowhow entwickelt und sucht nach einem etablierten strategischen Partner für die Weiterentwicklung eines Produkts in einem bestimmten Teilbereich und bietet diesem die Mehrheit am Joint Venture.
- Ein Joint-Venture-Partner, der strukturell gleich stark wäre, beteiligt sich aus rein operativen Gründen nur mit einem Minderheitsanteil an dem Joint Venture.
- Die Joint-Venture-Partner streben eine bestimmte bilanzielle Behandlung des Joint Ventures an. Hierfür ist entscheidend, welcher Joint-Venture-Partner im rechtlichen Sinne Kontrolle über das Joint Venture ausübt.
- Ein ausländischer Investor* ist aufgrund von Investitionsgesetzen an Mindest- bzw. Höchstbeteiligungsquoten gebunden.
- Im Rahmen von Kapitalerhöhungen will ein Joint-Venture-Partner nicht weiter investieren und es kommt zu einer Verwässerung.
Schon aus diesen Beispielen ist ersichtlich, dass die Verhandlungsmacht der Joint-Venture-Partner mit Blick auf etwaige Minderheitenrechte sehr unterschiedlich sein kann. Auch ist zu unterscheiden, ob es um vertragliche Absicherung für eine potentiell künftig eintretende oder eine von Anfang an zumindest absehbare Minderheitenstellung geht.
Bei einem Joint Venture werden klassische Minderheitenrechte verhandelt
In nahezu allen Konstellationen, selbst bei paritätischer Beteiligung zu Beginn, werden in Joint-Venture-Vereinbarung und Gesellschaftsvertrag klassische Minderheitenrechte verhandelt. So sollten z.B. Reportinganforderungen und sonstige Informationsrechte konkret und ausdrücklich geregelt werden (i.d.R. in der Joint-Venture-Vereinbarung oder einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung, die zumindest in diesem Punkt nur mit Zustimmung des Minderheitsgesellschafters geändert werden darf), um Auskunftsrechte nicht allein auf gesetzliche Regelungen stützen zu müssen.
Ein weiterer Kernpunkt ist die Frage, mit welchen Mehrheiten in der Gesellschafterversammlung Entscheidungen getroffen werden und ob dem Minderheitsgesellschafter in bestimmten Angelegenheiten ein Vetorecht zugestanden wird. Hier zeigt sich nun die Verhandlungsmacht der Joint-Venture-Partner: Bringt ein Joint-Venture-Partner z.B. Knowhow ein, ohne das es das Joint Venture nicht geben würde, hat er gute Chancen, trotz geringerer Kapitalbeteiligung weitgehende Mitspracherechte zu verhandeln. Ist dagegen der etablierte strategische Joint-Venture-Partner, der die Mehrheitsbeteiligung innehat, für die schnelle Skalierung und den zügigen Markteintritt des Produkts unverzichtbar, sieht es schon wieder anders aus. Ein strukturell gleich starker Joint-Venture-Partner, der sich aus operativen Gründen nur eine Minderheitsbeteiligung sichert, wird ggf. konzernseitig Vorgaben haben, welche Rechte er mindestens haben muss.
Spannend ist ein Vetorecht besonders in den Fällen, in denen das Gesetz eine Dreiviertelmehrheit vorsieht, der Minderheitsgesellschafter aber weniger als 25 % hält, also bei Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen, Umwandlungsmaßnahmen, Gewinnverwendungsbeschlüssen etc.
Ein Minderheitsgesellschafter kann Einfluss auf verschiedenen Ebenen haben
Insbesondere auf Geschäftsführungsmaßnahmen hat ein Minderheitsgesellschafter auf Ebene der Gesellschafterversammlung typischerweise nur in Ausnahmefällen Einfluss. Dafür kann er ggf. Entsenderechte mit Blick auf die Geschäftsführung aushandeln, sodass er zumindest teilweise bestimmen kann, wer die Geschäfte des Joint Ventures leitet.
Besonderes Augenmerk sollte, insbesondere bei Joint Ventures in der Rechtsform der GmbH, darauf gelegt werden, ob Weisungen an die Geschäftsführung uneingeschränkt mit den gesetzlichen Mehrheiten möglich sind oder hier ggf. Mitspracherechte für den Minderheitsgesellschafter opportun sind, um das Entsenderecht nicht zu konterkarieren. Falls es im Joint Venture einen Aufsichtsrat oder Beirat gibt, kommen auch hier Entsenderechte in Betracht. Gerade wenn ein Aufsichtsgremium dazu dienen soll, die Gesellschafterversammlung zu entlasten, ist der Einfluss, den man über Entsandte auf das Joint Venture ausüben kann, nicht zu unterschätzen.
Neue Wege im Fall eines Deadlocks
Je klarer der Zukunftsplan der Joint-Venture-Partner für das gemeinsame Joint Venture ist, desto besser kann man Vorsorge für Konflikte treffen. So kann man sich etwa bereits bei Gründung darauf einigen, wie auf typischerweise vorhersehbare Abweichungen vom gemeinsam erarbeiteten Geschäftsplan reagiert werden soll.
Hat das Joint Venture Expansionspläne, können diese zumindest in Meilensteinen skizziert werden und kann die finanzielle Ausstattung entsprechend verbindlich geregelt werden. Ist beabsichtigt, nach einer Anlaufphase Zukäufe zu tätigen, kann man Rahmenbedingungen dafür festschreiben, bei deren Erfüllung der Minderheitsgesellschafter ein allgemein bestehendes Vetorecht nicht ausüben darf.
Ansonsten gilt: Konflikte muss man auch mal aushalten. In asymmetrischen Joint Ventures wird das besonders deutlich, wenn es um Deadlock-Regelungen geht, also darum, welche Konsequenzen ein Patt in der Gesellschafterversammlung langfristig hat. Meistens ist der Joint-Venture-Partner mit der geringeren Beteiligung im Rahmen solcher Deadlock-Regelungen strukturell im Nachteil. Denn den Mehrheitsgesellschafter im Rahmen eines Texas Shoot-out (beide geben ein Kaufangebot für die Anteile des anderen ab, das verhältnismäßig höhere gewinnt) zu überbieten, ist schwer – so viel Liquidität muss ein Minderheitsgesellschafter erst einmal haben und es dann auch noch für das Joint Venture einsetzen wollen.
Vor diesem Hintergrund ist gerade bei asymmetrischen Joint Ventures intensiv zu diskutieren, welche Angelegenheiten so entscheidend sind, dass eine Uneinigkeit darüber tatsächlich dazu führen können soll, dass ein Joint-Venture-Partner den anderen zwingen kann, seine Beteiligung am Joint Venture zu verkaufen. Häufig wird auf dieser Liste die Besetzung der Geschäftsführung ebenso zu finden sein wie Entscheidungen über die ganz grundsätzliche strategische Ausrichtung des Joint Ventures bei mangelndem wirtschaftlichen Erfolg des bisherigen Konzepts. Um Streit zu vermeiden, sollten die Parteien objektiv nachprüfbare Kriterien und Kennzahlen finden, die für das Vorliegen eines Deadlocks mit Exit-Folge maßgeblich sein sollen.
In allen anderen Fällen gilt: miteinander reden und sich entweder auf eine Richtung einigen, in die man gemeinsam weitergehen kann, oder sich einvernehmlich trennen.
Klotz am Bein – Mitverkaufsrechte und -pflichten
Bei Überlegungen zum Verkauf des Joint Ventures wird die Minderheitsbeteiligung zum Klotz am Bein des Mehrheitsgesellschafters, wenn es um Mitverkaufsrechte (englisch: „Tag Along“) geht. Umgekehrt wird insbesondere bei deutlich asymmetrischen Joint Ventures der Mehrheitsgesellschafter darauf bestehen, die Minderheitsbeteiligung mitverkaufen zu dürfen (Mitverkaufspflicht des Minderheitsgesellschafters, englisch „Drag Along“), um am Markt 100 % des Joint Ventures platzieren zu können. Der Minderheitsgesellschafter wird je nach Motivation für das Joint Venture eine Mindestlaufzeit der Joint-Venture-Partnerschaft fordern oder eine Mindestrendite auf das eingesetzte Kapital bzw. einen Mindestverkaufspreis, unter dem die Mitverkaufspflicht nicht greift. Gerade in Bereichen, in denen großer Wettbewerb herrscht, hat ein Joint-Venture-Partner, der vor allem Knowhow eingebracht hat, Interesse daran, bestimmte Erwerber vom Joint Venture fernzuhalten. Auch solche Einschränkungen lassen sich je nach Verhandlungsmacht besser oder schlechter durchsetzen.
Um Absicherung geht es auch bei Kaufoptionen für einen Joint-Venture-Partner, wenn der andere Joint-Venture-Partner an neue Eigentümer geht (Change of Control). Bei einem solchen Wechsel kann sich durchaus die gesamte Geschäftspolitik ändern, was im Wege des Stimmverhaltens in der Gesellschafterversammlung des Joint Ventures auch unmittelbar Einfluss auf das Joint Venture haben kann. Die bei Joint Ventures vor diesem Hintergrund durchaus übliche Regelung, dass bei einem Wechsel der indirekten Gesellschafter eines Joint-Venture-Partners Kaufoptionen des anderen Joint-Venture-Partners bestehen, ist nicht für alle Parteien gleich akzeptabel. So wird ein Minderheitsgesellschafter mit Start-up-Charakter, der im Rahmen von anstehenden Finanzierungsrunden neue Gesellschafter als Investoren aufnehmen wird, sich mit einer solchen Regelung schwertun oder zumindest Ausnahmen fordern. Möglicherweise ist die Beteiligung am Joint Venture gerade ein besonders werthaltiges Asset für diesen Joint-Venture-Partner, das für den Erfolg einer Finanzierungsrunde essentiell ist.
Für einen Konzern, bei dem ein solcher Change of Control unwahrscheinlicher ist, weil nicht mehr regelmäßig in Finanzierungsrunden Geld gegen Anteile eingeworben wird, wird eine Kaufoption des Joint-Venture-Partners eher akzeptabel sein, zumal sich auch hier wieder die Frage stellt, ob bei dem kleineren Joint-Venture-Partner überhaupt die nötige Liquidität für die Ausübung der Kaufoption vorhanden ist.
Interessengerechte Regelungen sind bei Asymmetrie besonders wichtig
Von den Gründungsbeiträgen bis zu den Exit-Regelungen: Immer ist bei asymmetrischen Joint Ventures konkret zu prüfen, ob die Regelungen in Joint-Venture-Vereinbarung und Gesellschaftsvertrag für beide Seiten interessengerecht sind. Bei asymmetrischen Joint Ventures wird besonders deutlich, weshalb es sich lohnt, spezialisierte Berater zu engagieren, die bei den Verhandlungen unterstützen. Vorausschauend zu strukturieren und abzuschätzen, ob eine rechtlich zulässige Regelung auch praktikabel ist, erfordert Erfahrung und Kreativität. Eine funktionierende Corporate Governance ist die Basis für den Erfolg eines Joint Ventures, insbesondere wenn die Joint-Venture-Partner unterschiedliche Beiträge leisten.
Dem Auftakt zu unserer Serie „Joint Ventures“ folgten der Beitrag zur Geschäftsleitung sowie der Beitrag zur initialen Ausstattung eines Joint Ventures und zu Finanzierungsstrategien.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.