Der Trend zum Joint Venture in der Immobilienbranche lässt sich nicht mehr übersehen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Beweggründe und rechtlichen Rahmenbedingungen.
Akteure in der Immobilienbranche stehen mehr denn je vor einer Reihe von Herausforderungen, die ihre Fähigkeit, wirtschaftlich erfolgreich zu sein, beeinflussen können. In einer sich ständig verändernden Branche müssen sie sich auf aktuelle Themen konzentrieren und innovativ denken, um den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Gleichzeitig nehmen die gesetzlichen Vorgaben für und Anforderungen an Immobilien und ihre Entwicklung stetig zu.
Zentralen Themen der Immobilienbranche sind Nachhaltigkeit von Immobilien und ein sich stark wandelndes Marktumfeld
Die Immobilienbranche trägt erheblich zur Umweltbelastung bei, und immer mehr Investoren*, Regulierungsbehörden und Käufer verlangen nach umweltfreundlichen Lösungen. Immobilienentwickler müssen sich z.B. mit nachhaltigen Baumaterialien, energieeffizienten Designs und grünen Initiativen auseinandersetzen. Nicht zuletzt um bestehende ökologische Anforderungen zu erfüllen und den Bedarf und die Nachfrage nach umweltbewussten Immobilien zu decken, gilt es, innovative Lösungen für Immobilien (wie z.B. intelligente Gebäude, grüne Infrastrukturen und digitale Lösungen) zu finden.
Daneben sind Immobilienentwickler mit einem sich stark wandelnden Marktumfeld konfrontiert. Die zunehmende Urbanisierung, veränderte Demografie und sich ändernde Arbeitsmodelle haben Auswirkungen auf die Nachfrage nach Immobilien. Eine steigende Anzahl von Menschen zieht in Städte, was zu einer erhöhten Nachfrage nach Wohnraum und Infrastruktur führt. Gleichzeitig erfordert der Trend zu flexiblen Arbeitsmodellen Anpassungen im Büroimmobilienmarkt. Die Energiekrise hält weiter an. Die steigenden Energiekosten, Engpässe in der Energieversorgung und die Notwendigkeit, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, beeinflussen die Planung und Umsetzung von Immobilienprojekten. Immobilienentwickler müssen daher nachhaltige und energieeffiziente Lösungen in Betracht ziehen, um den Energiebedarf der Gebäude zu minimieren. Auch haben Lieferengpässe aktuell einen erheblichen Einfluss auf die Immobilienbranche. Die globale Pandemie, geopolitische Unsicherheiten und logistische Herausforderungen haben zu Materialknappheit und verzögerten Lieferungen geführt. Nicht zuletzt stellt die Finanzierung von Immobilienprojekten eine große Herausforderung dar. Die Beschaffung von Kapital für Immobilienprojekte kann komplex sein, insbesondere angesichts stark gestiegener Bauzinsen, strengerer Regulierungen und wirtschaftlicher Unsicherheiten.
Immobilienentwickler müssen zusammengefasst also mindestens nachhaltig, energieeffizient und kreativ planen und bauen, auf dem neuesten Stand der Technologie, Architektur und Design-Trends bleiben, sich den städtebaulichen und infrastrukturellen Anforderungen stellen, logistische Herausforderungen bewältigen und die Projektfinanzierung unter ungünstigen Zinsbedingungen stemmen. Eine Mammutaufgabe, der sie sich ausgesetzt sehen.
Aber dieser Mammutaufgabe muss sich niemand alleine stellen, „team up“ ist das Motto! Durch die Zusammenarbeit mit einem Partner können Akteure in der Immobilienbranche ihre Chancen auf dem Markt verbessern und gleichzeitig potenzielle Risiken reduzieren. Joint Ventures bieten eine attraktive Möglichkeit für sie, Risiken zu teilen und Synergien zu nutzen. Allerdings legen nur eine sorgfältige Planung und vertragliche Ausgestaltung den Grundstein für ein erfolgreiches Joint Venture.
Der Begriff des Joint Ventures – Equity Joint Venture vs. Contractual Joint Venture
Der Begriff des Joint Ventures beschreibt zunächst ganz allgemein eine Kooperationsform mehrerer, voneinander rechtlich und wirtschaftlich unabhängiger Partner in Bezug auf eine gemeinsame Unternehmung. In der immobilienrechtlichen Praxis entstehen Joint Ventures zu ganz verschiedenen Zwecken und eben überall dort, wo sich z.B. Idee, Spezialexpertise, Erfahrungen, Kontakte und finanzielle Ressourcen gut miteinander kombinieren lassen.
Joint Ventures lassen sich grundsätzlich in gesellschaftsrechtliche Joint Ventures (sog. Equity Joint Venture) und vertragliche Joint Ventures (sog. Contractual Joint Venture) einteilen, wobei Equity Joint Ventures in der Praxis die häufigere Kooperationsform darstellen.
Bei einem Equity Joint Venture erfolgt die Kooperation im Wege der Gründung einer rechtlich selbstständigen Gesellschaft (Gemeinschaftsunternehmen). Equity Joint Ventures sind eher dort anzutreffen, wo die Zusammenarbeit der Joint Venture Partner auf einen längeren Zeitraum angelegt und ein gemeinsamer Marktauftritt – durch das Gemeinschaftsunternehmen – angestrebt wird. Erfolgt die Kooperation hingegen durch eine rein schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Joint Venture Partnern, spricht man von einem vertraglichen Joint Venture. Diese zeichnen sich durch eine eher lockere Verbundenheit der Joint Venture Partner aus, die eine ggf. auch nur zeitlich begrenzte Kooperation ohne gemeinsamen Außenauftritt durch ein Gemeinschaftsunternehmen anstreben.
Der Joint Venture Vertrag: Herzstück der Kooperation
Jede Form eines Joint Ventures wird maßgeblich durch den Joint Venture Vertrag bestimmt, der grundsätzlich formfrei geschlossen werden kann. Allerdings führen in der immobilienrechtlichen Praxis oft einzelne vertragliche Regelungen oder ein Beurkundungszusammenhang zur Beurkundungsbedürftigkeit des Joint Venture Vertrags. Insbesondere, wenn die Joint Venture Partner sich vertraglich dazu verpflichten, eine Immobilie zu erwerben oder einzubringen, bedarf der Joint Venture Vertrag der notariellen Beurkundung.
Es ist kaum möglich, allgemeingültige Inhalte festzulegen, die jeder Joint Venture Vertrag beinhalten muss. In der Regel finden sich allerdings nachfolgende allgemeine Inhalte in (immobilienrechtlichen) Joint Venture Verträgen:
- Gegenstand und Ziele des Joint Ventures
- Ausstattung des Joint Ventures und Beiträge der Partner
- Regelung der Corporate Governance (zu installierende Organe, deren Besetzung und deren Willensbildung bzw. Mehrheiten, Veto-Rechte und Zustimmungserfordernisse)
- Vorerwerbs- und Mitveräußerungsrechte bzw. Optionsrechte
- Regelungen zur Ergebnisverwendung
- Streitbeilegungsmechanismen
- ggf. Wettbewerbs- und Abwerbeverbote für die Joint Venture Partner (bei Strategen, nicht aber bei reinen Investoren üblich)
- Rechte- und Vertraulichkeitsklauseln
- Exit-Regelungen (in der immobilienrechtlichen Praxis bspw. nach Ablauf von steuerlichen Behaltensfristen oder bei Abschluss einer gemeinsamen Projektentwicklung)
Equity Joint Venture: Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens
Bei Equity Joint Ventures bedarf es neben dem Abschluss des Joint Venture Vertrages der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens durch Abschluss eines Gesellschaftsvertrags. Die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags hängt dabei maßgeblich von der gewählten Rechtsform für das Gemeinschaftsunternehmen ab. In der immobilienrechtlichen Praxis bedeutsam sind insbesondere Joint Ventures in der Rechtsform einer GmbH oder einer GmbH & Co. KG, da bei diesen Rechtsformen eine Außenhaftung der Joint Venture Partner gegenüber Dritten vermieden werden kann.
GmbHs bieten den Joint Venture Partnern weitestgehend Gestaltungsflexibilität. Da die Satzung einer GmbH allerdings im Handelsregister veröffentlicht werden muss, wird diese nur das Mindestmaß an erforderlichen Informationen enthalten. Die Joint Venture Partner werden daher regelmäßig vereinbaren, dass die Regelungen im nicht zu veröffentlichenden Joint Venture Vertrag den Regelungen im Gesellschaftsvertrag vorgehen.
Personengesellschaften, insbesondere in Form von GmbH & Co. KGs, bieten hingegen oft steuerliche Vorteile für die Joint Venture Partner und erlauben ebenfalls eine flexible Gestaltung des Gesellschaftsvertrags, der nicht beim Handelsregister hinterlegt werden muss. Gesellschaftsrechtliche Joint Ventures in der Rechtsform einer Außen-GbR spielen in der immobilienrechtlichen Praxis dagegen keine Rolle, da sie sich zum einen nicht zum Betrieb eines Handelsgewerbes eignen und zum anderen das Gesellschaftervermögen nicht vor dem Zugriff Dritter geschützt ist.
Der Gesellschaftsvertrag wird in der Praxis unabhängig von der gewählten Rechtsform oft durch weitere Vertragstexte flankiert, wie einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung oder weitere Neben- und Durchführungsverträge.
Ein Joint Venture in der Immobilienbranche zu bilden bedeutet, sich den Herausforderungen zu stellen und gemeinsam stark zu agieren
Angesichts der aktuellen Herausforderungen ist es in der Immobilienbranche wichtiger denn je, über den Tellerrand zu schauen und gemeinsam neue Wege zu gehen. Joint Ventures bieten ein enormes Potenzial, Chancen einzelner Akteure erst zu ermöglichen und Risiken gleichzeitig auf mehrere Schultern zu verteilen – vorausgesetzt jedenfalls, sie sind inhaltlich passgenau auf das beabsichtigte Vorhaben zugeschnitten. Der vertraglichen Gestaltung von Joint Ventures kommt also eine wesentliche Bedeutung zu, die frühzeitig angegangen werden sollte. Bei richtiger Gestaltung sind die Joint Venture Partner ihrer Konkurrenz oft den entscheidenden Schritt voraus.
Dem Auftakt zu unserer Serie „Joint Ventures“ folgten die Beiträge zur Geschäftsleitung, zur initialen Ausstattung eines Joint Ventures, zu Finanzierungsstrategien und zu asymmetrischen Joint Ventures. Anschließend kamen Beiträge zum Deadlock im Joint Venture, zu Pattsituationen und zur Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen. Zuletzt wurden Beiträge zu Ausgestaltungsmöglichkeiten für F&E-Partnerschaften, zu Joint Ventures im Infrastrukturbereich und zu E-Mobility Joint Ventures veröffentlicht.
* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.