Gemeinsame Forschung und Entwicklung birgt zahlreiche Möglichkeiten, Innovationen zu fördern und im Wettbewerb zu bestehen, wobei die Ausgestaltungsmöglichkeiten vielfältig sind.
Unternehmen sehen sich vermehrt in Zugzwang, ihre Produktpipelines zu füllen, um in einem immer schnelllebigeren Umfeld technologisch mithalten zu können. Innovationen sind hier unerlässlich. Im medizinischen Bereich können neue Entwicklungen und Erkenntnisse dazu beitragen, zukünftig Menschen vor heute unheilbaren Krankheiten zu retten.
Bei jeglicher Innovation geht es im Kern stets darum, wirtschaftlich verwertbare Ergebnisse zu erzielen und so die Entwicklung des eigenen Unternehmens zu fördern. Dazu bietet es sich nicht nur innerhalb des Unternehmens an, Ressourcen und Know-how zu bündeln, sondern darüber hinaus mit anderen Marktteilnehmern zu kooperieren und gemeinsam zu forschen und zu entwickeln. Die konkreten Anreize für eine solche Forschungs- und Entwicklungspartnerschaft (im Folgenden „F&E-Partnerschaft“, wobei „F&E“ alleinstehend im Folgenden für „Forschung & Entwicklung“ steht) können unterschiedlich sein: Eine F&E-Partnerschaft kann im Markt bspw. strategisch sinnvoll sein, um der Konkurrenz voraus zu sein. Eine entsprechende Kooperation kann aber auch geboten sein, um öffentliche Forschungsgelder oder sonstige öffentliche Förderungen zu erhalten – denn i.d.R. werden solche F&E-Vorhaben öffentlich gefördert, an denen mehrere Partner bzw. Universitäten beteiligt sind.
Chancen und Risiken: Wann sich eine F&E-Partnerschaft lohnen kann
Die Durchführung einer vorherigen Chancen-Risiken-Analyse hilft bei der Frage, wann eine F&E-Partnerschaft für ein Unternehmen sinnvoll sein könnte. Im Allgemeinen sind solche Vorhaben am attraktivsten, die einen hohen strategischen Nutzen versprechen und nur mit einem geringen Risiko einhergehen, bspw. weil bereits ein für das zu entwickelnde Produkt nutzbarer Vertriebskanal aufgebaut ist und die Weiterentwicklungskosten aufgrund vorhandenen Know-hows gering sind. Unternehmen können sich an folgenden Kriterien für die Prognose von Chancen und Risiken einer F&E-Partnerschaft orientieren:
- die prognostizierten Umsätze mit dem zukünftigen Produkt oder Ergebnis
- die Einsparung von Kosten durch die Zusammenarbeit
- die mit dem zukünftigen Produkt oder Ergebnis erzielbaren Preise
- die Produktionskosten, Vertriebskosten, Marketingkosten etc.
- ob eine Basis an Know-how und Vertriebswegen bereits vorhanden ist
- die prognostizierten Kosten der Forschung und Entwicklung
- der prognostizierte Zeitbedarf, wobei stets auch mögliche Parallelentwicklungen der Konkurrenz, insbesondere in Technologiefeldern, die sich schnell entwickeln, im Auge zu behalten sind
- der strategische Nutzen (s.o., lieber kooperieren als konkurrieren)
- das Verlustrisiko, wobei z.B. zu beachten ist, ob/welche technischen Risiken, Vermarktungsrisiken etc. bestehen
- die Schutzrechtslage; wichtig ist ein aktueller Überblick über den Stand der Technik, denn ein Vorhaben ist sinnlos, wenn potenzielle Ergebnisse wegen entgegenstehender Schutzrechte Dritter nicht verwertet werden können
F&E-Partnerschaften: Horizontale und vertikale, Equity oder Contractual Joint Ventures
In F&E-Partnerschaften vereinen sich oft Industrie und Wissenschaft. Zwar können entsprechende Partnerschaften auch zwischen reinen Wirtschaftsunternehmen geschlossen werden, häufig sind aber auch Forschungsgruppen an Universitäten, sonstige Forschungseinrichtungen und Forschungsinstitute gefragte Partner. Man spricht im Bereich der F&E-Partnerschaften von horizontalen und vertikalen Partnerschaften. In einer horizontalen F&E-Partnerschaft schließen sich zwei oder mehrere Unternehmen auf ein und derselben Produktionsstufe mit dem Ziel, gemeinsam etwas zu entwickeln, zusammen, wobei es sich häufig um potenzielle Wettbewerber handelt. Eine vertikale Partnerschaft liegt dagegen in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Produktionsstufen, z.B. Abnehmer und Zulieferer. Hierbei verfolgt ein Partner häufig das Ziel, sich eine eine Technologie oder ein Produkt, was er selbst nicht entwickeln kannoder möchte, zu „sichern“, um diese zu guten Konditionen zu beziehen.
Rechtlich betrachtet lassen sich F&E-Partnerschaften als sog. Equity oder Contractual Joint Ventures ausgestalten. Beim Equity Joint Venture wird für die Zwecke des gemeinsamen Projektes eine neue Gesellschaft unter Einbringung von bestimmten Ressourcen, Know-how, und/oder IP-Rechten der Muttergesellschaften gegründet. Die Gründung einer neuen Gesellschaft ist zwar im Vergleich zu einem Contractual Joint Venture aufwendiger, kann aber attraktiv sein, wenn eine F&E-Partnerschaft auf Dauer angelegt ist und über das bloße gemeinsame Forschen hinausgeht, so z.B. der gemeinsame Vertrieb des neu entwickelten Produktes bezweckt wird. Soll das Equity Joint Venture über die F&E-Arbeiten hinaus am Markt agieren, bezeichnet man dieses als vollfunktionales Joint Venture.
Dahingegen soll es beim Contractual Joint Venture im Grundsatz bei einer rein vertraglichen Beziehung zwischen den beteiligten Partnern bleiben. Ressourcen und Gelder verbleiben in den jeweiligen Unternehmen, untereinander wird jedoch vertraglich der Einsatz von Mitteln, Technologien und Know-how zur gemeinsamen Erforschung und ggf. Entwicklung eines Produkts vereinbart. Die Ergebnisse der Arbeiten sollen am Ende allen Partnern zugänglich sein. Durch die vertragliche Vereinbarung eines gemeinsamen Zwecks kann stillschweigend jedenfalls im Innenverhältnis eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) entstehen; solange diese nicht nach außen auftritt, bleibt es bei einer reinen Innengesellschaft. Im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungspartnerschaften wird häufig das Contractual Joint Venture bevorzugt, u.a., da sich bei Misserfolgen, Zahlungsschwierigkeiten oder Konflikten zwischen den Partnern die Beziehung relativ geräuschlos und ohne aufwendige Liquidation auflösen lässt.
Von der F&E-Partnerschaft abzugrenzen ist die reine Auftragsforschung. Dabei gibt eine Partei eine konkrete Leistung gegen Entgelt in Auftrag und erhält die alleinigen Rechte an den entstehenden Ergebnissen; der Auftragnehmer ist in dem Fall ein reiner Dienstleister.
Vertragliche Ausgestaltung der F&E-Partnerschaft
Sowohl beim Equity als auch beim Contractual Joint Venture liegt einer F&E-Partnerschaft auf der ersten Stufe immer ein schuldrechtlicher Vertrag zugrunde. Dieser regelt das konkrete Vorhaben unter den Partnern und die jeweiligen Rechte und Pflichten. Der dem gemeinsamen F&E-Vorhaben zugrunde liegende Vertrag sollte möglichst klar und verständlich formuliert sein, um Streitigkeiten vorzubeugen und das Vertrauen der Partner zu erhalten. Der Umfang der Regelungen hängt von Umfang und Bedeutung des Vorhabens ab. Vor allem wenn ausländische Partner involviert sind und der Vertrag nicht dem deutschen Recht unterliegen soll, aber auch unter dem generellen Gebot der Vorsicht und Prävention lohnen sich ausführlichere Regelungen. Drohen Parallelentwicklungen durch Konkurrenten, können lange Vertragsverhandlungen allerdings auch hinderlich sein; die Partner sollten also stets auch das Marktumfeld bedenken. Generell sollte der F&E-Vertrag immer die Entwicklungs- und die Verwertungsphase der gemeinsamen F&E-Tätigkeiten regeln.
Bei den Vertragsverhandlungen inhaltlich von Relevanz dürften neben Vertragsgegenstand, Leistungspflichten, Zeitplan, Kostenverteilung, Vertraulichkeit, Haftungsfragen und Vertragslaufzeit vor allem folgende Punkte sein:
- Exklusivitätsfragen: Bei F&E-Vorhaben sollten sich die Partner die Frage stellen, ob und, wenn ja, inwieweit die Zusammenarbeit exklusiv sein soll. Um bereits vorhandenes Know-how, aber auch neue Ergebnisse besser zu schützen, bieten sich bestimmte Einschränkungen, z.B. auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet, an. Dabei sind die geltenden kartellrechtlichen Grenzen zu beachten, die im Einzelnen im folgenden Serienbeitrag beleuchtet werden.
- Wettbewerbsverbote: Auch gegenseitige Wettbewerbsverbote, z.B. im Hinblick auf die Verwertungsfelder oder bestimmte Märkte und Kunden, können sich in verschiedenen Konstellationen anbieten. Auch hier gilt es, bei der Vertragsgestaltung die geltenden kartellrechtlichen Grenzen einzuhalten, sodass es nicht zu unzulässigen und damit unwirksamen Beschränkungen kommt.
- IP-Regelungen: Die Regelungen zu den Rechten am Ergebnis der gemeinsamen F&E-Aktivitäten sowie zu deren Schutz und Verwertung sind von grundlegender Bedeutung, sodass hier besondere Aufmerksamkeit geboten ist. Ebenfalls bedacht werden sollten Regelungen zur Einbringung und weiteren Lizenzierung von Background IP der Partner, da dieses für die F&E-Arbeiten sowie die spätere Verwertung der Ergebnisse erforderlich sein kann. Besonderheiten sind dabei stets zu beachten, wenn Hochschulangestellte an den Arbeiten beteiligt sind. Details zu IP-Regelungen werden in einem folgenden Serienbeitrag besprochen.
- Projektsteuerung: Neben der Festlegung von Arbeitsgruppen und Ansprechpartnern* für die zu erledigenden Arbeiten kann es je nach Komplexität des Vorhabens sinnvoll sein, ein Kontrollgremium einzusetzen, das die Arbeiten und Fortschritte überwacht und im Falle von Konflikten einspringt. Ein solches Kontrollgremium, für das es in Deutschland keine spezifischen gesetzlichen Vorgaben gibt, wird häufig auch Joint Steering Committee genannt. Die Besetzung erfolgt i.d.R. mit einer auf allen Seiten gleichen Anzahl von Vertretern der Parteien. Sofern ein Joint Steering Committee eingesetzt werden soll, sollten seine Besetzung, seine Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse von Anfang an im Vertrag festgelegt werden.
Zusätzliche vertragliche Aspekte beim Equity Joint Venture
Beim Equity Joint Venture sind bei der vertraglichen Ausgestaltung im Vergleich zum reinen Contractual Joint Venture Besonderheiten zu beachten. Im Joint-Venture-Vertrag zwischen den Muttergesellschaften ist zunächst zu klären, welches Know-how und welche Schutzrechte die Muttergesellschaften jeweils in das zu gründende Joint Venture einbringen. Es muss vertraglich sichergestellt werden, dass das Joint Venture als selbstständige Gesellschaft eigenverantwortlich agieren kann und dazu die notwendigen Lizenzen am relevanten IP der Muttergesellschaften hat. Darüber hinaus sollten in einem Vertrag zwischen der Joint-Venture-Gesellschaft und den Muttergesellschaften Regelungen im Hinblick auf die Verwertung von Ergebnissen, die im Joint Venture entwickelt werden, getroffen werden. Häufig dürfte es für die Muttergesellschaften strategisch und wirtschaftlich von Relevanz sein, für die im Joint Venture entwickelten Ergebnisse Lizenzen zu erhalten.
Vielfältige Ausgestaltungsmöglichkeiten
Die vielfältigen Ausgestaltungsmöglichkeiten geben Industrie und Wissenschaft weiten Spielraum, F&E-Partnerschaften einzugehen. Eine solide vertragliche Grundlage ist mit entscheidend für den Erfolg des Vorhabens.
Dem Auftakt zu unserer Serie „Joint Ventures“ folgten die Beiträge zur Geschäftsleitung, zur initialen Ausstattung eines Joint Ventures, zu Finanzierungsstrategien und zu asymmetrischen Joint Ventures. Zuletzt veröffentlicht wurden Beiträge zum Deadlock im Joint Venture, zu Pattsituationen und zur Übertragbarkeit von Gesellschaftsanteilen.