10. April 2025
Koalitionsvertrag 2025 Arbeitsrecht

Arbeitsrecht im Koalitionsvertrag: Ergebnisse der Verhandlungen

Der Koalitionsvertrag steht – Implikationen für das Arbeitsrecht.

Vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen war das Arbeitspapier der AG „Arbeit und Soziales“ durchgesickert. Bereits in diesem Entwurf ließen sich Tendenzen erkennen, die  sich im finalen Papier, dem am 9 April 2025 veröffentlichten Koalitionsvertrag, so bewahrheiteten. Wir fassen hier für Sie die wichtigsten Vorhaben für aus arbeitsrechtlicher Sicht zusammen.

Mindestlohn: Ein Ziel mit klarer Vorgabe

Der gesetzliche Mindestlohn soll sich sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren; so sollen bis 2026 15 Euro erreichbar sein. Die SPD wollte im Koalitionsvertrag klarstellen, dass 15 Euro „gesetzt“ sind. Dazu ist es nicht gekommen. Allerdings sind 15 Euro nach Berechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) und des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung durch die Orientierung an 60 Prozent des Bruttomedianlohns wahrscheinlich. Dass nunmehr auch der Bruttomedianlohn mit einbezogen wird, ergibt sich bereits aus der geänderten Satzung der Mindestlohnkommission – nicht erst aus dem Koalitionsvertrag. 

Arbeitszeit – wöchentliche statt tägliche Höchstarbeitszeit

Die Möglichkeit einer wöchentlichen statt einer täglichen Höchstarbeitszeit wird kommen. Die Umsetzung soll in einem Dialog mit den Sozialpartnern erörtert werden. Einen ähnlichen Vorstoß gab es im Ampel-Koalitionsvertrag, der jedoch nicht umgesetzt wurde. 

Arbeitszeiterfassung, aber nicht für die Vertrauensarbeitszeit

Die Pflicht zur Erfassung von Arbeitszeiten soll nun gesetzlich geregelt werden. Dabei setzten die Koalitionspartner auf eine elektronische Zeiterfassung. Die Vertrauensarbeitszeit soll dabei „im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie“ ohne Zeiterfassung möglich bleiben. Ob und wie das Modell der in der Praxis weit verbreiteten, klassischen Vertrauensarbeitszeit EU-rechtskonform ohne eine Erfassung der Arbeitszeit umgesetzt werden kann, bleibt abzuwarten. 

Steuerfreie Mehrarbeitszuschläge für Vollzeitkräfte, aber unterschiedliche Definition von Vollzeit

Die neue Regierung plant steuerfreie Zuschläge für Mehrarbeit, allerdings nur für Vollzeitbeschäftigte. „Vollzeit“ ist aber nicht gleich „Vollzeit“: Bei nicht tariflich geregelten Arbeitszeiten sollen stets 40 Wochenstunden als Maßstab herangezogen werden, bei Geltung eines Tarifvertrags „mindestens 34 Stunden“. Ersteres soll offenbar auch gelten, wenn insbesondere arbeitsvertraglich eine geringere Wochenstundenzahl als Vollzeit festgelegt wurde. Gilt in einem Betrieb also die 38-Stunden-Woche, müssten die Zuschläge für die ersten beiden Überstunden folglich noch versteuert werden, ab der dritten Überstunde nicht mehr. Bei einer tariflich festgelegten 38-Stunden-Woche würden ab der ersten Überstunde keine Steuern auf Mehrarbeitszuschläge anfallen. Übrigens: Teilzeitbeschäftigte werden von dieser steuerlichen Begünstigung nicht erfasst – eine gesetzliche Ungleichbehandlung. Ob dies gerechtfertigt ist, wird im Zweifel gerichtlich geklärt werden müssen.

Digitale Mitbestimmungsoptionen sollen kommen

Online-Betriebsratswahlen und -Betriebsversammlungen ebenso wie die Möglichkeit zu Online-Wahlen zum Betriebsrat sollen künftig ermöglicht werden. Das BetrVG soll entsprechend erweitert werden. Außerdem soll Gewerkschaften ein digitales Zugangsrecht zu Betrieben gewährt werden. All dies ist nicht komplett neu: Digitale Betriebsversammlungen waren nach § 129 BetrVG während der Corona-Pandemie zulässig. Online-Wahlen plante schon die Ampel, setzte sie letztlich aber nicht um. Ein digitales Zugangsrecht zum Betrieb versteckte sich im Referentenentwurf der Ampel für ein Bundestariftreuegesetz, was aber ebenfalls scheiterte. 

Bundestariftreuegesetz – Auftragsvergabe grundsätzlich nur an tarifgebundene Unternehmen 

Die neue Regierung möchte das Bundestariftreuegesetz für Vergaben auf Bundesebene mit einem Volumen ab EUR 50.000 und für Startups „mit innovativen Leistungen“ in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ab EUR 100.000 auf den Weg bringen. 

Vereinfachte Beschäftigung ausländischer Fachkräfte und von Rentnern

Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland sollen in Deutschland einfacher einsetzbar werden. Hierfür soll eine „Work-and-stay-Agentur“ mit einer zentralen IT-Plattform als einheitliche Ansprechpartnerin gebildet werden. Die Öffnung der Beschäftigung von Fachkräften aus dem Nicht-EU-Ausland für Zeitarbeitsunternehmen, wie während der Verhandlungen noch erwogen, wurde nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen.

Auch die befristete Beschäftigung von Rentnern soll erleichtert werden. Für Mitarbeiter, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze zum bisherigen Arbeitgeber zurückkehren oder dort befristet weiterarbeiten möchten (obschon das Arbeitsverhältnis eigentlich altersbedingt beendet würde), soll das Vorbeschäftigungsverbot abgeschafft werden. 

Entbürokratisierung durch Abbau von Schriftformerfordernissen

Die Koalitionspartner haben sich außerdem den Abbau von Schriftformerfordernissen, insbesondere im Arbeitsrecht (zum Beispiel bei Befristungen) auf die Fahne geschrieben. Man darf gespannt sein.

Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung

Personen, die sich künftig selbstständig machen und keinem obligatorischen Alterssicherungssystem zugeordnet sind, werden in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen. Andere Formen der Altersvorsorge sollen aber weiterhin möglich bleiben.

In diesem Zusammenhang interessant: Das Statusfeststellungsverfahren soll reformiert und transparenter werden. Wie genau, bleibt unklar.

Fazit: Wenige neue Ideen und keine großen Reformen

Hervorzuheben aus Arbeitgebersicht ist, dass die Arbeitszeiterfassung nun angegangen werden soll und Ausnahmen für die Vertrauensarbeitszeit geplant sind. Auch haben einige Vorstöße, die dem Sondierungspapier noch zu entnehmen waren, wie eine Abschaffung der sachgrundlosen Befristung oder die Einführung eines arbeitsrechtlichen Verbandsklagerechts der Gewerkschaften, keinen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden.

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Tags: Arbeitsrecht Koalitionsvertrag 2025