Wie wird es in den Bereichen Wasserstoff, CCUS und Emissionshandel auf dem Weg zur Klimaneutralität weitergehen? Kontinuität, Verschärfung oder Rückwärtsgang?
Die zukünftigen Regierungsparteien bekennen sich zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und verfolgen das Ziel der Klimaneutralität 2045 in Deutschland. Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit sollen zusammengebracht werden. Deutschland soll Industrieland bleiben und klimaneutral werden. Innovationen sollen in den Fokus rücken.
Zur Erreichung der Klimaschutzziele soll der Wasserstoffmarkthochlauf unter Nutzung nationaler und europäischer Förderinstrumente (z.B. IPCEI, Klimaschutzverträge) weiterhin vorangetrieben werden. Die von der Industrie lang ersehnte Möglichkeit der Speicherung und Nutzung von abgeschiedenem CO2 (auch Carbon Capture, Utilisation and Storage, kurz CCUS genannt) soll ermöglicht werden. Zudem soll der Emissionshandel als zentraler Baustein in einem Instrumentenmix vorangetrieben werden. Im Nachfolgenden wird herausgestellt, was die zukünftigen Regierungsparteien CDU, CSU und SPD in dem geschlossenen Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode (Koalitionsvertrag 2025) für diese drei Bereiche im Einzelnen planen.
Bekenntnis zum Wasserstoffhochlauf
Der weitere Hochlauf des Wasserstoffmarkts bleibt zentraler Bestandteil der Transformationsstrategie. Eine Abkehr der Wasserstoffpolitik der Ampelkoalition erfolgt nicht und vermittelt der Industrie insoweit Planungssicherheit. So soll Deutschland eine führende Rolle in einer europäischen Wasserstoffinitiative einnehmen. Das sich im Bau befindende Wasserstoffkernnetz soll deutschlandweit bedarfsgerecht die industriellen Zentren anbinden, auch die, die im Süden und im Osten Deutschlands liegen. Hierbei soll der Ausbau der Wasserstoffwirtschaft beschleunigt und pragmatisch ausgestaltet und auch Wasserstoffspeicher berücksichtigt werden. Insoweit bleibt abzuwarten, ob die künftige Regierung das Wasserstoffbeschleunigungsgesetz der Ampelregierung aufgreift oder weitreichendere Regelungen plant, um das viel zitierte „Deutschlandtempo“ auf die Straße zu bringen. Die Finanzierungsbedingungen sollen dabei so ausgestaltet sein, dass durch diese eine integrierte Planung des Kernnetzes umgesetzt und auch das Verteilnetz aufgebaut werden kann.
Die nationalen und europäischen Regelungen sollen im Rahmen der europäischen Wasserstoffstrategie zügig umgesetzt werden, wobei eine kleinteilige Regulierung verhindert werden soll. Deutschland soll Wasserstoffimporteur bleiben, was die Anbindung an alle deutschen und europäischen Häfen umfasst. Ferner soll die Wasserstofferzeugung sowohl über große systemdienliche Elektrolyseanlagen als auch verstärkt dezentral und flächendeckend ermöglicht werden.
Flankierend soll ein vertrauenswürdiges und unbürokratisch umsetzbares Zertifizierungssystem für klimafreundliche Energieträger vorangetrieben werden. Hier hatte es zuletzt Kritik seitens der Industrie an den hohen Anforderungen der Delegated Acts der Europäischen Kommission und der Umsetzung in der 37. BImSchV gegeben. Ergänzend zu „grünem“ Wasserstoff wird sich für „klimafreundlichen Wasserstoff“ aus verschiedenen Quellen, d.h. alle „Wasserstofffarben“ ausgesprochen, worunter insbesondere auch „blauer“ Wasserstoff fällt, der aus Erdgas hergestellt wird, wobei das entstehende CO2 gespeichert wird. In Aussicht gestellt wird zudem eine Grüngasquote, wobei abzuwarten bleibt, ob mit dieser vor allem Anreize für einen sektorübergreifenden Hochlauf von Wasserstoff gesetzt werden sollen und/oder auch Übergangstechnologien, wie der Einsatz von synthetischem Methan, angereizt werden.
Im Zusammenhang mit der geplanten Förderung der E-Mobilität ist die Förderung einer Wasserstoff-Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge beabsichtigt.
Schließlich wird die Nutzung nationaler und europäischer Förderinstrumente weiterhin im Vordergrund stehen, wie zum Beispiel H2 Global und IPCEI (Important Projects of Common European Interest). Insbesondere sollen Förderprogramme zur Dekarbonisierung der Industrie, namentlich die Klimaschutzverträge, fortgesetzt werden.
Startschuss für CCUS
Ein industriepolitisch spannendes Bekenntnis tätigt der Koalitionsvertrag hinsichtlich CCUS. Konnte sich die Ampelregierung in ihrem Schlussspurt nicht mehr zu einer Umsetzung durchringen, erklärt die der Koalitionsvertrag CCUS als unerlässliches Instrument für das Ziel der Klimaneutralität. Ein Gesetzespaket (insbesondere die Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes) soll umgehend beschlossen werden, welches die Abscheidung, den Transport, die Nutzung und die Speicherung von Kohlendioxid insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors und für Gaskraftwerke ermöglicht. Dabei dürfte wesentlich auf dem Entwurf der Ampelregierung aufgebaut werden. Hierbei sollen die Ratifizierung des London-Protokolls sowie die Schaffung von bilateralen Abkommen mit Nachbarländern höchste Priorität haben. Nur so wird ein grenzüberschreitender CO2-Transport zwecks Offshore-Speicherung von CO2 möglich. Da der Stahlindustrie in Deutschland eine strategisch zentrale Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland zugesprochen wird, ist beabsichtigt, CCS-Technologien auch der Stahlindustrie zu ermöglichen.
Durch das Gesetzespaket soll die CO2-Speicherung Offshore außerhalb des Küstenmeeres in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee sowie an Land ermöglicht werden. Diesbezüglich soll eine Länderöffnungsklausel eingeführt werden, d.h. es soll den Bundesländern freistehen, darüber zu entscheiden, ob diese die Speicherung von CO2 in ihrem Gebiet zulassen oder nicht.
Um die Planungen und Genehmigungen zu beschleunigen, soll ferner das überragende öffentliche Interesse für den Bau dieser CCS/CCU-Anlagen und -Leitungen festgestellt werden. Zudem wird Direct Air Capture als eine mögliche Zukunftstechnologie angesehen, um Negativemissionen zu heben.
Mit Spannung bleibt abzuwarten, ob und wann die Carbon Management-Strategie für Deutschland verabschiedet wird, die weitere Ziele und Maßnahmen im Zusammenhang mit CCUS beinhaltet. Bisher gibt es allein Eckpunkte zu der Carbon Management-Strategie der Ampelregierung, die das Bundeskabinett am 29. Mai 2024 beschlossen hat.
Fortschreibung des Emissionshandels
Der Emissionshandel und die damit einhergehende CO2-Bespreisung soll auch bei der zukünftigen Bundesregierung ein wichtiger Baustein der Klima- und Energiepolitik bleiben, wobei eine ökonomisch tragfähige CO2-Preisentwicklung verfolgt wird. Die deutschen und europäischen Klimaziele sollen vorrangig durch die Reduktion von CO2 und anderen Treibhausgasen in Deutschland, zusätzlich durch die Anrechnung negativer Emissionen sowie – und das ist neu – in begrenztem Umfang durch hoch qualifizierte und glaubwürdige CO2-Minderungen in außereuropäischen Partnerländern erreicht werden. Unter Umständen soll für exportorientierte Branchen weiterhin eine kostenfreie Zuteilung von Zertifikaten erfolgen.
In diesem Zusammenhang sollen der European Green Deal und der Clean Industrial Act weiterentwickelt werden, um Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz zusammenzubringen. Der Emissionshandel soll sowohl auf europäischer als auch internationaler Ebene vorangetrieben werden. Es sollen weitere Länder für die CO2-Bepreisung gewonnen werden. Die Vereinfachung von CBAM soll fortgeführt werden. Ob Maßnahmen über die Omnibus-Pakete der Europäischen Kommission hinaus geplant sind, ist nicht eindeutig.
Die Einführung des europäischen Emissionshandels für die Bereiche Gebäude und Verkehr (ETS 2) wird unterstützt, wobei ein fließender Übergang des deutschen Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) in das ab 2027 geltende ETS 2 gewährleistet werden soll. Etwaige Änderungen am jüngst novellierten Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz bleiben abzuwarten. Die mit dem Emissionshandel einhergehenden Belastungen für Verbraucher und Unternehmen sollen etwa durch Entlastungen und Förderungen sozialverträglich abgemildert werden.
Von der Opt-in-Möglichkeit den Sektor Landwirtschaft in den ETS 2 einzubeziehen, will die zukünftige Bundesregierung keinen Gebrauch machen.
Wo stehen wir in vier Jahren?
Der Koalitionsvertrag 2025 enthält für die Bereiche Wasserstoff, CCUS und Emissionshandel und keine wirklichen Überraschungen, sondern es wird im Wesentlichen der von der (vorherigen) Ampelregierung eingeschlagene Weg fortgeführt. Dies sollte den jeweiligen Marktakteuren Planungssicherheit geben, wobei die konkrete Umsetzung abzuwarten bleibt. Gerade die Bereiche CCUS und Wasserstoff stecken noch in den Kinderschuhen, sodass die zukünftige Bundesregierung insbesondere hier gefordert bleiben wird, den weiteren Weg für die Dekarbonisierung Deutschlands zu ebnen. Wir werden die weiteren Entwicklungen, insbesondere in den Bereichen Wasserstoff, CCUS und Emissionshandel, in der neuen Legislaturperiode genau beobachten und Sie mit weiteren Blogbeiträgen dazu informiert halten.
Wir informieren Sie in unserer Blog-Serie zum Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert.