7. Juli 2025
Werbung KI AI-Washing
Künstliche Intelligenz

AI-Washing vermeiden: Rechtssicher Werben mit Künstlicher Intelligenz

Wer mit dem Begriff „KI“ wirbt, wirbt unter Umständen irreführend. Wir zeigen, wann „AI-Washing“ vorliegt und wie es vermieden werden kann.

Werbung für Künstliche Intelligenz (KI) ist weit verbreitet. Immer mehr Unternehmen stellen den Einsatz von KI in ihrem Unternehmen oder die Integration von KI in ihren Produkten werblich heraus, indem sie beispielsweise ihre Produkte als „KI-gesteuert“ oder „KI-gestützt“ bezeichnen. Auf diese Weise präsentieren sie sich selbst oder ihre Produkte als besonders innovativ. Selbst in Alltagsgegenständen, wie Waschmaschinen oder Fernsehern, kommt – schenkt man den Angaben in der Werbung glauben – KI zum Einsatz. 

Solche Werbung ist nicht zu beanstanden, wenn die werblichen Angaben den Tatsachen entsprechen. In vielen Fällen besteht jedoch der Verdacht, dass es sich um „AI-Washing“ handelt. AI-Washing (angelehnt an Begriffe wie „Greenwashing“ oder „Pinkwashing“) bezeichnet eine irreführende Marketingpraxis, bei der Unternehmen behaupten, dass in ihren Produkten oder bei der Erbringung ihrer Dienstleistungen KI zum Einsatz kommt, obwohl gar keine KI verwendet wird oder dies nur in sehr eingeschränkter Weise zutrifft. Der KI-Hype wird ausgenutzt.

Wettbewerbsrechtliche Risiken von AI-Washing

AI-Washing kann eine irreführende Werbung nach § 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 UWG darstellen und daher wettbewerbswidrig sein. Das ist der Fall, wenn das beworbene Produkt schon gar nicht über die beworbenen KI-Funktionen verfügt. Wettbewerbswidrig ist es auch, wenn durch die Werbung Erwartungen hervorgerufen werden, die das Produkt nicht erfüllt. Unternehmen, die auf diese Weise falsche oder jedenfalls irreführende Versprechungen machen, täuschen nicht nur ihre Kunden*. Sie verschaffen sich gegenüber ihren Wettbewerbern in unlauterer Art und Weise einen Wettbewerbsvorteil. 

AI-Washing ist bereits in den Fokus von Verbraucherverbänden und Behörden geraten. Beispielsweise sind in den USA zwei Anlageberater wegen falscher und irreführender Angaben über den angeblichen Einsatz von KI ins Visier der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC geraten. Im Vereinigten Königreich hat die britische Werbeaufsichtsbehörde ASA die Werbung für eine App, mit der Bilder – angeblich mit KI – bearbeitet werden konnten, als irreführend beanstandet. Die Werbung stelle die Leistungsfähigkeit der App übertrieben dar. 

Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die Verbraucherverbände in Deutschland beginnen, in größerem Ausmaß gegen „AI-Washing“ vorzugehen, wie dies im Fall von Greenwashing zu beobachten ist

AI-Washing und der Begriff „Künstliche Intelligenz“

Wann auf irreführende Art und Weise für den Einsatz von KI geworben wird und damit wettbewerbsrechtlich relevantes AI-Washing vorliegt, ist nicht pauschal zu beantworten. Das liegt zunächst daran, dass es kein allgemeines Begriffsverständnis von KI gibt. Es gibt auch nicht „die KI“, sondern verschiedene Arten von KI wie Generative KI. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine KI-Werbung irreführend ist, kommt es auch nicht allein auf ein technisches Begriffsverständnis an. Maßgeblich ist vielmehr der Eindruck, der aufgrund des Wortlauts der werblichen Aussage und des Gesamtzusammenhangs, in dem die Werbung steht, bei den angesprochenen Verkehrskreisen entsteht. Es kommt insofern auf die Umstände des Einzelfalls an. 

Einen Anhaltspunkt dafür, was unter KI verstanden wird, kann die Definition von KI-Systemen in der KI-Verordnung geben. Es ist anerkannt, dass die Verkehrsauffassung durch gesetzliche Vorschriften beeinflusst werden kann, wenn etwa der Inhalt von Bezeichnungen gesetzlich festgelegt ist („geläuterte Verkehrsauffassung“). Nach Art. 3 Nr. 1 KI-VO ist ein „KI-System“ 

ein maschinengestütztes System, das für einen in unterschiedlichem Grade autonomen Betrieb ausgelegt ist und das nach seiner Betriebsaufnahme anpassungsfähig sein kann und das aus den erhaltenen Eingaben für explizite oder implizite Ziele ableitet, wie Ausgaben wie etwa Vorhersagen, Inhalte, Empfehlungen oder Entscheidungen erstellt werden, die physische oder virtuelle Umgebungen beeinflussen können.

Charakteristisch für KI-Systeme und KI im Allgemeinen ist, dass sie „maschinengestützt“, „autonom“, „anpassungsfähig“ sowie „fähig zur Beeinflussung von Umgebungen“ sind. 

Maschinengestützt meint das Tätigwerden einer Maschine. Beispielsweise erfolgt die Auswahl eines Waschmaschinenprogramms oder die Auswahl der Dosiermenge von Waschpulver dann maschinengestützt, wenn sie durch eine bzw. mithilfe einer Maschine und nicht ausschließlich durch einen Menschen erfolgt. 

Autonom heißt, dass das System unabhängig vom Menschen tätig wird. Das System entscheidet, sobald sie von einem Menschen einmal in Betrieb genommen wurden, ab diesem Punkt selbstständig und ohne weitere Mitwirkung eines Menschen. Es entscheidet selbstständig auf Basis der ihr zur Verfügung gestellten Daten, wie es vorgeht. Bei dem Beispiel der Waschmaschine wäre das die selbstständige Entscheidung über ein bestimmtes Waschmaschinenprogramm oder die eigenständige Entscheidung über die Dosierung des Waschpulvers.

Anpassungsfähig ist ein System, wenn es während seiner Verwendung dazulernt. Durch diese Eigenschaft unterscheidet sich eine KI maßgeblich von einfacher Software und herkömmlichen Programmierungsansätzen, die auf von natürlichen Personen definierten Regeln beruhen. Eine Waschmaschine beispielsweise, die aufgrund des Nutzerverhaltens oder anderer Informationen „dazu lernt“ und sich entsprechend weiterentwickelt, ist in diesem Sinn „anpassungsfähig“. Werden dagegen lediglich Sensoren zur Bestimmung der Gewebeart oder des Gewichts der Wäsche verbaut, woraufhin die Waschmaschine in einem bestimmten Programm startet oder die Menge des Waschpulvers bestimmt, ist das noch nicht gegeben. Hier wurde vom Menschen vorgegeben, was ausgewählt wird, wenn eine bestimmte, von einem Sensor ermittelte Bedingung eingetreten ist. 

Das letzte Attribut fähig zur Beeinflussung von Umgebungen ist das selbstständige tatsächliche Ausführen der vorher von der Maschine getroffenen Entscheidungen. Das könnte z.B. das selbstständige Starten des vorher ausgewählten Waschmaschinenprogramms sein und das tatsächlich eigenständige Starten der Maschine. 

Liegt mindestens eines dieser Merkmale nicht vor, liegt die Vermutung nahe, dass die Erwartung des Kunden an das beworbene „KI-Produkt“ enttäuscht wird und daher wettbewerblich relevantes AI-Washing vorliegt.

Zu beachten ist jedoch auch, dass selbst dann, wenn ein Produkt, für das mit einem KI-Bezug geworben wird, als KI-System im Sinne der KI-Verordnung einzustufen ist, Verbraucher oder andere Kundengruppen durch die Werbung dennoch in die Irre geführt werden können. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn bei potenziellen Kunden der Eindruck entsteht, das Produkt enthalte bestimmte KI-Funktionalitäten, obwohl dies nicht zutrifft, oder wenn der KI-Anteil am Produkt tatsächlich nur marginal ist. Ein Beispiel dafür ist, wenn die als „KI-gestützt“ beworbene Software zur Hautkrebs-Erkennung zwar auf einem trainierten neuronalen Netz basiert, aber – entgegen der Erwartung der angesprochenen Kundenkreise – eine kontinuierliche Verbesserung durch neue Daten nicht erfolgt. Es entsteht der Eindruck, die gesamte Diagnostik sei hochautomatisiert und lernfähig, obwohl das tatsächlich nicht der Fall ist. 

Wer AI-Washing vermeiden will, muss klar und transparent kommunizieren

Irreführende Werbung für KI ist mit dem Risiko verbunden, von Verbraucherverbänden oder Wettbewerbern auf Unterlassung, Schadensersatz oder Gewinnabschöpfung in Anspruch genommen zu werden. AI-Washing kann aber auch strafrechtlich relevant sein und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach sich ziehen Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Kunden getäuscht und zum Kauf verleitet wurden, also Anhaltspunkte für einen Betrug vorliegen. Jedenfalls kann es zu Auseinandersetzungen mit Kunden und Reputationsverlust führen. Unternehmen, die für ein „KI-Produkt“ oder „KI-Dienstleistung“ werben, sollten somit bedenken, dass dies den Vorwurf, sie würden KI nur als Werbetrick nutzen, mit sich bringen kann. Um diesem Vorwurf nicht zu unterliegen, sollten einige Dinge beachtet werden: 

Selbstredend sollte nur mit dem Begriff „Künstliche Intelligenz“ aber auch mit Begriffen wie „KI“ oder „KI-gestützt“ geworben werden, wenn KI tatsächlich zum Einsatz kommt. Da der Begriff KI vage ist und daher übersteigerte Erwartungen und Missverständnisse hervorrufen kann, ist es ratsam, KI nicht als bloßes Schlagwort zu verwenden, sondern transparent und konkret über den Einsatz der KI in dem Produkt zu informieren. Nicht ratsam ist es, nichtssagende Werbeversprechen mit dem Schlagwort „KI“ wie „Unser Produkt wird von KI angetrieben!“ zu verwenden. Stattdessen sollten Unternehmen herausstellen, welchen konkreten Mehrwert die KI gegenüber der Verwendung von „einfacher“ Software in dem Produkt bietet. Dabei empfiehlt es sich, konkret zu beschreiben, was die KI macht, und zu kommunizieren, wo die Grenzen der KI liegen. Dabei ist zu berücksichtigen, ob sich ihre Werbung an Verbraucher oder Fachpersonen richtet. Zudem sollte nachgewiesen werden können, dass die Werbeaussagen zutreffend sind, also KI tatsächlich in der beschriebenen Art zum Einsatz kommt. Unternehmen sollten daher eine entsprechende Dokumentation vorhalten, auf die, wenn der Vorwurf des AI-Washings erhoben wird, zurückgegriffen werden kann.

In diesem Zusammenhang sollten Unternehmen zudem überprüfen, ob sie den für KI geltenden Transparenz- und Hinweispflichten entsprechen. Nach der KI-VO gelten ab dem 2. August 2026 einige Transparenz- und Hinweispflichten. Geregelt sind dort unterschiedliche Konstellationen, bei denen auf die Verwendung von KI hingewiesen werden muss. Ein Verstoß kann unter anderem mit Geldbußen von bis zu EUR 15.000.000 geahndet werden. Darüber hinaus kann sich eine allgemeine Hinweispflicht auf die Verwendung oder den Einsatz von KI auch aus § 5a Abs. 1 UWG ergeben. Nach § 5a Abs. 1 UWG handelt unlauter, wer eine wesentliche Information vorenthält. Diese Information muss für den Verbraucher notwendig sein, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen. Der Einsatz von KI kann als wesentliche Information gesehen werden, etwa dann, wenn Nutzerdaten zu Trainingszwecken der KI verwendet werden.

Sorgfältige Prüfung der Werbung mit KI ist unvermeidlich

Werbung mit KI muss sorgfältig geprüft werden, um rechtlichen Risiken wie dem „AI-Washing“ zu entgehen. Eine klare, transparente Kommunikation über den KI-Einsatz ist entscheidend, um falsche Erwartungen zu vermeiden, Abmahnungen vorzubeugen und das Vertrauen der Kunden nicht zu verlieren. Nur durch eine präzise und nachvollziehbare Darstellung der KI-Funktionen können Unternehmen wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen und Reputationsschäden verhindern.

In unserem CMS-Blog informieren wir Sie in unserer Blog-Serie „Künstliche Intelligenz fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema u.a. zu: Wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von KI-gestützter Werbung. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert. Weitere Informationen finden Sie zudem auf unserer Insight-Seite: Implikationen für Künstliche Intelligenz und Recht | CMS Deutschland.

Haben Sie Anregungen zu weiteren Themen rund um KI, die in unserer Blog-Serie Künstliche Intelligenz nicht fehlen sollten? Schreiben Sie uns gerne über blog@cms-hs.com.

Die Autorin hat zu diesem Thema auch einen Beitrag in der GRUR 2025, 289 veröffentlicht. Für den Abruf ist ein Beck-Online-Abo notwendig.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit Willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: AI-Washing KI künstliche Intelligenz UWG Werbung Wettbewerbsrecht