8. September 2022
Arbeit Metaverse
Metaverse

Arbeit im Metaverse – arbeitsrechtliche Betrachtung der Belästigungs- und Diskriminierungsrisiken

Wie führen Arbeitgeber das Metaverse als rechtssicheren Arbeitsort ohne Belästigungs- und Diskriminierungsrisiken ein? Der Blogbeitrag schafft einen Überblick.

Gerade erst hat die Nutzung des Metaverse Fahrt aufgenommen, da kommen bereits die ersten negativen Erfahrungsberichte. So wurden Anfang dieses Jahres Belästigungsfälle weiblicher Avatare in der Virtual-Reality-Welt Horizon Worlds bekannt. 

Dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist, ist längst bekannt. Das gilt auch für das Metaverse. Aber wie müssen Unternehmen mit Belästigung und Diskriminierungsfällen im Metaverse umgehen? Wo stecken arbeitsrechtliche Risiken und wie werden Arbeitnehmer* hiervor geschützt? Der Beitrag beleuchtet die belästigungs- und diskriminierungsfreie Ausgestaltung des Metaverse im Unternehmen.

Im digitalen Metaverse zeigen sich reale Probleme der Arbeitswelt

Eine neue Ausprägung der digitalen Transformation ist die Schaffung eines „virtuellen“ Arbeitsplatzes. Der Arbeitsplatz soll vom Büro in das Metaversum verlagert werden. Bei dem Metaverse handelt es sich um einen digitalen Raum, in dem Menschen mithilfe von Virtual-Reality-Technologien (VR) miteinander agieren können. Selbst erstellte Avatare dienen dabei als Medium der Interaktion.

Solche „virtuellen“ Arbeitsplätze bringen aber nicht nur Chancen mit sich, sondern auch neue Herausforderungen und Probleme. Eine dieser Herausforderungen ist der Schutz vor Belästigungen und Diskriminierungen im Metaverse. In der Praxis hat sich schnell gezeigt, dass das Metaverse auch die realen Probleme widerspiegelt. Ist ein Arbeitsplatz im Metaverse eingerichtet, müssen Unternehmen die „virtuellen Risiken“ ebenso angehen wie die Risiken am physischen Arbeitsplatz.  

Recruiting im Metaverse: Vorsicht vor dem AGG!

Die Prävention von Diskriminierungen fängt bereits mit den Vorgaben an das Recruiting an. Unternehmen nutzen verstärkt digitale Vorstellungsgespräche mittels Videokonferenzen, um Bewerbungsgespräche durchzuführen. Das Metaverse bietet hiergegen den Vorteil, sich in 3D zu erleben und so den Bewerber näher kennenzulernen. Auch eine virtuelle Tour des Unternehmens etwa wäre möglich, wenn das eigene Büro im Metaverse nachgebaut würde.

Arbeitgeber, die den Arbeitsplatz in das Metaverse verlegt haben, könnten gewillt sein, das Recruiting ausschließlich im Metaverse durchzuführen. Dies könnte jedoch mit den Grundsätzen des AGG unvereinbar sein. Die Verlagerung des Einstellungsprozesses in das Metaverse könnte als mittelbare Altersdiskriminierung gedeutet werden. Insbesondere ältere Menschen werden weder über das Wissen noch über die Ausrüstung verfügen, um einen Bewerbungsprozess im Metaverse zu durchlaufen. Mithin stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber einen sachlichen Grund für die Verlegung des Recruitings in das Metaverse zum jetzigen Zeitpunkt hat. Dieser wird in der Praxis noch nicht vorliegen.

Neben dem altersdiskriminierenden Risiko kommt hinzu, dass auch jüngere Bewerber nicht zwingend das technische Knowhow oder die technisch erforderliche Ausrüstung besitzen. Die Beschaffung ist allein für den Einstellungsprozess kaum zumutbar. 

Es lässt sich somit festhalten, dass das Recruiting zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließlich im Metaverse stattfinden darf. Auch praktisch gesehen ist Arbeitgebern von einem solchen Schritt abzuraten. Die wenigsten Menschen werden zum jetzigen Zeitpunkt über die notwendige Ausrüstung verfügen, sodass hier die Attraktivität als Arbeitgeber leiden wird.

Risiko der Belästigung und Diskriminierung am Arbeitsplatz im Metaverse

Für die Zusammenarbeit im Metaverse können Mitarbeiter ihre eigenen Avatare erstellen. Ein Avatar ist die virtuelle Repräsentation einer Person im Metaverse. Die Mitarbeiter haben hier die Möglichkeit, das Aussehen ihres Avatars individuell zu gestalten. Durch die Avatare, die in der Regel dem realen Menschenbild nachgebaut werden, werden diskriminierungsrechtliche Risiken in das Metaverse verlagert. Es kommen aber auch weitere Diskriminierungsrisiken hinzu, etwa wenn der Avatar nicht realitätsnah gestaltet ist und aufgrund seiner virtuellen Merkmale diskriminiert wird. Ist die Diskriminierung oder Belästigung einer „Spielfigur“ ohne Bezug zu einer existierenden Person von Arbeitgebern ernst zu nehmen? Wenn ja, welche Ansprüche resultieren aus einem fehlerhaften Verhalten?

Grundlegende Änderungen, was den Schutz vor Belästigungen und Diskriminierungen in laufenden Arbeitsverhältnissen angeht, gibt es nicht. Der Arbeitgeber ist weiterhin dazu verpflichtet, seine Arbeitnehmer im Metaverse vor Belästigungen und Diskriminierungen zu schützen. Diese Pflicht ist ohne weiteres in das Metaverse übertragbar. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es auch hier geeignete Präventionsmaßnahmen braucht. 

Ein Praxisbeispiel: In der VR-Welt Horizon Worlds kam es bereits mehrfach zu Fällen von sexueller Belästigung. Während des Aufenthalts im Metaverse sahen sich die weiblichen Avatare sowohl verbaler als auch physischer Belästigung ausgesetzt. Als Reaktion auf die Vorfälle wurde ein verpflichtender Mindestabstand zwischen den Avataren eingeführt. Ein solcher Mindestabstand stellt einen effektiven Schutz vor sexueller Belästigung in physischer Form dar. Solche Maßnahmen beeinflussen zwar die Realitätstreue des Metaverse, dienen aber dem Schutz eines höherrangigen Gutes und überwiegen mithin das Interesse an einer möglichst realitätsnahen Immersion. 

Mindestabstände können allerdings nicht immer schützen, insbesondere nicht vor verbaler Belästigung. Eine Möglichkeit zum Schutz vor verbaler Belästigung könnte das Blockieren gewisser Worte oder Aussagen sein. Da es sich beim Metaverse um eine virtuelle Welt handelt, können die technischen Perimeter der Welt variabel geändert werden. 

Interessant könnte in diesem Zusammenhang die Frage sein, ob dem Arbeitnehmer im Falle einer Belästigung das Leistungsverweigerungsrecht nach § 14 AGG zusteht. Nach dieser Vorschrift sind Arbeitnehmer dazu berechtigt, die Erbringung ihrer Arbeitsleistung so lange auszusetzen, bis der Arbeitgeber geeignete Schutzmaßnahmen ergreift. Findet die Arbeit im Metaverse statt, könnte argumentiert werden, dass die Vorschrift nur noch bedingt Anwendung findet. Der Sinn des § 14 AGG liegt in dem Schutz der betroffenen Person vor Belästigungen am Arbeitsplatz. Wenn dieser Arbeitsplatz nur noch virtuell existiert, könnte derselbe Schutzzweck dadurch erreicht werden, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung, sofern dies möglich ist, „offline“ erbringt oder der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz einrichtet, der dem Schutzzweck der Norm entspricht. 

Umgang mit Risiken im Metaverse in der Praxis

Wie in der realen Welt auch können die Risiken von Belästigung und Diskriminierung durch geeignete Schutzmaßnahmen sowie Sanktionsvorschriften minimiert werden. Unternehmen müssen insbesondere die technische Ausgestaltung des Metaverse berücksichtigen, bevor sie den Arbeitsplatz hierhin verlagern. Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob die Regeln des Metaversums die Avatare ausreichend in Schutz nehmen und ob Fehlverhalten erkannt wird. Auch ein Verhaltenskodex für das Metaverse, der etwa die Diskriminierungs- und Belästigungsrichtlinien für die reale Welt ergänzt, ist für Unternehmen zur Minimierung der Risiken ratsam.

Ein bekanntes Problem bei der Bekämpfung virtueller Belästigung ist die Anonymität des Internets. Täter können sich etwa hinter der Anonymität des Internets verstecken und durch das Erstellen neuer Accounts Sperrungen oder Löschungen umgehen. Ähnliche Probleme können sich beim Arbeiten im Metaverse ergeben. Um ihren Schutzpflichten nachzukommen, sind Arbeitgeber gehalten, den Zugriff auf das Metaverse für Unbefugte zu sperren und nur für Arbeitnehmer zu ermöglichen. 

Zudem ist es ratsam, einen personalisierten Login zu nutzen, um die Echtheit der Arbeitnehmer zu garantieren. Daneben sollten Arbeitnehmer dazu verpflichtet werden, am virtuellen Arbeitsplatz unter ihrem echten Namen aufzutreten und ihre Avatare möglichst realitätsnah zu gestalten. Diese Maßnahmen sind grds. auch mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer vereinbar. In solchen Situationen überwiegt in der Regel das Interesse des Arbeitgebers an einer realen Repräsentation seines Unternehmens das Interesse des Arbeitnehmers.

Neuer Arbeitsort gleich neue Schutzpflichten: Schulungen und Richtlinie als erste Maßnahmen

Zusammenfassend betrachtet ist der virtuelle Arbeitsplatz hauptsächlich als technische Neuerung anzusehen. Rechtlich gesehen bringt er bezüglich des Schutzes vor Belästigung und Diskriminierung keine weitreichenden Veränderungen mit sich – zumindest was „bekannte“ Fälle der Diskriminierung und Belästigung angeht. Für die neuen Frage – etwa der Diskriminierung eines keineswegs realitätsnahen Avatars – müssen Arbeitgeber sich aber ebenfalls wappnen. Hier wird in aller Regel eine Einzelfallentscheidung notwendig. Zumindest sollten vor dem Beginn der Arbeit im Metaverse entsprechende Richtlinien, die grundlegende Verhaltenspflichten und Sanktionierungsmöglichkeiten für das Metaverse festlegen, niedergelegt werden. Zudem sollten Arbeitnehmer und Führungskräfte im Umgang mit dem Metaverse ausreichend geschult werden. Dies inkludiert auch die technischen Möglichkeiten, um auf Vorfälle reagieren zu können. Die Änderung von Einstellungen betreffend die Interaktionsmöglichkeiten sollte des Weiteren nur ausgewählten Personen möglich sein. Sind die Grundregeln einmal gelegt, können Arbeitnehmer ihre Arbeit auch aus dem Metaverse erbringen.

In unserem CMS-Blog informieren wir Sie im Rahmen unserer Blog-Serie „Metaverse“ fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zum Metaversum. Nach einer Einführung in das „Metaverse“ sind wir bereits eingegangen auf Arbeit im Metaverse, auf Rechtsberatung im Metaverse und geben einen Überblick über Steuern im Metaverse sowie über die Umsatzsteuer bei der Vermietung von virtuellem Land im Metaverse. Darüber hinaus haben wir uns mit dem Markenschutz für Blockchain- und andere Krypto-Projekte, dem Markenschutz vs. Kunstfreiheit bei mit NFTs verlinkten Medien sowie dem Markenschutz für digitale Produkte im „Metaverse“ und den EUIPO-Leitlinien zur Eintragung virtueller Waren und NFT beschäftigt.

Darüber hinaus halten wir Sie auf unserer Insight-Seite zum Metaverse auf dem Laufenden!

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*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitsrecht Diskriminierung Metaverse Recruiting Schutzpflicht