13. Februar 2023
Modernes Arbeiten

Next-Level „Desksharing“?

Desksharing ergänzt die mobile Arbeit – worauf Unternehmen bei der Einführung achten sollten.

Die – oftmals während der SARS-CoV-2-Pandemie – in vielen Unternehmen eingeführte Möglichkeit mobiler Arbeit erfreut sich in der Praxis nach wie vor sowohl bei Arbeitgebern* als auch Arbeitnehmern großer Beliebtheit. Doch häufig wird es allein bei diesem neuen Arbeitskonzept nicht bleiben. Denn mobile Arbeit führt auch dazu, dass weniger Arbeitnehmer (parallel) im Büro tätig sind. Gleichzeitig sehen sich die Arbeitgeber mit steigenden Energie- und Mietkosten sowie der Herausforderung konfrontiert, nachhaltig zu wirtschaften. 

Für viele Arbeitgeber daher Anlass genug, um über die Reduzierung nicht ausreichend genutzter Büroarbeitsflächen nachzudenken. Desksharing ist insoweit das Wort der Stunde.

Desksharing als Konzept mit vielen Möglichkeiten 

Der Begriff des Desksharings ist gesetzlich nicht definiert. Zusammengefasst dürften darunter Konzepte zu verstehen sein, in denen ein Büroarbeitsplatz nicht ausschließlich einem einzigen Arbeitnehmer zugewiesen ist, sondern von mindestens zwei Arbeitnehmern abwechselnd genutzt werden kann. Im Rahmen dieses Grundverständnisses von Desksharing sind unterschiedliche Ausgestaltungsvarianten denkbar. 

Da es vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise und mit Blick auf eine nachhaltige Unternehmensführung bei zukünftigen, den Betrieb betreffenden Entscheidungen jedenfalls auch um eine Reduktion des Energieverbrauchs gehen wird, sind gerade solche Desksharing-Konzepte zielführend, bei denen letztlich weniger Büroarbeitsplätze als Büromitarbeiter vorhanden sind und/oder zugleich ein wesentlicher Teil der Büromitarbeiter mobil arbeitet. Häufig wird Desksharing daher zunächst nur in bestimmten Bereichen oder Abteilungen eingeführt, um das Konzept zu erproben und Erfahrungswerte zu nutzen.

Die Einführung im gesamten Betrieb ist aber nicht ausgeschlossen und dürfte gerade in kleineren Unternehmen oder in der Start-Up-Branche der unmittelbare Schritt sein. In Betrieben mit einem Betriebsrat sollte im Vorfeld auch berücksichtigt werden, dass ein solches Vorhaben auf (vermehrten) Widerstand stoßen und die erfolgreiche und langfristige Installation beeinflussen kann. Eine transparente Projektführung ist daher entscheidend.

Desksharing und mobiles Arbeiten gehen Hand in Hand

Reduzieren Arbeitgeber die Anzahl vorhandener Büroarbeitsplätze und führen in diesem Zusammenhang Desksharing ein, sind in arbeitsrechtlicher Hinsicht einige Aspekte zu beachten, die der Umsetzung solcher Maßnahmen durchaus gewisse Grenzen setzen können. 

So sollte die Reduktion der Anzahl der Büroarbeitsplätze erst dann erfolgen, wenn die Möglichkeit mobilen Arbeitens vom Arbeitgeber bereits ordnungsgemäß eingeführt worden ist und von den Arbeitnehmern tatsächlich auch rege genutzt wird. Denn wollen gleichzeitig mehr Arbeitnehmer im Büro arbeiten, als Büroarbeitsplätze vorhanden sind, setzt sich der Arbeitgeber dem Risiko des Annahmeverzugs aus, wenn Arbeitnehmer aufgrund des Fehlens von Büroarbeitsplätzen tatsächlich nicht arbeiten können. Der Arbeitgeber müsste dann trotz Ausbleibens der Arbeitsleistung die Vergütung zahlen und den Arbeitnehmern ggf. angefallene Kosten für die (sinnlosen) Fahrten zwischen Büro und Wohnort erstatten. Die Möglichkeit mobiler Arbeit verringert ein solches Risiko enorm, setzt aber voraus, dass stets eine ausreichende Anzahl an Arbeitnehmern tatsächlich mobil arbeitet. 

Bei der Entscheidung darüber, wie viele Büroarbeitsplätze reduziert werden, sollten Arbeitgeber daher unbedingt ihre Erfahrungswerte bezüglich der tatsächlichen, durchschnittlichen Belegung berücksichtigen. Wichtig ist hierbei allerdings zu beachten, dass Arbeitgeber mobile Arbeit in der Regel nicht einseitig anordnen können.

Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einführung und Ausgestaltung von Desksharing = keine Beteiligung?

Erhebliche Relevanz hat auch die Frage, ob und inwieweit Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Einführung und Ausgestaltung von Desksharing zu beachten sind.

Hinsichtlich der Einführung von Desksharing stehen dem Betriebsrat jedenfalls ein Unterrichtungs- sowie ein Beratungsrecht aus § 90 Abs. 1 bzw. 2 BetrVG zu. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat daher rechtzeitig unter Vorlage der (vorhandenen) erforderlichen Unterlagen über das beabsichtigte Desksharing-Konzept zu unterrichten und mit ihm über die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmer zu beraten. Auch die Beratung muss so rechtzeitig erfolgen, dass Vorschläge und Bedenken des Betriebsrats bei der Planung noch berücksichtigt werden können.

Die Einführung von Desksharing als solches begründet indes ebenso wenig wie die Reduzierung der Anzahl von Büroarbeitsplätzen ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (vgl. BAG, Urteil v. 17. November 2021 – 7 ABR 18/20). Betriebsräte können Desksharing daher weder wirksam durch eine Unterlassungsverfügung verhindern, noch kann Desksharing Gegenstand eines Spruchs der Einigungsstelle sein. Die Einführung von Desksharing ist insbesondere auch keine Betriebsänderung im Sinne der §§ 111 ff. BetrVG, begründet also keine Pflicht zur Verhandlung eines Interessenausgleichs und zum Abschluss eines Sozialplans.

Oftmals sind es aber – in der Praxis sinnvolle und den langfristigen „Erfolg“ einer solchen Arbeitsmethode sichernde – Begleitmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzeptes, die erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats begründen können. So unterliegt zunächst die Ausgestaltung mobiler Arbeit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG. Auch technische Einrichtungen zur Buchung konkreter Büroarbeitsplätze oder zur Erstellung eines Überblicks der Anzahl an belegten Büroarbeitsplätzen dürften der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegen, da diese Einrichtungen in aller Regel objektiv zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Arbeitnehmer geeignet sind. Auch sog. Clean-Desk-Policies können – jedenfalls soweit sie (auch) den Umgang mit privaten Gegenständen der Arbeitnehmer vorgeben – ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auslösen.

Zudem können im Zusammenhang mit Desksharing getroffene Maßnahmen des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer zu Mitbestimmungsrechten aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG führen, insbesondere wenn sie anlässlich von konkreten Gefährdungen erfolgen, die im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festgestellt worden sind und dem Arbeitgeber bei der Festlegung und Ausgestaltung von Maßnahmen ein Handlungsspielraum zusteht. Ein guter Ansatz könnte es daher sein, Desksharing in die jedenfalls seit Pandemiebeginn bereits bestehenden Hygienekonzepte so zu integrieren, ohne dass diese (mitbestimmungspflichtig) verändert werden.

Bei der Einführung von Desksharing empfiehlt sich ein zweigestuftes Vorgehen

Desksharing kann ein effektives Instrument sein, auf leerstehende Büros zu reagieren, den Energieverbrauch im Betrieb (und freilich auch laufende Kosten) zu senken und so einen Beitrag zum Umbau zum Green Office zu leisten.

Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung von Desksharing dürfte aber eine gewisse Beliebtheit mobiler Arbeit in der Belegschaft sein. Daher sind Unternehmen auch gut beraten, wenn sie zweigestuft vorgehen:

  1. Einführung und Erprobung von mobiler Arbeit,
  2. Ausarbeitung und Einführung eines Arbeitsplatzkonzeptes. 

Dabei sollte sich der Arbeitgeber auch seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit bewusst sein, denn Desksharing als solches unterliegt nicht der erzwingbaren Mitbestimmung des Betriebsrats. Planen Arbeitgeber jedoch ergänzende Maßnahmen, können ggf. Mitbestimmungsrechte bestehen. Dies gilt es auch bei der zeitlichen Planung zu berücksichtigen.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitsrecht Betriebsrat Desksharing Mitbestimmung modernes Arbeiten