Schafft die Einführung eines vom tatsächlichen Verwaltungssitz abweichenden Vertragssitzes für deutsche Personengesellschaften endlich mehr Gestaltungsfreiheit?
Auf den ersten Blick sind die Folgen auf internationaler Ebene nicht unbedingt erkennbar. Die mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) eingeführte Möglichkeit für Personengesellschaften, einen vom tatsächlichen Verwaltungssitz abweichenden sog. „Vertragssitz″ zu bestimmen (§ 706 BGB n.F.), hat jedoch durchaus internationale Auswirkungen.
Bisheriger Status quo: Keine deutsche Personengesellschaft mit Sitz im Ausland
Bislang haben deutsche Personengesellschaften nur einen Sitz, nämlich am tatsächlichen Ort der Geschäftsführung (Verwaltungssitz). Dort ist die Gesellschaft auch im Handelsregister eingetragen. Die Möglichkeit, einen von diesem Verwaltungssitz abweichenden weiteren Sitz, nämlich einen Vertragssitz zu bestimmen, war – anders als bei deutschen Kapitalgesellschaften – bisher nicht im Gesetz vorgesehen.
Internationale Relevanz der Neuregelung: Sitzverlegungen über die Grenze beeinflussen das auf Personengesellschaften anwendbare Recht
Gerade in grenzüberschreitenden Beteiligungsstrukturen kommt es vor, dass die Geschäfte einer deutschen Personengesellschaft aus dem Ausland heraus geführt werden sollen. Zunehmend wird auch anstelle einer deutschen GmbH als Komplementärin eine ausländische Kapitalgesellschaft eingesetzt, die ebenfalls aus dem Ausland heraus geführt werden soll. Derartige Konstellationen sind aber nach der bisherigen Rechtslage nicht ohne Weiteres möglich.
Der Grund dafür ist das internationale Privatrecht. Dies regelt, welches Recht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zur Anwendung kommt. Verlegt eine Personengesellschaft ihre Verwaltung ins Ausland, gibt es keinen Verwaltungssitz in Deutschland mehr. Das hat bisher in der Regel den Verlust der deutschen Rechtsform zur Folge. Denn das auf eine Personengesellschaft anwendbare Recht bestimmt sich nach der in Deutschland (noch) herrschenden Sitztheorie danach, in welchem Land die Personengesellschaft ihren Verwaltungssitz hat. Verlegt eine deutsche Personengesellschaft also ihren Verwaltungssitz ins Ausland, ändert sich das auf sie anwendbare Recht.
Je nachdem, wie das Recht des Zuzugsstaates mit dieser Situation umgeht, besteht die ehemals deutsche Personengesellschaft dann als Gesellschaft ausländischen Rechts fort oder muss im Zuzugsstaat neu gegründet werden; in Deutschland gilt sie im Zweifel als aufgelöst. Denn ohne inländischen Verwaltungssitz gibt es auch kein zuständiges Registergericht in Deutschland mehr. Damit war die Situation für Personengesellschaften bislang noch anders als bei Kapitalgesellschaften, für die gerade auch aufgrund europarechtlicher Einflüsse mehr Möglichkeiten bestehen, ins Ausland zu ziehen.
Ein Widerspruch bei der GmbH & Co. KG nach bisheriger Rechtslage: Die geschäftsführende GmbH darf ins Ausland ziehen, die KG selbst aber nicht
Gerade im Fall der GmbH & Co. KG konnte dies zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Denn der GmbH wurde es schon im Zuge des MoMiG im Jahr 2008 erlaubt, einen vom Verwaltungssitz abweichenden Satzungssitz zu wählen. Die Komplementärin einer deutschen GmbH & Co. KG kann daher schon bislang in vielen Fällen im Ausland ansässig sein und dort ihre Verwaltung haben, solange sie ihren Satzungssitz in Deutschland behält.
Die Geschäfte der KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin sie ist, konnte die GmbH mit ausländischem Verwaltungssitz aber nicht ohne Weiteres führen. Das würde nämlich zu einer gleichzeitigen Verlegung des Verwaltungssitzes auch der KG ins Ausland und damit zu einem Verlust der Rechtsform der deutschen KG führen. Vor allem für Kommanditgesellschaften mit ausländischer Komplementärin (z.B. B.V. & Co. KG) ist das in der Praxis ein erhebliches Risiko.
Neuregelung durch das MoPeG –Vertragssitz auch für Personengesellschaften
An dieser Rechtslage wird sich nun mit dem Jahreswechsel durch das MoPeG etwas ändern.
Auch Personengesellschaften dürfen dann einen vom tatsächlichen Verwaltungssitz abweichenden sog. „Vertragssitz″ an einem Ort im Inland vereinbaren. Dieser Vertragssitz gilt dann als Sitz der Gesellschaft und bestimmt insbesondere auch das zuständige Registergericht. Der Verwaltungssitz kann hiervon getrennt sein und ausdrücklich auch im Ausland liegen. Damit soll ein Gleichlauf mit den für deutsche Kapitalgesellschaften geltenden Regelungen erreicht werden.
Trotz Einführung des Vertragssitzes: Rechtlich sichere Sitzverlegung von Personengesellschaften ins Ausland nur bei Anerkennung nach dem Recht vor Ort
Zwar erlaubt der Gesetzgeber damit erstmals grundsätzlich die Verlegung des Verwaltungssitzes von Personengesellschaften ins Ausland. Unklar bleibt aber, wie weit der internationale Gehalt der Neuregelung gehen soll: Kann eine deutsche Personengesellschaft zukünftig ihren Verwaltungssitz in jedes beliebige Land verlegen? Gilt tatsächlich nur noch das deutsche Gründungsrecht oder spielt die rechtliche Bewertung am Verwaltungssitz noch ergänzend eine Rolle? Was passiert, wenn die deutsche Gesellschaft am (neuen) Verwaltungssitz im Ausland nicht als deutsche Gesellschaft anerkannt wird?
Schon bei Kapitalgesellschaften ist dies seit Langem umstritten. Progressive Stimmen gehen davon aus, dass Kapitalgesellschaften in Europa ihren Verwaltungssitz überall wählen können, ohne die deutsche Rechtsform zu verlieren. Restriktivere Juristen und bisher auch die meisten Gerichte machen zahlreiche Einschränkungen und kommen oft im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen, die sich teilweise auch kaum mehr miteinander vereinbaren lassen. Dieses Problem wird sich in vergleichbarer Weise künftig wohl auch bei Personengesellschaften stellen.
Für die Praxis bedeutet dies, dass auch in Zukunft Personengesellschaften nicht völlig frei ins Ausland ziehen können. Vielmehr kann ein Wegzug von deutschen Personengesellschaften ins Ausland rechtssicher nur dorthin erfolgen, wo deutsche Gesellschaften als solche anerkannt werden. Das sind insbesondere verschiedene EU- oder EWR-Staaten (insbesondere die Niederlande und Liechtenstein), aber beispielsweise auch Staaten, mit denen andere völkerrechtliche Verträge über die Anerkennung von Gesellschaften bestehen (z.B. USA). Mit anderen Worten: ein Wegzug ins Ausland wird auch nach Inkrafttreten des MoPeG nur in die Länder möglich sein, in denen das anwendbare Recht sich nach dem Gründungsort bestimmt. Die Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes in einen Staat, der (wie Deutschland) das anwendbare Recht nach dem Verwaltungssitz bestimmt, bleibt dagegen auch in Zukunft unsicher und kann dazu führen, dass die Gesellschaft nach deutschem Recht aufzulösen ist.
Jeder, der eine Verlegung der Geschäftsführung ins Ausland (ggf. auch unter Einsatz einer ausländischen Kapitalgesellschaft als Komplementärin) in Betracht zieht, muss daher nach wie vor genau prüfen, „wohin die Reise geht″ und welche Gestaltungsmöglichkeiten oder Hindernisse dort bestehen.
Fazit: Die Einführung eines Vertragssitzes für deutsche Personengesellschaften bietet neue Möglichkeiten für grenzüberschreitende Gestaltungen
Mit der im MoPeG vorgesehenen Neuregelung werden die Gestaltungsmöglichkeiten international agierender Personengesellschaften ein großes Stück vorankommen. Grenzüberschreitende Beteiligungsstrukturen werden erleichtert und auch in den Fällen, in denen unklar ist, aus welchem Staat die Geschäfte schwerpunktmäßig geführt werden, kann nun mit mehr Rechtssicherheit agiert werden. Vor allem die GmbH & Co. KG wird von den neuen Gestaltungsmöglichkeiten profitieren können. Durch die Möglichkeit, den Verwaltungssitz ins Ausland zu verlegen, wird es im Ergebnis auch leichter sein, eine ausländische Kapitalgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin einzusetzen. Die Gelegenheit, das gesellschaftsrechtliche IPR weitergehend zu reformieren, hat der Gesetzgeber indes erneut ungenutzt gelassen. Dennoch, mit dem MoPeG wurde ein entscheidender Schritt zum grenzüberschreitenden Einsatz deutscher Personengesellschaften getan. Weitere werden hoffentlich bald folgen!
Die Öffnung der Personenhandelsgesellschaften für Freiberufler und weitere Themen werden wir in unserer Blogreihe erörtern. Gestartet sind wir mit einer Übersicht zum Regierungsentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, den Änderungen im Recht der GbR sowie dem Gesellschaftsregister.