Restrukturierungsbeauftragte stellen ein wichtiges Instrument der Restrukturierungsrichtlinie dar; sie enthält hierzu Regelungen im Wesentlichen in Art. 26 und 27.
Die Regelungen über Restrukturierungsbeauftragte sind in Titel IV der Restrukturierungsrichtlinie als „Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs- Insolvenz- und Entschuldungsverfahren″ untergebracht und stellen neben Titel II („Präventive Restrukturierungsrahmen″) und Titel III („Entschuldung und Tätigkeitsverbote″) einen der drei Hauptteile dar.
Den Vorschriften lag die Überlegung zugrunde, dass Restrukturierungsverfahren in manchen Mitgliedstaaten zu langwierig, ineffizient und kostenintensiv sind. Dies sollen die neuen Regelungen ändern und die Qualität der Ergebnisse deutlich verbessern.
Restrukturierungsbeauftragte und Verwalter zur Unterstützung der präventiven Restrukturierung eines Unternehmens
Die neue Restrukturierungsrichtlinie verwendet zum einen den Begriff des „Verwalters im Bereich Restrukturierung, Insolvenz und Entschuldung″ (nachfolgend: Verwalter) und zum anderen den Begriff des sog. „Restrukturierungsbeauftragten″. In beiden Fällen handelt sich um Personen, die von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde zum Zwecke der Unterstützung einer präventiven Restrukturierung bestellt werden. Es ist anzunehmen, dass beide Begrifflichkeiten auf dieselbe Zielgruppe professioneller Restrukturierer abzielen, für die sich mit der Restrukturierungsrichtlinie ein weiteres Betätigungsfeld eröffnet. In der Praxis ist hier insbesondere mit neuen Aufgaben für Unternehmensberater und Rechtsanwälte zu rechnen.
Wann Restrukturierungsbeauftragte zu bestellen sind, legt die Restrukturierungsrichtlinie nicht abschließend fest. Sie sieht in Art. 5 aber jedenfalls eine zwingende Bestellung bei der Ausarbeitung des Restrukturierungsplans für den Fall der Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen vor, sofern der Restrukturierungsbeauftragte dann für die Wahrung der Interessen der Parteien erforderlich ist. Eine zwingende Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragen ist weiter für den Fall, dass der Schuldner oder die Mehrheit der Gläubiger die Bestellung beantragen und die Kosten hierfür übernehmen, sowie für den Fall des sog. „klassenübergreifenden Cram-Down″ (d.h. die mehrheitsrechtliche Durchsetzung eines Restrukturierungsplans gegen den Willen einzelner Gläubiger) vorgesehen. Darüber hinaus stellt es die Restrukturierungsrichtlinie den Mitgliedstaaten frei, weitere zwingende Fälle für die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten vorzusehen, beispielsweise, wenn der Restrukturierungsplan Maßnahmen enthält, die Arbeitnehmerrechte berühren oder bei kriminellem oder schädigendem Verhalten der Schuldnerin oder ihrer Unternehmensleitung.
Sofern ein Restrukturierungsbeauftragter bestellt ist, liegt seine Aufgabe darin begründet, Schuldner und Gläubiger bei der Ausarbeitung und Aushandlung eines Restrukturierungsplans zu unterstützen, die Tätigkeit des Schuldners während dieser Verhandlungen zu überwachen und für die entsprechende Berichterstattung an Justiz- oder Verwaltungsbehörden zu sorgen. Er kann auch teilweise die Kontrolle über die Vermögenswerte oder Geschäfte des Schuldners während der Verhandlungen übernehmen.
Die Restrukturierungsrichtlinie ermöglicht es dem Restrukturierungsbeauftragten weiter, die Aussetzung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen zu beantragen, zu verlängern oder aufheben zu lassen. Ferner ist es seine Aufgabe, Restrukturierungspläne zu begründen oder deren Begründung zu bestätigen. Auch eine eigenständige Vorlage von Restrukturierungsplänen durch Restrukturierungsbeauftragte können die Mitgliedstaaten vorsehen.
Alles in allem überlässt es die Restrukturierungsrichtlinie daher weitgehend den Mitgliedstaaten, die Aufgaben der Restrukturierungsbeauftragten und der Verwalter auszugestalten und die Fälle der Bestellung festzulegen.
Verfahren und Voraussetzungen für die Bestellung als Verwalter
Die Restrukturierungsrichtlinie legt kein zwingendes Verfahren für die Bestellung von Verwaltern fest. Sie verlangt lediglich, dass die Mitgliedstaaten ein klares, transparentes und faires Verfahren einführen und dass sowohl Schuldner als auch Gläubiger zur Vermeidung von Interessenkonflikten die Ablehnung eines Verwalters oder Neubesetzung verlangen können. Ob die Bestellung dann anhand einer Liste, eines Pools oder des Zufallsprinzips erfolgt, ist völlig offen und den Mitgliedstaaten überlassen.
Diese müssen jedoch ausdrücklich dafür sorgen, dass die Verwalter eine angemessene Ausbildung erhalten und die für ihre Zuständigkeit notwendige Sachkunde sowie die für eine Absicherung erforderliche Berufshaftpflichtversicherung haben. Die entsprechende Ausbildung kann dabei beispielsweise Berufsverbänden oder sonstigen Einrichtungen übertragen werden. Neue Berufe oder Befähigungsnachweise nach nationalem Recht verlangt die Restrukturierungsrichtlinie indessen nicht.
Da es sich bei Verwaltern in Deutschland häufig um Rechtsanwälte handelt, wäre es beispielsweise denkbar, eine neue Fachanwaltschaft für Restrukturierung zu schaffen oder die bestehende Fachanwaltschaft für Insolvenzrecht zu erweitern. Auch Abstufungen in den Anforderungen sind denkbar. Diese könnten einerseits an der jeweiligen Aufgabe oder aber an der Komplexität des Sachverhalts orientiert sein. So muss ein Verwalter, der allein die Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan unterstützt, nicht dieselben Anforderungen erfüllen wie ein Verwalter, der beispielsweise die Kontrolle über das Vermögen und die Angelegenheiten des Schuldners übernimmt.
Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten wird die Erforderlichkeit der entsprechenden Sachkunde besonders hervorgehoben. Hierzu zählen zum einen das Verfügen über die notwendigen Sprachkenntnisse, zum anderen das Verfügen über die notwendigen personellen und administrativen Ressourcen, um komplexe Fälle zu übernehmen.
Regelungen zur Überwachung und Vergütung von Verwaltern
Die Restrukturierungsrichtlinie verlangt von den Mitgliedstaaten die Etablierung von Aufsichts- und Regulierungsmechanismen, die sicherstellen, dass die Verwalter ihre Aufgaben wirksam, sachkundig, unparteiisch und unabhängig erbringen. Fehlverhalten muss entsprechend sanktioniert werden, beispielsweise durch die Kürzung der Vergütung, die Streichung von der Liste oder aus dem gerichtlichen Insolvenzverwalterpool, durch Disziplinar- oder Verwaltungssanktionen sowie durch strafrechtliche Sanktionen. Aufgrund der Sachnähe wäre in Deutschland hier das Insolvenzgericht als zuständige Stelle denkbar.
Auch das Thema der Vergütung der Verwalter spricht die Restrukturierungsrichtlinie an. Hier zeigt sich ein besonderes Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse der Verwalter an einer angemessenen Vergütung unter Berücksichtigung ihrer Ausbildung und der vorzuhaltenden Ressourcen einerseits und dem Interesse der Gläubiger am effizienten Abschluss des Verfahrens andererseits. Die Restrukturierungsrichtlinie schreibt den Mitgliedstaaten daher vor, dass sowohl Vorschriften für die Vergütung der Verwalter als auch geeignete Verfahren, um Streitigkeiten hierüber beizulegen, im Interesse aller zwingend etabliert werden müssen.
Die Orientierung der Vergütung am Wert der Insolvenzmasse, wie sie im deutschen Recht für den Insolvenzverwalter vorgesehen ist, stellt hier kein geeignetes Vorbild dar. Zum einen wird sich die Höhe der (liquidierten) Vermögenswerte des Schuldners nicht ermitteln lassen, da es gerade kein Insolvenz- und damit Gesamtvollstreckungsverfahrens geben soll. Zum anderen bieten die bisherigen Regelungen im deutschen Recht derzeit keine Anreize zur zügigen Verfahrensbearbeitung, was im Bereich der präventiven Restrukturierung jedoch besonders wichtig ist.
Der weite Regelungsspielraum der Restrukturierungsrichtlinie – Gefahr oder Chance?
Ein wesentliches Ziel der Restrukturierungsrichtlinie ist es, einheitliche Regelungen für die präventive Restrukturierung innerhalb Europas zu schaffen, um insbesondere den Missbrauch und das Ausnutzen von Regelungslücken zu verhindern. Allerdings legt die Restrukturierungsrichtlinie die Ausgestaltung eines präventiven Restrukturierungsrahmens an vielen Stellen in die Hände der Mitgliedstaaten. Sie gibt außerhalb der Erwägungsgründe kaum praktische Handlungsanweisungen oder Umsetzungsbeispiele vor. Den Mitgliedstaaten verbleibt hier ein weiter Handlungsspielraum hinsichtlich des „Ob″ und des „Wie″ der Umsetzung. Dies zeigt sich insbesondere bei den Regelungen zu Restrukturierungsbeauftragten und Verwaltern.
Für Deutschland besteht die Chance, an sein bisher im gesamteuropäischen Vergleich gutes Regelungssystem anzuknüpfen und diesen Standard insolvenzrechtlicher Regelungen, auch in den Bereich der präventiven Restrukturierung zu übertragen. Die konkrete Umsetzung in Deutschland und den anderen Mitgliedstaaten und die Frage, ob sich diese Regelungen auch in der Praxis bewähren werden, bleibt jedoch abzuwarten.
Der Beitrag ist Teil unserer Blogreihe zum Präventiven Restrukturierungsrahmen. Es erschien bereits ein Beitrag zu den Pflichten der Unternehmensleitung sowie zum Schutz von Finanzierungen und Finanzierungsgebern.