22. Mai 2019
Restrukturierung Schutz Finanzierung
Präventive Restrukturierung

Schutz von Finanzierungen und Finanzierungsgebern nach der Restrukturierungsrichtlinie

Art. 17 und 18 der Restrukturierungsrichtlinie sollen die Geber von sogenannten neuen Finanzierungen, Zwischenfinanzierungen und sonstigen Transaktionen schützen.

Laut den Erwägungsgründen der Restrukturierungsrichtlinie soll der Schutz von Finanzierungen der Aushandlung und Umsetzung eines Restrukturierungsplans dienen. Mit den Regelungen der Restrukturierungsrichtlinie soll dazu beigetragen werden, Missbrauch dieses Schutzes zu vermeiden und zugleich die richtigen Anreize für Finanzierer zu setzen.

Finanzierungstypen in Art. 17: neue Finanzierung und Zwischenfinanzierung

Art. 17 schützt neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen davor, dass sie in einem späteren Insolvenzverfahren für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar erklärt werden, weil die Finanzierung die Gesamtheit der Gläubiger benachteilige.

Bei einer neuen Finanzierung handelt es sich um eine von einem bestehenden oder einem neuen Gläubiger zur Umsetzung eines Restrukturierungsplans bereitgestellte neue finanzielle Unterstützung, die in dem Restrukturierungsplan enthalten ist. Der Begriff der finanziellen Hilfe soll weit zu verstehen sein. So sollen beispielsweise die Bereitstellung von finanziellen Mitteln oder Bürgschaften Dritter sowie von Waren und Vorräten oder auch die Gewährung eines längeren Rückzahlungszeitraums erfasst sein.

Die neue Finanzierung ist unmittelbar mit einem Restrukturierungsplan verknüpft (Art. 10). Wenn der Restrukturierungsplan eine neue Finanzierung enthält, ist dieser nur verbindlich, wenn er von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt wurde. Dies setzt voraus, dass die neue Finanzierung zur Umsetzung des Restrukturierungsplans erforderlich ist und die Interessen der Gläubiger nicht in unangemessener Weise benachteiligt.

Eine Zwischenfinanzierung liegt dagegen vor, wenn

  • eine neue finanzielle Unterstützung mindestens während der Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen gewährt wird und
  • die Finanzierung angemessen und
  • unverzüglich notwendig ist, damit das Unternehmen des Schuldners seinen Betrieb fortsetzen kann oder um den Wert dieses Unternehmens zu erhalten oder zu steigern.

Sie hat überbrückenden Charakter und steht nicht in direktem Zusammenhang mit einem Restrukturierungsplan. Vielmehr dürfte eine Zwischenfinanzierung in einem früheren Stadium Anwendung finden, beispielsweise, um dem Schuldner bis zur Vorlage eines Sanierungsgutachtens oder bis zur Entwicklung eines Restrukturierungsplans die notwendige Liquidität zu verschaffen.

Erwägungsgrund 68 führt hierzu an, dass die Parteien bei einer Zwischenfinanzierung nicht wissen, ob der Restrukturierungsplan schließlich bestätigt wird oder nicht und sieht weiter vor, dass nur Finanzierungen geschätzt werden sollten, die für die Fortsetzung des Betriebs oder das Überleben oder die Steigerung und Erhaltung des Wertes des Unternehmens bis zur Bestätigung des Plans erforderlich sind. Mit einer Zwischenfinanzierung soll daher das Scheitern einer Planbestätigung aufgrund fehlender Liquidität verhindert werden.

Schutz der Finanzierungsleistung: Keine Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder fehlende Vollstreckbarkeit

Art. 17 schützt neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen davor, dass sie in einem späteren Insolvenzverfahren für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar erklärt werden, weil die Finanzierung die Gesamtheit der Gläubiger benachteilige. Dies geschieht unbeschadet zusätzlicher nationaler Gründe. Als Beispiele werden in den Erwägungsgründen Betrug, Bösgläubigkeit und Interessenskonflikte bei Transaktionen zwischen nahestehenden Parteien oder Anteilsinhabern genannt.

Damit sieht die Restrukturierungsrichtlinie einen Schutz vor einer späteren Insolvenzanfechtung vor, die in der deutschen Insolvenzordnung (InsO) in den §§ 129 ff. InsO geregelt ist. Da das Insolvenzanfechtungsrecht der InsO hauptsächlich an Rechtshandlungen des Schuldners anknüpft und bestimmt, dass die hieraus resultierenden anfechtbaren Leistungen zurück zur Insolvenzmasse gewährt werden müssen (§ 143 InsO), wäre der Bezugspunkt in diesem Fall die Rechtshandlung des Schuldners, die Finanzierung wieder an die Bank bzw. den Finanzierungsgeber zurück zu gewähren.

Das deutsche Insolvenzanfechtungsrecht sieht mehrere Gründe vor, aufgrund derer eine Leistung zurückgefordert werden kann. Der deutsche Gesetzgeber wird deshalb auch hier genau definieren müssen, welche Gründe nun vom Schutz erfasst sein sollen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürfte die Insolvenzanfechtung bei einer kongruenten Deckung erfasst sein. Diese greift bei einer Rückzahlung der Finanzierungsleistung innerhalb von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag, wenn der Schuldner zahlungsunfähig war und der Gläubiger Kenntnis hiervon hatte.

Ob auch die sogenannte Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO), nach der Rückzahlungen des Schuldners, die dieser mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen zurück gefordert werden können, umfasst ist, bleibt abzuwarten – insbesondere mit Blick auf die genannten Ausnahmen (Betrug, Bösgläubigkeit und Interessenkonflikte). Bei der Vorsatzanfechtung kann der Insolvenzverwalter Zahlungen, die innerhalb der letzten vier Jahren vor dem Eröffnungsantrag unter den entsprechenden Voraussetzungen geleistet wurden, zurückfordern, sodass das Bedürfnis nach Klarstellung hier besonders hoch ist.

Weitere offene Punkte: Gesellschafterdarlehen und zivilrechtliche Nichtigkeit

Ebenso ist noch offen, ob Gesellschafterdarlehen, deren Gläubiger nach der InsO im Insolvenzverfahren nach allen anderen Gläubigern befriedigt werden (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) und für die die InsO im Zusammenhang mit einem Anteilserwerb zum Zwecke der Sanierung eine Ausnahme vorsieht (§ 39 Abs. 4 S. 2 InsO), unter den Begriff der neuen Finanzierung oder der Zwischenfinanzierung fallen. Insbesondere für die Restrukturierung im Konzern hätte dies möglicherweise vorteilhafte Auswirkungen für die Muttergesellschaft. Das darf freilich nicht dazu führen, dass eine präventive Restrukturierung hierdurch für übrige Gläubiger unattraktiv wird.

Da der BGH in einer aktuellen Entscheidung zum Bargeschäftsprivileg die aus dem alten Kapitalersatzrecht übernommene Finanzierungsfolgenverantwortung der Gesellschafter und die Beachtung des Risikogleichgewichts zwischen Gesellschaftern und sonstigen Gesellschaftsgläubigern betont hat (vgl. BGH, Teilversäumnis- und Endurteil v. 14. Februar 2019 – IX ZR 149/16), bleibt abzuwarten, wie sich der deutsche Gesetzgeber hier positionieren wird. Denn aus den genannten Grundsätzen folgt die in § 39 InsO festgesetzte Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehensforderungen. Die Restrukturierungsrichtlinie sieht in Art. 17 Abs. 4 eine Möglichkeit für die Mitgliedsstaaten vor, Finanzierungsgeber bei der Verteilung zu privilegieren. Dies würde im Widerspruch zu der vom BGH betonten Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen stehen.

Ebenso sollte der deutsche Gesetzgeber klarstellen, ob auch eine zivilrechtliche Nichtigkeit, die vom Wortlaut der Restrukturierungsrichtlinie noch erfasst ist, unter die Vorschriften der Restrukturierungsrichtlinie fällt. Nach deutschem Recht regeln die Sondervorschriften des Insolvenzanfechtungsrechts die Rechtsfolgen einer Gläubigerbenachteiligung grundsätzlich abschließend. Zivilrechtliche Nichtigkeitsgründe wie beispielsweise die Sittenwidrigkeit wegen Gläubigerbenachteiligung sind nur einschlägig, wenn das Rechtsgeschäft besondere, über die Gläubigerbenachteiligung hinausgehende Umstände aufweist. In einem solchen Fall dürfte eine Privilegierung mit dem Zweck der Restrukturierungsrichtlinie nicht mehr zu vereinbaren sein und der Schutz könnte aufgrund dieses nach nationalem Recht vorgesehenen Grundes (vgl. Art. 17 Abs. 1 a. E.) letztlich entfallen.

Option für Mitgliedsstaaten: Schutz nur bei Bestätigung oder Ex-ante-Kontrolle

Art. 17 Abs. 2 und 3 sehen die Möglichkeit für Mitgliedsstaaten vor, neue Finanzierungen nur zu schützen, wenn der Restrukturierungsplan von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt wurde. Ebenso können die Mitgliedsstaaten wählen, Zwischenfinanzierungen nur zu schützen, wenn sie einer Ex-ante-Kontrolle unterlagen. Eine Ex-ante-Kontrolle soll nach den Erwägungsgründen von einem Restrukturierungsbeauftragen, einem Gläubigerausschuss oder einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde durchgeführt werden. Zudem können Mitgliedsstaaten den Schutz von Zwischenfinanzierungen ausschließen, wenn Zahlungsunfähigkeit des Schuldners vorliegt. Da nach der InsO dann ein Insolvenzgrund besteht und der Überbrückungsgedanke der Zwischenfinanzierung dann verloren gegangen ist, erscheint diese Option zweckmäßig.

Haftungsfreistellung für Gewährer der Finanzierung („safe harbour″)

Art. 17 Abs. 1 lit. b sieht vor, dass die Geber vor neuen Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen keiner zivil-, verwaltungs- oder strafrechtlichen Handlung unterliegen, weil die Finanzierung die Gläubiger benachteilige. Die alte Fassung des Richtlinienentwurfs bestimmte noch eine Ausnahme für Betrug oder Bösgläubigkeit des Finanzierungsgebers. Die jetzige Richtlinienfassung überlässt die weitere Ausgestaltung von Ausnahmen dem nationalen Gesetzgeber.

Finanzierungstyp in Art. 18: Sonstige Transaktion

Die sonstige Transaktion muss „angemessen und unmittelbar notwendig″ für die Aushandlung eines Restrukturierungsplan sein (Art. 18). Sie unterliegt demselben Schutz wie die neue Finanzierung und die Zwischenfinanzierung, darf also nicht für nichtig, anfechtbar oder nicht vollstreckbar erklärt werden, weil sie die Gläubiger benachteilige. Allerdings sind die Finanzierungsgeber nicht von dem „safe harbour″ des Art. 17 Abs. 1 lit. b umfasst.

Als Beispiele für eine sonstige Transaktion nennt Art. 18 Abs. 2  die Zahlung von Gebühren und Kosten für die Aushandlung, Annahme oder Bestätigung eines Restrukturierungsplans, für die Inanspruchnahme professioneller Beratung in engem Zusammenhang mit der Restrukturierung, die Zahlung von Arbeitnehmerlohn für bereits geleistete Arbeit und von anderen Zahlungen im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb.

Die Mitgliedsstaaten können auch hier vorsehen, dass der Schutz nur gilt, wenn der Plan von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörde bestätigt wurde oder wenn die Transaktion einer Ex-ante-Kontrolle unterlag. Ebenso können die Mitgliedsstaaten den Schutz versagen, wenn Zahlungsunfähigkeit besteht.

Die Vorschriften zur sonstigen Transaktion sind zweckmäßig. Erfreulicherweise wurden ungenauere Formulierungen der alten Fassung der Restrukturierungsrichtlinie, die möglicherweise Anlass zu Missbrauch geboten hätten, in dieser endgültigen Fassung gestrichen.

Fazit: Zweckmäßig, aber zum Teil noch Klärungsbedarf

Die Vorschriften zum Schutz bestimmter Finanzierungsleistungen und der Finanzierungsgeber, die der Erstellung und Umsetzung eines Restrukturierungsplans dienen sollen, sind zweckmäßig. Aufgrund des komplexen deutschen Insolvenzanfechtungsrechts sind allerdings noch einige Klarstellungen des deutschen Gesetzgebers bei der Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie erforderlich.

Der Beitrag ist Teil unserer Blogreihe zum Präventiven Restrukturierungsrahmen. Es erschien bereits ein Beitrag zu den Moratorien und zu den Restrukturierungsplänen. Anschließend haben wir uns mit den Pflichten der Unternehmensleitung, dem Schutz von Finanzierungen und Finanzierungsgebern sowie den Restrukturierungsbeauftragten und Verwaltern befasst. Zuletzt sind wir auf die Entschuldung insolventer Unternehmer eingegangen.

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