15. November 2022
Green Claim Greenwashing Richtlinie
Environment and Climate Change (ESG)

Kommission nimmt Greenwashing ins Visier!

Die teils ausufernde Verwendung von umweltbezogenen Werbeaussagen (sog. „Green Claims“) unterliegt bald strengeren gesetzlichen Regelungen.

Mit ihrem Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen (Richtlinienvorschlag) zielt die Kommission auf einen besseren Schutz der Verbraucher vor einer Täuschung über die ökologischen und sozialen Auswirkungen, Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten ab. 

Hintergrund: Richtlinienvorschlag zur Stärkung der Verbraucher und Möglichkeit zur Kosteneinsparung

Der Richtlinienvorschlag beruht auf den Initiativen der neuen Verbraucheragenda sowie des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft und stellt eine Folgemaßnahme des europäischen „Green Deals“ dar. Mit ihr soll die Position der Verbraucher gestärkt und Möglichkeiten zur Kosteneinsparungen als wichtiger Baustein einer nachhaltigen Produktpolitik geschaffen werden.

Der Erreichung dieser Ziele dient die Bereitstellung besserer Informationen für Verbraucher über die Haltbarkeit und Reparierbarkeit bestimmter Produkte vor Vertragsschluss und die Verbesserung des Schutzes der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken, durch die ihre Entscheidung zugunsten nachhaltiger Produkte verhindert werden. Eine neuere Studie der Kommission zur Bewertung von 150 Umweltaussagen hatte gezeigt, dass ein wesentlicher Teil (53,3%) vage, irreführende oder unbegründete Informationen über die Umwelteigenschaften der Produkte enthielt, wobei dies sowohl für die Werbung als auch die Angaben auf dem Produkt selbst galt. Auch jüngste Untersuchungen durch Behörden des Netzwerks für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz mit dem Ziel der Aufdeckung irreführende Umweltaussagen hatte zum Ergebnis, dass bei den Vorschriften zum Schutz der Verbraucher Verbesserungsbedarf besteht.  

Ökologische und soziale Aspekte als wesentliche Merkmale 

Zu den mit dem Richtlinienvorschlag nun zur Diskussion gestellten Anpassungen zählt unter anderem, dass die ökologischen und sozialen Auswirkungen, Haltbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten zukünftig in Art. 6 Abs. 1 lit. b) der Richtline 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) explizit als wesentliches Merkmal eines Produkts genannt sind, über die eine Geschäftspraxis irreführen kann. Diese Klarstellung ist zu begrüßen. Eine wesentliche Änderung dürfte damit aber kaum verbunden sein. Die Auflistung in Art. 6 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ist ohnehin nicht abschließend gemeint und auch schon unter der aktuellen Gesetzeslage hält die Rechtsprechung entsprechende Merkmale grundsätzlich für wesentlich, so dass falsche Angaben hierzu regelmäßig zu einer Irreführung des Durchschnittsverbrauchers geeignet sind.   

Irreführung durch Werbung mit künftigen Umweltleistungen

Der Richtlinienvorschlag lässt es aber hierbei nicht bewenden, sondern bringt auch eine Vielzahl weitere Regelungen mit sich. So nimmt er etwa Angaben über künftige Umweltleistungen in den Blick. 

Unter künftigen Umweltaussagen versteht die Kommission umweltbezogene, insbesondere klimabezogene, Angaben von Gewerbetreibenden, mit denen diese zum Zeitpunkt der Werbung lediglich geplante oder erst in der Umsetzung befindliche Maßnahmen sowie zukünftig zu erreichende Ziele zum Gegenstand werblicher Kommunikation machen. Hierzu gehören etwa Aussagen wie „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2025 unsere CO2-Emissionen um 50% zu reduzieren“ oder „Wir verpflichten derzeit unsere Lieferanten dazu, ab 2024 vollständig auf den Einsatz von Plastik für die Herstellung unserer Produkte zu verzichten“. Nach dem Richtlinienvorschlag sollen als neuer Art. 6 Abs. 2 lit. d) der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken entsprechende Umweltaussagen demnächst irreführend sein, wenn sie 

ohne klare, objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele sowie ohne ein unabhängiges Überwachungssystem

erfolgen und sie – als allgemeine Vorrausetzung von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken – im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen oder zu veranlassen geeignet sind, die er ansonsten nicht getroffen hätte. 

Enge Grenzen für die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln

Markanteste vorgeschlagene Neuerung dürfte sein, dass die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln zukünftig stärker reglementiert wird. Zu diesem Zweck soll Anhang I der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, in dem bestimmte typische und aus Verbrauchersicht besonders bedenkliche Geschäftspraktiken gelistet sind und die unter allen Umständen als unlauter gelten, um eine neue Nr. 2a ergänzt werden. Danach wäre das Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels, das nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurde, per se unlauter. Die notwendigen Definitionen der Begriffe „Nachhaltigkeitssiegel“ und „Zertifizierungssystem“ sowie Anforderungen an Zertifizierungssysteme liefert der Richtlinienvorschlag dabei gleich mit. Unter einem Nachhaltigkeitssiegel versteht der Richtlinienvorschlag 

ein freiwilliges öffentliches oder privates Vertrauenssiegel, Gütezeichen oder Ähnliches, mit dem Ziel, ein Produkt, ein Verfahren oder ein Unternehmen in Bezug auf seine ökologischen oder sozialen Aspekte oder beides hervorzuheben oder zu fördern

wobei „verpflichtende Kennzeichnungen, die nach Unionsrecht oder nationalem Recht vorgeschrieben sind“ ausgenommen sind. Mit „Zertifizierungssystem“ meint der Richtlinienvorschlag 

ein System der Überprüfung durch Dritte, das allen Gewerbetreibenden, die bereit und in der Lage sind, die Anforderungen des Systems zu erfüllen, unter transparenten, lauteren und diskriminierungsfreien Bedingungen offensteht und durch das zertifiziert wird, dass ein Produkt bestimmte Anforderungen erfüllt, und bei dem die Überwachung der Einhaltung der Anforderungen objektiv ist, auf internationalen, Unions- oder nationalen Normen oder Verfahren basiert und von einer Partei durchgeführt wird, die vom Eigentümer des Systems und dem Gewerbetreibenden unabhängig ist.  

Für Unternehmen bedeutet dies, dass die Verwendung selbsterstellter Zeichen oder Logos, mit denen umweltbezogene Eigenschaften eines Produkts werblich herausgestellt werden, schon im Ansatz nicht mehr zulässig wären. „Produkt“ ist dabei im Sinne der Definition in Art. 2 lit. c) der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken zu lesen. Mithin würde die neue Regelung für „jede Ware oder Dienstleistung, einschließlich Immobilien, digitaler Dienstleistungen und digitaler Inhalte, sowie Rechte und Verpflichtungen“ und – da in der Definition von „Nachhaltigkeitssiegel“ separat erwähnt – auch Verfahren und das Unternehmen des Werbenden als solches gelten.

Einschränkungen für unspezifische Umweltaussagen und Werbung mit allgemeingültigen Vorteilen

Darüber hinaus soll der Kanon der „Per Se“-Verbote nach Anhang I der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken um weitere Geschäftspraktiken mit Bezug zu Umweltaussagen ergänzt werden, wobei der Richtlinienvorschlag flankierend hierzu zusätzliche, neu in die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken aufzunehmende Begriffsdefinitionen enthält. 

So soll unter anderem als neue Nr. 4a das

Treffen einer allgemeinen Umweltaussage, bei der der Gewerbetreibende für die anerkannte hervorragende Umweltleistung, auf die sich die Aussage bezieht, keine Nachweise erbringen kann, 

zukünftig unzulässig sein. Dabei fällt der Richtlinienvorschlag in diesem Punkt allerdings unnötig kompliziert aus, da im Zusammenspiel mit den Definitionen von „allgemeine Umweltaussage“, „ausdrückliche Umweltaussage“ und „anerkannte hervorragende Umweltleistung“ sowie der in letzterer erfolgenden Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 66/2010 über das EU-Umweltzeichen und den dort definierten Begriff der „Umweltleistung“ (= „das Ergebnis der Gestaltung der Merkmale eines Produkts, die Umweltauswirkungen verursachen, durch den Hersteller“) die Reichweite dieses neuen Verbots unklar bleibt. In Verbindung mit Erwägungsgrund (9) des Richtlinienvorschlags dürfte wohl gemeint sein, dass eine unlautere Geschäftspraxis immer dann vorliegt, wenn die in Textform erfolgende allgemeine Umweltaussage nicht auf demselben Medium klar und in hervorgehobener Weise spezifiziert wird oder nicht als anerkannte hervorragende Umweltleistung nachgewiesen ist. Als Beispiele für allgemeine Umweltaussagen nennt der Richtlinienvorschlag „umweltfreundlich“, „umweltschonend“, „öko“, „grün“, „naturfreundlich“, „ökologisch“, „umweltgerecht“, „klimafreundlich“, „umweltverträglich“, „CO2-freundlich“, „CO2-neutral“, „CO2-positiv“, „klimaneutral“, „energieeffizient“ „biologisch abbaubar“, „biobasiert“ oder ähnliche Aussagen sowie weiter gefasste Angaben wie „bewusst“ oder „verantwortungsbewusst“. Mithin wäre auch dies eine beachtenswerte Neuerung. Sollte es allerdings bei dem jetzigen Formulierungsvorschlag bleiben, scheint es wahrscheinlich, dass die Frage der Auslegung dieses neuen Verbots irgendwann beim EuGH landen wird.  

Nach den ebenfalls neuen Nr. 4b und 10a wäre ferner das

Treffen einer Umweltaussage zum gesamten Produkt, wenn sie sich tatsächlich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts bezieht

und die 

Präsentation von Anforderungen, die kraft Gesetzes für alle Produkte in der betreffenden Produktkategorie auf dem Unionsmarkt gelten, als Besonderheit des Angebots des Gewerbetreibenden

stets verboten. Ähnlich zu letzterem Verbot soll ferner die 

Werbung mit Vorteilen für Verbraucher, die in dem betroffenen Markt als gängige Praxis gelten

als neuer Irreführungstatbestand aufgenommen werden (neuer Art. 6 Abs. 2 lit. e) der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken). Beides zielt auf Geschäftspraktiken ab, die unter dem Stichwort Werbung mit Selbstverständlichkeiten je nach den Einzelfallumständen auch bereits schon jetzt nach dem allgemeinen Irreführungstatbestand des UWG unlauter sein können.  

Irreführung durch Unterlassen bei Produktvergleichen

In Art. 7 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken soll ferner ein neuer Abs. 7 mit aufgenommen werden, der Leistungen Gewerbetreibender in Gestalt von Produktvergleichen, auch durch die Verwendung eines Nachhaltigkeitsinformationsinstruments (ebenfalls im Richtlinienvorschlag definiert), adressiert. In diesem Fall sind 

„Informationen über die Vergleichsmethode, die betreffenden Produkte und die Lieferanten dieser Produkte sowie die bestehenden Maßnahmen, um die Informationen auf dem neuesten Stand zu halten, als wesentlich“ 

anzusehen.

Werden dem Verbraucher entsprechende Informationen vorenthalten, wäre dies zukünftig unter den allgemeinen Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken als Irrführung durch Unterlassen zu qualifizieren.

Änderungen der Gesetze bzgl. umweltbezogener Werbeaussagen im Blick behalten

Der Richtlinienvorschlag steht nach wie vor zur 1. Lesung im EU-Parlament an. Ob die vorgeschlagenen Änderungen in dieser Form schlussendlich in die endgültige Richtlinie einfließen und in welcher Form es im Zuge des weiteren Gesetzgebungsverfahrens zu Ergänzungen oder Änderungen kommen wird, bleibt abzuwarten. Nach Inkrafttreten der Richtlinie wäre diese erst durch die Mitgliedsstaaten in nationales Recht, sprich in Deutschland im UWG, umzusetzen.

Es besteht daher für Unternehmen noch kein akuter Handlungsbedarf. Ohnehin unterliegen umweltbezogene Angaben schon nach den derzeit geltenden Regelungen und im Lichte der Vielzahl der hierzu ergangenen Urteile sehr strengen Anforderungen. Aber Unternehmen ist anzuraten, die absehbaren Änderungen der Gesetzeslage schon jetzt in ihre Planungen einzubeziehen. Dies gilt insbesondere für Anstrengungen, die in die Erstellung und Implementierung eigener Nachhaltigkeitssiegel gesteckt werden sollen. Deren Tage scheinen gezählt.     

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Tags: Green Claims Greenwashing Nachhaltigkeit ökologischer Wandel verbraucher