17. Juni 2025
EUDR Länder-Benchmark
Environment and Climate Change (ESG) Real Estate

Lang ersehnt und doch überraschend: EU-Kommission veröffentlicht Länder-Benchmarking

Das Länder-Benchmarking der EU-Kommission ist ein wichtiger Schritt für die ab Ende 2025 geltende EUDR– mit teils überraschenden Ländereinstufungen.

Die Europäische Entwaldungsverordnung (EUDR) nimmt weiter Form an. Am 22. Mai 2025 veröffentlichte die EU-Kommission eine erste Liste zum sogenannten Länder-Benchmarking, die alle Länder der Welt in drei Risikokategorien einstuft, um das Entwaldungsrisiko bei Rindern, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz abbilden zu können. Gerade derartige Rohstoffe und deren Erzeugnisse werden häufig auf illegal gerodeten Waldflächen hergestellt, was mit Hilfe der umfangreichen EUDR-Pflichten verhindert werden soll.

Herkunftsländer bestimmen Umfang der Sorgfalts- und Kontrollpflichten

Um das Entwaldungsrisiko in der Lieferkette des betroffenen Produkts möglichst zielgenau abzubilden, sieht Art. 29 EUDR eine risikobezogene Betrachtung vor. Diese beinhaltet die Klassifizierung des jeweiligen Herkunftslandes eines Produktes in eine von drei Risikokategorien. Vorgesehen sind die Kategorien „geringes Risiko“, „normales Risiko“ und „hohes Risiko“. Die Einstufung der Länder erfolgt überwiegend nach quantitativen Kriterien. Maßgeblich sind dabei laut der von der Kommission angewandten Methodik insbesondere das Ausmaß der Entwaldung und Waldschädigung, das Ausmaß der Erweiterung landwirtschaftlicher Flächen für relevante Rohstoffe sowie Erzeugungstrends bei relevanten Rohstoffen und Erzeugnissen. Außerdem werden geschlossene Abkommen und ergriffene Maßnahmen der jeweiligen Länder zum Entwaldungsschutz berücksichtigt. 

Die nach diesen Maßstäben getroffene Risikobewertung hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf das Ausmaß der Entwaldung, sondern auch unmittelbare Folgen für den Umfang der Sorgfaltspflichten der betroffenen Unternehmen. So genießen Marktteilnehmer und Händler bei der Beschaffung von relevanten Produkten aus Ländern mit „geringem Risiko“ vereinfachte Sorgfaltspflichten, da sie Informationen sammeln, aber keine Risiken bewerten und mindern müssen. Dies gilt allerdings nur, wenn sich betroffene Unternehmen nach Bewertung der Komplexität der Lieferkette und des Risikos der Umgehung der Verordnung bzw. Vermischung mit Erzeugnissen unbekannten Ursprungs vergewissert haben, dass die relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse lediglich in Ländern mit geringem Risiko erzeugt wurden.

Darüber hinaus bemisst sich auch der Umfang der Kontrollpflichten der Mitgliedsstaaten für die Einhaltung der EUDR-Pflichten nach dem Länder-Benchmarking. Die Anzahl der zu kontrollierenden Marktteilnehmer pro Jahr wird nach den drei Risikokategorie gestaffelt. Demnach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass mindestens 1 % der Marktteilnehmer mit Produkten aus Ländern mit geringem Risiko pro Jahr kontrolliert werden. Bei Ländern mit normalem Risiko beträgt dieser Wert mindestens 3 %; bei Ländern mit hohem Risiko mindestens 9 %. 

Einstufung der Mehrheit der Länder mit „geringem Risiko“ kommt überraschend

Zu den Ländern mit „hohem Risiko“ zählen lediglich Belarus, Nordkorea, Myanmar und Russland. Dies liegt insbesondere daran, dass diese Länder Sanktionen der Vereinten Nationen oder der EU hinsichtlich des Importes oder des Exportes der von der EUDR betroffenen Güter unterliegen. Länder mit „normalem Risiko“ werden nicht explizit in der Länderliste aufgeführt, sind aber solche Länder, die weder ein hohes noch ein niedriges Risiko haben. Zu den Ländern mit niedrigem Risiko zählen unter anderem – wenig überraschend – alle Staaten der EU sowie alle Staaten des europäischen Wirtschaftsraums. Erstaunlich ist hingegen die Einstufung von Ländern mit hohem Regenwaldanteil, wie Brasilien oder die Elfenbeinküste, als Länder mit „normalem Risiko“. Dort ist die fortschreitende Entwaldung seit Jahrzehnten bekannt. Die rasante Entwaldung Brasiliens war erst im November vergangenen Jahres Anlass für eine Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses der EU, worin die Rodung des brasilianischen Regenwaldes besonders herausgestellt und das damit einhergehende ökologische Risiko ausdrücklich benannt wurde. Warum dennoch kein hohes Entwaldungsrisiko vorliegen soll, erschließt sich somit nicht. 

Vereinfachung der EUDR durch die Hintertür!?

Es drängt sich der Verdacht auf, dass durch die Einstufung von Ländern mit hohem Entwaldungsrisiko in die Kategorie „normales Risiko“ eine „Entbürokratisierung durch die Hintertür“ stattfinden soll. Noch letztes Jahr hat die EU nach deutlichen Zwischenrufen von betroffenen Unternehmen, die Anwendung der EUDR um ein Jahr – auf Ende 2025 – verschoben. Außerdem sollten die Sorgfalts- und Informationspflichten erheblich vereinfacht werden. Ein solche Vereinfachung soll scheinbar u.a. auch mittelbar durch die nun veröffentliche Länderliste erfolgen. Unternehmen, die die betroffenen Rohstoffe aus Ländern mit geringem Risiko der Entwaldung beziehen, können somit zwar etwas aufatmen. Ob die EUDR aber dennoch dem eigenen Anspruch gerecht werden kann, bleibt aber abzuwarten. Es könnte sich die Frage stellen, ob die EUDR nicht am Ende vor allem Bürokratie verursacht. Eine eindeutige Antwort darauf werden erst die kommenden Jahre zeigen. Unternehmen sollten unabhängig davon so schnell wie möglich mit der Umsetzung der EUDR beginnen, um ihren Sorgfaltspflichten gerecht zu werden und Sanktionen zu vermeiden.

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