Die Digitalisierung durchzieht alle Bereiche unserer Gesellschaft– für die Umsetzung von Nachhaltigkeit bietet das große Entwicklungspotentiale.
Einige Aspekte der Digitalisierung, die erheblichen Einfluss auf die Corporate Social Responsibility (CSR) haben, wurden bereits in den letzten Beiträgen dieser Reihe betrachtet. Das Sustainable Office und insbesondere das Homeoffice werden durch eine fortschreitende Digitalisierung überhaupt erst möglich. Weiter hat uns gerade die Coronapandemie gezeigt, wie einfach die Dienstreise durch eine Videokonferenz ersetzt werden kann und hierdurch die Klimabilanz eines Unternehmens erheblich verbessert wird.
Das Potenzial der Digitalisierung für die professionelle Nachhaltigkeit im Unternehmen ist damit aber längst noch nicht ausgeschöpft. In Erinnerung sollte hier nochmal gerufen werden, dass neben der Umwelt auch die Arbeitsbeziehungen, die Geschäftsethik und der Einkauf die professionelle Nachhaltigkeit ausmachen.
Vorsicht beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz im HR-Bereich
Um dem Fachkräftemangel* im eigenen Unternehmen vorzubeugen, wird es immer wichtiger, dass die HR-Abteilung Talente akquiriert sowie gewonnene Talente langfristig bindet und fortbildet. Mit dem Wegfall der geburtenstarken Jahrgänge aus der Arbeitswelt wird diese Form der Nachhaltigkeit nochmals drastisch an Bedeutung gewinnen. In allen Stadien kann Künstliche Intelligenz (KI) hier unterstützen.
Neben dem überall diskutierten Einsatz von KI im Recruiting, etwa durch Matchingsysteme, die gezielt passende Kandidaten vorschlagen, oder dem Einsatz von Chatbots kann KI auch im Personalmanagement eingesetzt werden. Dem Mitarbeiter können so konkrete Karrieremöglichkeiten vorgeschlagen (siehe Watson-Karrierecoach von IBM) und entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten, wie E-Learning Angebote des Unternehmens, offengelegt werden. Hierdurch kann die fachliche Kompetenz des Unternehmens insgesamt gesteigert werden. Darüber hinaus binden entsprechende Programme den Mitarbeiter und damit (sein) Wissen nachhaltig an das Unternehmen.
Gerade im besonders sensiblen HR-Bereich ist jedoch Vorsicht geboten. Bei der Einführung und Anwendung solcher Systeme sind datenschutzrechtliche, mitbestimmungsrechtliche und diskriminierungsrechtliche Fragen zu beantworten. Insbesondere das europarechtlich determinierte Datenschutzrecht macht hier umfangreiche Vorgaben. Denn die HR-Abteilung nutzt maßgeblich personenbezogene Daten der Beschäftigten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO und § 26 BDSG, die einem besonderen Schutz unterliegen. Die nicht immer leichten Abwägungsfragen müssen unbedingt im Vorfeld rechtlich geklärt werden. Weiter ist es entscheidend, den Betriebsrat von Beginn an zu beteiligen, denn dieser wird oftmals Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG oder/und Unterrichtungs- und Beratungsrechte nach § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vorbringen können.
Aber ebenso ist es im Sinne nachhaltiger Arbeitsbedingungen wichtig, dass HR eine Akzeptanz solcher Systeme in der Belegschaft schafft. Dies betrifft vor allem den Aspekt der Unternehmenskultur, der maßgeblich von HR geprägt werden kann. Immer noch besteht eine hohe Skepsis beim Einsatz vom KI in der Bevölkerung. Daher ist es wichtig, transparent gegenüber der Belegschaft zu agieren, mitzuteilen, wann KI eingesetzt wird, und darauf zu achten, dass die Ergebnisse der KI interpretierbar und nachvollziehbar bleiben. Es ist aus ethischen Gesichtspunkten zentral, dass der Arbeitnehmer nicht entmenschlicht wird und den alleinigen Entscheidungen einer Maschine unterliegt.
Digitalisierung von HR-Prozessen
Neben der KI-gestützten Organisation von Verwaltungsprozessen kann Digitalisierung dazu beitragen, Mitarbeiter langfristiger zu binden. Die neu auf den Markt kommenden Arbeitskräfte sind digital groß geworden und wünschen sich für standardisierte Routineprozesse schnelle und einfache Lösungen. Digitale Angebote wie E-Learning-Systeme, digitale Anträge für Urlaub, Reisekosten und Hard- und Software steigern die Attraktivität, Produktivität und sparen wertvolle Arbeitszeit.
Ein Paperless Office würde einen großen Beitrag für die ökologische Nachhaltigkeit bedeuten
Mit Blick auf die ökologische Nachhaltigkeit ist eine ressourcenschonende Gestaltung aller Prozesse wichtig. Gerade die Reduzierung des Papierverbrauchs springt hier ins Auge. Der Herstellungsprozess von Papier verbraucht Holz, Wasser, Energie und bedarf des Einsatzes von Chemikalien. Die Papierindustrie zählt nach Daten des Umweltbundesamts zu den fünf energieintensivsten Branchen Deutschlands. Dennoch druckt jeder Deutsche laut einer Studie (2020) von fellow digitals täglich 18,7 Papierseiten an seinem Arbeitsplatz. Immerhin eine Verbesserung gegenüber dem Jahr 2018, in dem die Zahl der täglich gedruckten Papierseiten noch bei 26 lag.
Neben einem Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit bietet der Gedanke des Paperless Office auch große praktische Vorteile. Routineprozesse der HR, wie die Beantragung von Urlaub, könnten automatisiert werden und bedeuten so eine Zeit- und Kostenersparnis. Darüber hinaus bietet das Paperless Office Synergieeffekte mit der Arbeit im Homeoffice bzw. dem erhöhten Flexibilisierungsinteresse der Arbeitnehmer. Die Fahrt ins Büro wäre aus Gründen der Erbringung der Arbeitsleistung nicht mehr notwendig.
Gerade der während der Coronapandemie erfolgte Digitalisierungsschub bietet der HR-Abteilung Ansatzpunkte, das analoge Papier abzuschaffen und die Prozesse zukunftskonform zu gestalten. Sein Einfluss wird maßgeblich in der Umstellung der HR-Prozesse liegen. Aber auch hier sind rechtliche Hürden zu beachten. Denn eine komplette Abschaffung von Papier ist rechtlich (noch) nicht möglich. Insbesondere für die Dokumente, die der zwingenden Schriftform nach § 126 BGB unterliegen, bedarf es der Unterzeichnung des Papiers. Hierzu zählen beispielsweise Verträge mit nachvertraglichem Wettbewerbsverbot (§ 74 Abs. 1 HGB), Kündigungsschreiben (§ 623 BGB), Aufhebungsverträge (§ 623 BGB) und befristete Arbeitsverträge (§ 14 Abs. 4 TzBfG).
Da bislang keine einheitlichen Regelungen existieren, ist im Einzelfall genau zu prüfen, ob die entsprechenden Prozesse digitalisiert werden können oder ob rechtliche Aspekte die Digitalisierung verhindern. Weiter bedarf es einer Nutzen-Risiko-Abwägung. Denn ein rechtliches Risiko besteht insbesondere hinsichtlich der Beweiswirkung entsprechender Dokumente in einem späteren gerichtlichen Prozess. Ohne die Vorlage des Dokuments im Original entfällt für private Urkunden die volle Beweiswirkung. Das heißt jedoch nicht, dass ein eingescanntes und vernichtetes Dokument keinerlei Beweiswirkung mehr entfaltet. Es unterliegt jedoch „nur“ der freien richterlichen Beweiswürdigung.
Es stellt sich auch die Frage der IT-Compliance. Beispielsweise ist es bei der elektronischen Aufbewahrung erforderlich, dass über den ganzen Zeitraum bestehender Aufbewahrungsfristen (solche bestehen z.B. für die Entgeltabrechnung, die für die Gewinnermittlung relevant ist, oder für die Reisekostenabrechnung) die Lesbarkeit der Daten auch bei veralteten Dateiformaten gegeben ist. Mit Blick auf die Lohn- und Gehaltsabrechnung hat das Bundesministerium für Finanzen 2019 in den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) die Vorgaben aus Sicht der Finanzverwaltung zusammengefasst. Darüber hinaus sind die Vorgaben des Datenschutzrechts zu beachten.
HR muss sich aufgrund der Komplexität der rechtlichen Fragen und der Unterschiede im Einzelfall im engen Austausch mit dem Legal Department befinden und sich gegebenenfalls mit der IT abstimmen.
Digitalisierung bietet neue Chancen für HR
Auch wenn die mit der Digitalisierung verbundenen rechtlichen Fragen keine einfachen sind, sollte HR die Chancen der Digitalisierung nutzen und sie voranbringen. Für die Zukunft des Unternehmens wird es entscheidend sein, dieses digital aufzustellen, um nachhaltig konkurrenzfähig zu sein.
Für die HR-Abteilung heißt es also, alle relevanten Prozesse und Dokumente im Unternehmen zu identifizieren, deren Digitalisierung zur Umsetzung der Unternehmenskultur beiträgt. Ehe man den Wandel „von oben“ umsetzt, sollte jedoch sichergestellt werden, dass die Belegschaft mitspielt. Nur so kann die HR-Abteilung professionelle Nachhaltigkeit etablieren.
In unserer Serie zur Nachhaltigkeit lenken wir den Blick auf arbeitsrechtliche Handlungsmöglichkeiten. Nach dem Einführungsbeitrag zu den Kernaufgaben des Personalmanagements geht es im zweiten Beitrag um das Sustainable Office. Der dritte Beitrag befasst sich mit nachhaltigem Reisen.
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.