21. Dezember 2023
EU-Lieferketten-Richtlinie
Social and Human Rights (ESG)

EU-Lieferketten-Richtlinie: Rat und Parlament haben sich geeinigt

Menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten werden künftig EU-weit gelten. Dazu muss das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) angepasst werden.

Am 14. Dezember 2023 haben sich die Unterhändler des Europäischen Parlaments und des Rats auf die wesentlichen Inhalte der geplanten EU-Lieferketten-Richtlinie verständigt. Damit dürfte die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) die letzte große Hürde genommen haben. 

Trotz eines 18-stündigen Verhandlungsmarathons konnten jedoch nicht alle Themen abschließend erörtert werden. Es bestehen daher in einigen Bereichen noch erhebliche Unsicherheiten über die Regelungen der Richtlinie. Die Pressemitteilungen und die Pressekonferenz der drei Institutionen Parlament, Rat und Kommission vom 14. Dezember 2023 enthalten zahlreiche Unklarheiten und Widersprüche. Mit einem beschlussfähigen Text ist erst im Februar 2024 zu rechnen.

Auf der Grundlage der Informationen, die uns über die Verhandlung vorliegen, werden wir im Folgenden ausgewählte Inhalte und die Folgen dieser vorläufigen politischen Einigung darstellen.

Deutlich mehr Unternehmen werden aufgrund der Lieferketten-Richtlinie Sorgfaltspflichten zu erfüllen haben

Die CSDDD wird voraussichtlich für folgende Unternehmen gelten:

  • EU-Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von mehr als EUR 150 Millionen.
  • EU-Muttergesellschaften von Unternehmensgruppen, die die beiden oben genannten Schwellenwerte erreichen.
  • EU-Unternehmen und EU-Muttergesellschaften von Unternehmensgruppen, die Franchising- oder Lizenzverträge in der EU mit Dritten geschlossen haben, wenn die Lizenzgebühren EUR 7,5 Millionen überschreiten und das EU-Unternehmen bzw. die Unternehmensgruppe einen weltweiten Umsatz von mehr als EUR 40 Millionen erwirtschaftet.
  • EU-Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von mehr als EUR 40 Millionen, falls mindestens EUR 20 Millionen in einer der folgenden Risikobranchen erwirtschaftet werden: (a) Herstellung von und Großhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen; (b) Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Herstellung von Nahrungsmitteln und Getränken sowie der Großhandel mit Rohstoffen und Produkten aus diesen Bereichen; (c) Gewinnung von und Großhandel mit Bodenschätzen oder Herstellung von damit zusammenhängenden Erzeugnissen sowie (d) das Bauwesen.
  • Nicht-EU-Unternehmen mit einem EU-Umsatz von mehr als EUR 150 Millionen.
  • Nicht-EU-Muttergesellschaften von Unternehmensgruppen mit einem EU-Umsatz von mehr als EUR 150 Millionen.
  • Nicht-EU-Unternehmen und Nicht-EU-Muttergesellschaften von Unternehmensgruppen, die Franchising- oder Lizenzverträge in der EU mit Dritten geschlossen haben, wenn die EU-Lizenzgebühren EUR 7,5 Millionen überschreiten und das Nicht-EU-Unternehmen bzw. die Unternehmensgruppe einen EU-Umsatz von mehr als EUR 40 Millionen erwirtschaftet.
  • Nicht-EU-Unternehmen mit einem EU-Umsatz von mehr als EUR 40 Millionen, falls mindestens EUR 20 Millionen in einer der oben genannten Risikobranchen erwirtschaftet werden.

Demnach werden künftig deutlich mehr Unternehmen unter das LkSG fallen. Denn der Schwellenwert nach dem LkSG liegt derzeit bei 3.000 Beschäftigten und ab 1. Januar 2024 bei 1.000 Beschäftigten, also viel höher als nach der CSDDD. Sorgfaltspflichten werden bald aber auch Unternehmen in allen anderen EU-Mitgliedstaaten und sogar Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU erfüllen müssen. Damit sorgt Brüssel für ein level playing field. Der durch das LkSG entstandene Wettbewerbsnachteil der deutschen Unternehmen fällt weg.

Finanzunternehmen haben nach der CSDDD nur geringfügige Sorgfaltspflichten 

Besonders umstritten war während des Gesetzgebungsverfahrens die Frage, ob Finanzunternehmen unter die Richtlinie fallen sollen. Nach der politischen Einigung werden sie die CSDDD nun wohl anzuwenden haben, jedoch aufgrund der Definition der Lieferkette (künftig: „Aktivitätskette“) die Sorgfaltspflichten nur in geringem Umfang erfüllen müssen. 

Die Lieferketten-Richtlinie wird bei den Sorgfaltspflichten nur Modalitäten ändern

Kern der Richtlinie sind unternehmerische Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Menschenrechte und Umwelt in Aktivitätsketten. Diese Sorgfaltspflichten unterscheiden sich im Prinzip kaum von denen des geltenden LkSG. Dieser Befund ist von erheblicher Bedeutung, kommt in Medienberichten aber häufig zu kurz. 

Bei den wichtigsten Sorgfaltspflichten – Risikoanalyse, Präventions- und Abhilfemaßnahmen – wird es zu einer Vollharmonisierung kommen. Hier dürfen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung also keine strengeren Standards vorsehen. Diese Regelung ist eine Erleichterung für multinationale Konzerne, denn sie vermeidet, dass der Konzern in jedem EU-Staat einen anderen Sorgfaltsmaßstab zu beachten hat. 

Anders als manche Diskussion vermuten lässt, wird es auch keine bahnbrechenden Änderungen bei der Reichweite der Aktivitätskette geben. Wie nach dem aktuellen LkSG ist in erster Linie die vorgelagerte Aktivitätskette betroffen. Die nachgelagerte Aktivitätskette erfasst beispielsweise den Transport und die Entsorgung, soweit diese Dienstleistungen vom sorgfaltspflichtigen Unternehmen in Auftrag gegeben werden. Der Verkauf – und damit der Kunde* – wird hingegen nicht zur Aktivitätskette gehören.

Einige Modalitäten der Sorgfaltspflichten werden sich allerdings durch die Richtlinie ändern: Der Kreis der Menschenrechte und Umweltbelange des LkSG wird durch die CSDDD voraussichtlich erweitert. Alle Unternehmen – und nicht nur Obergesellschaften wie nach dem aktuellen LkSG – dürften künftig verpflichtet sein, die Sorgfaltspflichten auch auf ihre Tochtergesellschaften auszurollen. Die derzeit nach dem LkSG bestehende Differenzierung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern wird durch einen risikobasierten Ansatz ersetzt. Künftig werden Unternehmen im Rahmen ihrer Sorgfaltspflichten Interessengruppen einzubeziehen haben. Das LkSG sieht derzeit keine Beteiligung besonders betroffener Personen, sondern nur die Berücksichtigung ihrer Interessen vor. 

Unternehmen müssen aufgrund der CSDDD einen „Klima-Plan“ aufstellen und umsetzen

Anders als nach geltendem LkSG wird die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten hinaus eine Pflicht für Unternehmen vorsehen, einen Plan aufzustellen und umzusetzen, mit dem sie sicherstellen, dass das Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C gemäß dem Übereinkommen von Paris sowie dem in der Verordnung (EU) 2021/1119 verankerten Ziel, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, vereinbar sind. Bei Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten sollen der variable Bestandteil der Vergütung der Mitglieder der Unternehmensleitung u.a. von der Verwirklichung dieser Pläne abhängen. 

Anders als von der Kommission vorgeschlagen, wird die Richtlinie keine Bestimmungen über die Verantwortung der Unternehmensleitung enthalten. Über die Reichweite dieser Vorschriften war in der juristischen Literatur bereits eine lebhafte Diskussion entbrannt. Diese Überlegungen sind jetzt hinfällig. 

Die Lieferketten-Richtlinie wird die Konsequenzen für Verstöße deutlich verschärfen

Die CSDDD sieht gravierende Konsequenzen für Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten vor. Dazu gehört in erster Linie ein Bußgeld mit einer Höchstgrenze von 5 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Die Mitgliedstaaten dürfen eine höhere Höchstgrenze bestimmen. Außerdem werden die zuständigen Behörden verpflichtet, Entscheidungen über Verstöße gegen die Sorgfaltspflichten zu veröffentlichen (sog. naming and shaming). Die Richtlinie schreibt überdies eine zivilrechtliche Haftung vor. Damit können Betroffene von Menschenrechtsverletzungen Schadensersatz von Unternehmen verlangen. Sie werden sich dabei unter bestimmten Voraussetzungen auf eine Umkehr der Beweislast stützen können, d.h. das beklagte Unternehmen muss dann beweisen, dass es seine Sorgfaltspflichten erfüllt hat.

In allen drei Bereichen muss der deutsche Gesetzgeber das LkSG verschärfen. Das umsatzabhängige Bußgeld beläuft sich derzeit auf maximal 2 Prozent. Eine Veröffentlichung von Entscheidungen des BAFA ist derzeit nicht vorgesehen, die zivilrechtliche Haftung sogar ausdrücklich ausgeschlossen.

Unternehmen haben viel Zeit zur Vorbereitung auf die CSDDD 

Es werden noch mehrere Jahre vergehen, bis die von der Richtlinie erfassten Unternehmen die neuen Regeln anzuwenden haben. 

Wenn alle Änderungen aufgrund des Trilogs in den Entwurf eingearbeitet sind, müssen Parlament und Rat ihn formal beschließen. Danach tritt die Richtlinie in Kraft. Damit ist im ersten Halbjahr 2024 zu rechnen.

Es folgt eine zweijährige Frist, innerhalb derer die EU-Mitgliedstaaten die Richtlinie in ihr jeweiliges nationales Recht umzusetzen haben. Der deutsche Gesetzgeber wird also das LkSG anpassen müssen. Entsprechendes gilt für Frankreich. Alle anderen Staaten müssen aufgrund der CSDDD gänzlich neue Vorschriften einführen. Einige Länder, beispielsweise die Niederlande und Belgien, können dann immerhin auf bestehende Gesetzentwürfe zurückgreifen. Norwegen und die Schweiz gehören zwar nicht zur EU, werden der Richtlinie aber möglicherweise folgen und würden in dem Fall ihre derzeitigen gesetzlichen Vorschriften über Sorgfaltspflichten in Lieferketten ändern. Die Umsetzungsfrist wird voraussichtlich im ersten Halbjahr 2026 ablaufen.

Nach Ablauf der Umsetzungsfrist wird den Unternehmen noch ein weiteres Jahr zur Vorbereitung gewährt. Erst danach, d.h. vermutlich im ersten Halbjahr 2027, werden Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten die neuen Regeln anwenden müssen. Ein Jahr später, also im ersten Halbjahr 2028, starten die Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Und ein weiteres Jahr danach (erstes Halbjahr 2029) werden die Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten sorgfaltspflichtig.

Unternehmen sollten sich früh mit EU-Lieferketten-Richtlinie vertraut machen

Auch wenn es also noch lange dauern mag, bis die Richtlinie praktisch relevant wird, sollten Unternehmen den Gesetzgebungsprozess verfolgen und sich frühzeitig mit der Richtlinie vertraut machen. Denn große Unternehmen werden ihre Zulieferer möglicherweise schon vor Beginn der Anwendbarkeit dazu auffordern, sich vertraglich zur menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfalt nach den neuen Regeln zu verpflichten. Überdies zeigen die Erfahrungen mit dem LkSG, dass Aufwand und Zeit für die Vorbereitung auf die Sorgfaltspflichten häufig unterschätzt werden.

Den Unternehmen, die das LkSG einhalten, wird die Umstellung auf die neuen Regeln aus Brüssel jedoch nicht schwerfallen. Denn die Richtlinie enthält, wie bereits erwähnt, einen vergleichbaren Katalog von Sorgfaltspflichten.  Neu aus dem Blickwinkel des LkSG ist nur die – von diesem Katalog unabhängige – Pflicht zur Aufstellung und Umsetzung eines Klima-Plans. 

Weitere Beiträge rund um die Lieferkette finden Sie bei uns im Blog. Hierunter beispielsweise zur BAFA-Handreichung zur Risikoanalyse oder zur Rolle des Menschenrechtsbeauftragten nach dem LkSG.

Der (kostenlose) CMS CS3D Navigator hilft Ihnen zu verstehen, inwieweit Ihr Unternehmen bereits heute CSDDD-compliant ist.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: CSDDD EU-Lieferketten-Richtlinie Nachhaltigkeit