Das eigenmächtige Abändern von Liedtexten gegen den Willen des Urhebers kann (straf)rechtliche Konsequenzen haben.
Das Bemühen um eine inklusivere Sprache wird nicht von allen Menschen geteilt. Während selbstauferlegte Formulierungsregeln in der internen oder öffentlichen Kommunikation seit jeher nichts Besonderes sind, sorgt das nachträgliche Ändern fremder Texte zunehmend für Zündstoff. Ein aktueller Fall aus der Welt der Musik bietet Anlass, die urheberrechtliche Perspektive und insbesondere das wenig beachtete Urheberstrafrecht genauer zu beleuchten.
Im Januar 2023 wurde im Rahmen einer Schlager-Show des MDR der Song „1000 und 1 Nacht (Zoom!)“ aufgeführt. Dabei wurde jedoch die Liedzeile „Erinnerst du dich, wir haben Indianer gespielt“ in „Erinnerst du dich, wir haben zusammen gespielt“ geändert. Diether Dehm, der im GEMA-Repertoire als Urheber des Songtextes eingetragen ist, erstattete daraufhin Strafanzeige gegen die Verantwortlichen. Dehm vermutet hinter der textlichen Änderung eine politische Gesinnung und befürchtet in einem Zeitungsinterview eine „Einschüchterung“ der Menschen durch den „Angst-Krampf“. Er bestehe auf Texttreue und habe nie sein Einverständnis zu der „Verschandlung“ gegeben.
Urheberrechtsverletzungen können strafbar sein
Auch wenn der zivilrechtliche Teil des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) deutlich bekannter sein dürfte, so sind in den §§ 106 bis 111a UrhG auch Strafnormen geregelt. Das Urheberstrafrecht schützt primär das Verwertungsrecht des Urhebers*, also das Recht, darüber zu bestimmen, unter welchen Umständen das eigene Werk vervielfältigt und veröffentlicht wird. Das Urheberpersönlichkeitsrecht, also der ideelle Teil des Urheberrechts, der sich durch die geistige und persönliche Beziehung des Urhebers zu seinem Werk auszeichnet, wird nur in einigen Randerscheinungen strafrechtlich geschützt.
Nach der zentralen Norm des § 106 Abs. 1 UrhG wird mit Geld- oder Freiheitsstrafe bestraft, wer ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werks vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt. Diether Dehm wirft vorliegend den Verantwortlichen vor, seinen unstreitig urheberrechtlich geschützten Liedtext unberechtigt verändert zu haben. Bereits kleinste Veränderungen an einem Werk bedürfen der Zustimmung des Originalurhebers, wenn die Bearbeitung anschließend verwertet werden soll (§ 23 Abs. 1 UrhG). Das gilt auch für die Ersetzung des Wortes „Indianer“ durch das Wort „zusammen“. Anknüpfungspunkt für die Urheberrechtsverletzung (und deren Strafbarkeit) ist nicht die Änderung selbst, sondern die anschließende öffentliche Zugänglichmachung des veränderten Songtextes im Fernsehen. Hierfür hätte es der Einwilligung des bzw. der Urheber des Originaltextes bedurft.
Im Einzelfall sind Änderungen auch ohne Einwilligung zulässig
Inwiefern tatsächlich keine Einwilligung vorlag, kann ohne Kenntnis der relevanten Lizenzverträge nicht beurteilt werden. Üblicherweise werden in Vorbereitung einer Show die erforderlichen Lizenzen für jegliches urheberrechtlich relevantes Material eingeholt. Das kann über die Urheber bzw. deren Management direkt oder aber über eine Verwaltungsgesellschaft erfolgen. Im Musikbereich wäre hier zunächst an die GEMA zu denken. Üblicherweise enthalten die entsprechenden Lizenzverträge aber nur die benötigten Rechte zur Vervielfältigung oder öffentlichen Zugänglichmachung, nicht aber auch ein Bearbeitungsrecht.
Gemäß § 39 Abs. 1 UrhG darf der Inhaber eines Nutzungsrechts ein Werk nicht verändern, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Das Bearbeitungsrecht muss also ausdrücklich vertraglich geregelt werden. Allerdings enthält § 39 Abs. 2 UrhG eine Ausnahme für solche Fälle, in denen „der Urheber seine Einwilligung nach Treu und Glauben nicht versagen kann“. Diese Regelung hat besondere Relevanz für Fernseh- und Zeitungsredaktionen oder Buchverlage. Denn häufig müssen bestimmte Änderungen an einem Werk vorgenommen werden, um es für die beabsichtigte Nutzung bestmöglich anzupassen. Wann das zulässig ist, muss im Einzelfall beurteilt werden.
Zulässige Änderungen sind bspw. Korrekturen und Kürzungen eines Zeitungsartikels aus redaktionellen Gründen. Auch technische Anpassungen eines Videos zur Ausstrahlung im linearen Fernsehen können zulässig sein. Zu berücksichtigen ist, dass § 39 UrhG Ausfluss des Urheberpersönlichkeitsrechts ist. Die Norm soll also verhindern, dass das Werk in einer Weise verändert wird, die den berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers nicht mehr entsprechen.
Exkurs: Gendern und Urheberrecht
Um dieses Verhältnis etwas greifbarer zu machen, lohnt sich ein Blick auf ein ähnliches Thema: das Gendern. Im Jahr 2022 wurde vor dem Landgericht Hamburg (Az. 308 O 176/21) ein Fall verhandelt, bei dem ein Verlag den Text einer Autorin unabgesprochen geändert hatte. Konkret wurde aus dem Begriff „Zeichner“ eine „zeichnende Person“. Die Autorin, eine erklärte „Gender-Gegnerin“, ging dagegen vor und verlangte, die Änderung rückgängig zu machen.
Nach den aus der Begleitberichterstattung bekannten Informationen hatte sich der Verlag kein Bearbeitungsrecht einräumen lassen. Auch gab es keine nachträgliche Vereinbarung mit oder ein konkludentes Einverständnis der Autorin. Vielmehr hatte die Autorin ausdrücklich erklärt, nicht mit der Änderung einverstanden zu sein. Damit blieb es am Ende bei der Frage, ob das eigenmächtige Gendern des Textes durch den Verlag eine Änderung ist, die nach Treu und Glauben nicht versagt werden kann. Das Gerichtsverfahren endete in einem Vergleich. Nach den recherchierbaren Informationen schien das Gericht aber wohl der Rechtsauffassung der Autorin zugeneigt zu sein, und auch der Vergleich fiel nahezu vollständig in ihrem Interesse aus.
Somit könnte das Gendern eines Textes ohne Zustimmung des Urhebers auf Grundlage von § 39 Abs. 1 UrhG als Urheberrechtsverletzung qualifiziert werden. Verlage werden das unabgesprochene Gendern von Texten also wohl nicht ohne Weiteres mit technischen oder redaktionellen Gründen (§ 39 Abs. 2 UrhG) rechtfertigen können. Sofern Verlage interne redaktionelle Richtlinien etabliert haben, nach denen auf eine bestimmte Weise zu gendern ist, sollte das Autoren im Vorfeld mitgeteilt werden. Autoren können sich dann entscheiden, ob sie Anpassungen, wie in den Richtlinien vorgesehen, akzeptieren oder ob sie schlicht keine Zusammenarbeit eingehen.
Zurück zu dem eingangs erwähnten Songtext: Auch hier wird man zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine Änderung nicht unter § 39 Abs. 2 UrhG subsumiert werden kann. Die Ersetzung des Wortes „Indianer“ durch „zusammen“ ist weder technisch noch redaktionell bedingt noch aus anderen Gründen erforderlich. Verwirklicht diese textliche Änderung nun einen Straftatbestand?
Strafbarkeit einer Urheberrechtsverletzung nur bei Vorsatz
Der Straftatbestand in § 106 Abs. 1 UrhG setzt stets eine vorsätzliche Urheberrechtsverletzung voraus. Fahrlässiges Handeln ist nicht ausreichend. Die Grenzen können dabei fließend sein, zumal im Urheberstrafrecht Irrtümer eine bedeutende Rolle einnehmen. Viele „Täter“ wissen nämlich oftmals nicht, dass sie einen Straftatbestand verwirklichen, oder vertrauen zumindest darauf, dass sie sich nicht strafbar machen. Irrige Annahmen bestehen dabei häufig in Bezug auf die gesetzlich erlaubten Nutzungen, aber auch bzgl. der Reichweite möglicher erworbener Lizenzen.
Hier ist klar zwischen sog. Tatbestandsirrtümern und Verbotsirrtümern zu unterscheiden. Wer sich bzgl. Tatsachen (z.B. das Vorliegen des Einverständnisses des Urhebers zur Aufführung des geänderten Songs) irrt, der handelt nicht vorsätzlich und macht sich in aller Regel auch nicht strafbar. Anders läge der Fall, wenn bei der Aufführung des geänderten Songs davon ausgegangen worden wäre, dass dies von eingeholten GEMA-Lizenzen abgedeckt gewesen sei. Dann würde sich der Irrtum nicht auf die Tatsachen beziehen, sondern auf die Reichweite der Lizenzen. Ein Irrtum über rechtliche Wertungen lässt ausnahmsweise dann den Schuldvorwurf entfallen, wenn der Irrtum unvermeidbar war.
Grenzen des Strafrechts
Zu berücksichtigen ist, dass es den Gerichten beim Vorliegen eines Verbotsirrtums ermöglicht wird, das Strafmaß nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Denkbar ist in solchen Fallgestaltungen auch, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlung wegen mangelnden öffentlichen Interesses einstellt und den Strafantragsteller auf den Privatklageweg verweist (§ 374 Abs. 1 Nr. 8 StPO).
Davon abgesehen stellt sich ohnehin die Frage, ob das Strafrecht in Konstellationen wie der vorliegenden überhaupt das richtige Mittel zur Verfolgung der Interessen der Urheber ist. Im Vorgängergesetz zum heutigen Urheberrechtsgesetz, dem „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst“ (LUG), existierte noch mit § 38 Abs. 2 ein Straftatbestand für die Verbreitung von Bearbeitungen ohne Einwilligung des Originalurhebers.
In der Gesetzesbegründung zum heutigen Urheberrechtsgesetz erklärte der Gesetzgeber hingegen explizit, diesen Straftatbestand nicht in das neue Urheberrechtsgesetz übernehmen zu wollen. Als Grund nennt der Gesetzgeber, dass rein ideelle Interessen mit den Mitteln des Zivilrechts (und nicht des Strafrechts) verfolgt werden sollen. Zudem eignen sich die beim Urheberpersönlichkeitsrecht relevanten Ermessensfragen lt. der Gesetzesbegründung nicht für eine strafrechtliche Regelung.
Dem ist zuzustimmen. Ohne in eine Diskussion um Strafrechtsdogmatik zu verfallen, ist es nicht die Aufgabe des Strafrechts, die persönlichen Interessen einzelner Personen durchzusetzen. Das Urheberpersönlichkeitsrecht darf daher nur in Ausnahmefällen strafrechtlich geschützt werden.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.