4. April 2023
Mindeststeuer
Steuerrecht

Beginn des Baus von Säule 2 in Deutschland

Der Diskussionsentwurf zur Umsetzung der globalen Mindeststeuer markiert den Baubeginn von Säule 2 in Deutschland.

Nachdem das Inclusive Framework on BEPS der OECD und der G20 mit den im Dezember 2021 veröffentlichten Global Anti-Base Erosion Model Rules (sog. GloBE Rules) die Blaupause für die Einführung einer globalen effektiven Mindestbesteuerung – dem Kernbestandteil von Säule 2 – geliefert hatte, hat die EU mit der Verabschiedung der Mindestbesteuerungsrichtlinie (Richtlinie [EU] 2022/2523 des Rates vom 14. Dezember 2022 zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union) im Dezember 2022 das Fundament für die Umsetzung von Säule 2 gelegt.

Der vom Bundesministerium der Finanzen am 20. März 2023 veröffentlichte Diskussionsentwurf zur Umsetzung dieser Richtlinie markiert den Baubeginn von Säule 2 in Deutschland.

Einführung einer globalen effektiven Mindeststeuer zur Beendigung von Steuerwettbewerb und BEPS

Um den steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft zu begegnen, das internationale Steuersystem an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen und Gewinnverkürzung und -verlagerung durch Unternehmen (im Englischen: base erosion and profit shiftig; kurz: BEPS) zu bekämpfen, hat das von der OECD und der G20 2016 aufgelegte Inclusive Framework on BEPS sich im Oktober 2021 auf die sog. Zwei-Säulen-Lösung geeinigt. Mittlerweile haben sich 138 Jurisdiktionen dieser Lösung angeschlossen. 

Der Kern von Säule 2 besteht dabei in der Einführung einer globalen effektiven Mindeststeuer von 15 % auf Unternehmensgewinne von großen multinationalen Konzernen. Ziel ist es, durch die Einführung einer solchen Mindeststeuer den schädlichen Steuerwettbewerb zwischen Staaten (sog. „race to the bottom“) zu beenden und aggressiver Steuergestaltung von Unternehmen entgegenzuwirken.

Durch Mindeststeuergesetz sollen niedrig besteuerte Unternehmensgewinne auch in Deutschland ergänzungsbesteuert werden

Die von der EU verabschiedete Mindestbesteuerungsrichtlinie, die sich regeltechnisch sehr stark an den GloBE Rules orientiert, verpflichtet Deutschland, bis zum 31. Dezember 2023 nationale Regelungen zur Umsetzung der Richtlinie zu treffen. Der Entwurf für ein Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz mit dem Titel „Mindeststeuergesetz“ (MinStG) ist der Start des hierfür erforderlichen Gesetzgebungsverfahrens. Da er als Diskussionsentwurf ausgestaltet ist, besteht die Möglichkeit, noch bis zum 21. April 2023 zu dem Entwurf Stellung zu nehmen und das Gesetzgebungsverfahren zu beeinflussen.

Inhaltlich soll durch eine Primärergänzungssteuerregelung, eine Sekundärergänzungssteuerregelung und eine nationale Ergänzungssteuer sichergestellt werden, dass niedrig besteuerte Unternehmensgewinne von Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe auch in Deutschland nachversteuert bzw. ergänzungsbesteuert werden können, um so eine effektive Mindestbesteuerung von 15 % zu erzielen. Besteuert wird jeweils ein den in Deutschland befindlichen Geschäftseinheiten zuzurechnender Steuererhöhungsbetrag, der sich aus der Multiplikation der niedrig besteuerten Unternehmensgewinne mit einem Ergänzungssteuersatz ergibt. Der Ergänzungssteuersatz ist dabei die positive Differenz zwischen dem effektiven Steuersatz der Unternehmensgruppe im jeweiligen Steuerhoheitsgebiet und dem Mindeststeuersatz i.H.v. 15 %.

Anwendung finden die Regeln grds. dann, wenn sich Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe mit konsolidierten jährlichen Umsatzerlösen von EUR 750 Mio. oder mehr in mind. zwei der letzten vier Geschäftsjahre in Deutschland befinden. 

Handelt es sich bei den in Deutschland befindlichen Geschäftseinheiten um die oberste oder eine zwischengeschaltete Muttergesellschaft, die Anteile an einer niedrig besteuerten Geschäftseinheit hält, so erfolgt eine etwaige Ergänzungsbesteuerung grds. durch die Primärergänzungssteuerregelung. Handelt es sich hingegen nicht um eine Muttergesellschaft, so findet die Sekundärergänzungssteuerregelung Anwendung. Sind die in Deutschland befindlichen Geschäftseinheiten selbst niedrig besteuert, so greift zunächst die nationale Ergänzungssteuer, wodurch verhindert werden soll, dass die niedrig besteuerten Unternehmensgewinne aufgrund entsprechender Mindestbesteuerungsgesetze im Ausland nachversteuert werden.

Das Zusammenspiel der Primär- und Sekundärergänzungssteuerregelung folgt dem auch in den GloBE Rules enthaltenen „Top-down-Ansatz“. Die Regelungen operieren dabei (in Grundzügen) wie folgt:

Niedrig besteuerte Unternehmensgewinne sollen grds. vorrangig (primär) auf Ebene und in der Jurisdiktion der obersten Muttergesellschaft besteuert werden. Unterliegt die oberste Muttergesellschaft keiner Ergänzungssteuerregelung, so erfolgt die Besteuerung auf Ebene der nächsthöchsten zwischengeschalteten Muttergesellschaft entsprechend der Beteiligungshierarchie in der Unternehmensgruppe. Entscheidend für die Höhe des der jeweiligen Muttergesellschaft zuzurechnenden Steuererhöhungsbetrags ist dabei stets die Höhe der Eigenkapitalbeteiligung an der niedrig besteuerten Geschäftseinheit.

Sofern allerdings keine der Muttergesellschaften, die direkt oder mittelbar durch zwischengeschaltete Muttergesellschaften an einer niedrig besteuerten Geschäftseinheit beteiligt sind, einer Ergänzungsbesteuerung unterliegt (z.B. weil sie in einer Jurisdiktion ansässig ist, die keine Mindestbesteuerungsregeln i.S.d. GloBE Rules erlassen hat), so greift die Sekundärergänzungssteuerregelung als Auffangtatbestand. Sie ermöglicht es, die niedrig besteuerten Unternehmensgewinne nachrangig (sekundär) auch auf Ebene von Schwestergesellschaften oder noch weiter entfernten Geschäftseinheiten zu besteuern. Da diese Geschäftseinheiten jedoch keine Eigenkapitalbeteiligungen an der niedrig besteuerten Geschäftseinheit halten, kann die Höhe des ihnen jeweils zuzurechnenden Steuererhöhungsbetrags nicht von den Beteiligungsverhältnissen abhängen. Stattdessen ist die Höhe auf Grundlage eines substanzbasierten Aufteilungsschlüssels zu ermitteln, der auf die Anzahl der Arbeitnehmer und den Wert der materiellen Vermögenswerte einer Geschäftseinheit im Vergleich zu der Gesamtanzahl der Arbeitnehmer* und dem Gesamtwert aller materiellen Vermögenswerte in der Unternehmensgruppe abstellt. 

Anerkannte nationale Ergänzungssteuern sind jedoch sowohl im Rahmen von Primär- als auch im Rahmen von Sekundärergänzungssteuerregelungen stets vorrangig zu berücksichtigen, da sie einen etwaigen Steuererhöhungsbetrag unmittelbar reduzieren. Im Rahmen solcher nationalen Ergänzungssteuern werden allerdings nur die niedrig besteuerten Unternehmensgewinne einer Geschäftseinheit innerhalb des Steuerhoheitsgebiets, in dem sich die Geschäftseinheit befindet, ergänzungsbesteuert. Eine Zurechnung von Steuererhöhungsbeträgen aufgrund anderer niedrig besteuerter Geschäftseinheiten in der Unternehmensgruppe findet hingegen nicht statt.

Die genaue Berechnung der Ergänzungssteuer erfolgt sodann anhand einer sehr komplexen Ermittlung eines eigenständigen Mindeststeuergewinns bzw. ‑verlusts mit besonderen Anpassungen, sektorspezifischen Ermittlungsvorgaben und Wahlrechten, einer ebenfalls komplexen Ermittlung der für Zwecke der Mindeststeuer erfassten Steuern und des effektiven Steuersatzes einer Unternehmensgruppe innerhalb eines Steuerhoheitsgebietes sowie anhand einer Vielzahl von Sonder- und Übergangsvorschriften, Freibeträgen und Safe-Harbour-Regelungen.

Die steuerpflichtigen Geschäftseinheiten haben zur Festsetzung der Mindeststeuer eine Steuererklärung abzugeben und darin die Steuer selbst zu berechnen. Daneben haben sie dem Bundeszentralamt für Steuern einen Mindeststeuerbericht zu übermitteln, in dem die für die Berechnung der Mindeststeuer notwendigen Angaben bezogen auf die gesamte Unternehmensgruppe enthalten sein müssen (z.B. eine Auflistung aller Geschäftseinheiten, nach Steuerhoheitsgebiet gegliedert, und die effektiven Steuersätze für jedes Steuerhoheitsgebiet). Wird dieser Bericht nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übermittelt, begründet dies eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer in der Höhe noch festzulegenden Geldbuße geahndet werden kann. Im Übrigen werden die allgemeinen steuerstrafrechtlichen Vorschriften Anwendung finden.

Das MinStG soll erstmals für Geschäftsjahre gelten, die nach dem 30. Dezember 2023 beginnen. 

Eine Besteuerung nach dem MinStG soll keine Berechtigung zur Anwendung eines Doppelbesteuerungsabkommens begründen.

Der Grundstein für Säule 2 ist gelegt

Die Veröffentlichung des Diskussionsentwurfs verdeutlicht zunächst einmal eins: Die globale effektive Mindeststeuer kommt – auch in Deutschland. Und mit ihr die große Herausforderung für Unternehmen, sich mit den komplexen Regelungen vertraut zu machen. Hierzu bietet der Entwurf eine gute erste Möglichkeit. Schließlich enthält er neben den knapp 80 Seiten Gesetzestext rund 160 Seiten Gesetzesbegründung voller Klarstellungen und Beispiele. 

Ob die Einführung der Mindeststeuer am Ende tatsächlich zu den erwarteten Steuermehreinnahmen im niedrigen einstelligen Milliardenbereich pro Jahr führen wird und den in jedem Falle erheblichen Verwaltungs- und Beratungsaufwand aufwiegen wird, wird sich jedoch frühestens ab 2025 (durch die Übergangsregelungen vermutlich noch später) zeigen. Inwieweit es zu Rechtsstreitigkeiten kommt und wie die Finanzgerichte (und ggf. das Bundesverfassungsgericht und der EuGH) die Mindeststeuer bewerten, auch. 

Dennoch: Der Grundstein für Säule 2 in Deutschland ist gelegt. Dennoch: Der Grundstein für Säule 2 in Deutschland ist gelegt. Gerade aus steuerstrafrechtlicher Sicht ist es daher sinnvoll, sich bereits jetzt mit den Anforderungen auseinanderzusetzen und die eigene Compliance-Struktur auf ihre Tauglichkeit zur Befolgung dieser Anforderungen hin zu überprüfen.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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