Ab 2024 sollen Briefkastenfirmen innerhalb der EU mit empfindlichen steuerlichen Konsequenzen rechnen müssen.
Die EU-Kommission beginnt mit ersten Schritten zur Einführung einer Mindestbesteuerung und geht zugleich gegen Steuervermeidungsgestaltungen vor. Dazu hat sie zeitgleich mit dem Entwurf einer Richtlinie zur Sicherstellung der Mindestbesteuerung multinationaler Unternehmen innerhalb der EU am 22. Dezember 2021 einen Richtlinienentwurf zur Vermeidung steuerlicher Missbrauchsgestaltungen mit Hilfe von Briefkastenfirmen (engl.: shell entities) weiter vorangetrieben.
Die Regelungen sollen ab dem 1. Januar 2024 anzuwenden sein und für sämtliche Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform gelten, sofern
- sie einer wirtschaftlichen Betätigung nachgehen,
- in der EU ansässig sind und
- ihre Substanzprüfung negativ ausfällt.
Ausnahmen sind nur in sehr begrenztem Umfang vorgesehen, wie etwa für börsennotierte Unternehmen.
In Anbetracht des grenzüberschreitenden Charakters aggressiver Steuergestaltungen bzw. Steuerhinterziehungen werden die Behörden der Mitgliedstaaten automatisch Informationen über all diejenigen Unternehmen austauschen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, unabhängig davon, ob es sich im Einzelfall tatsächlich um eine „Briefkastenfirma“ handelt oder nicht.
Neue Transparenzstandards sollen aggressive Steuergestaltungen und Steuerhinterziehung verhindern
Briefkastenfirmen werden im internationalen Wirtschaftsverkehr häufig zur Steueroptimierung verwendet, teilweise jedoch auch zur Steuerhinterziehung. Mit Hilfe von Briefkastenfirmen können Unternehmen oder vermögende Privatpersonen Geldströme bzw. Vermögensgegenstände in Rechtsordnungen mit für sie attraktiveren Steuerbedingungen transferieren, um die eigene Steuerlast weitgehend zu reduzieren und zugleich den wirtschaftlich Berechtigten zu verschleiern.
Mit dem nun vorgelegten Richtlinienentwurf sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, in ihren nationalen Rechtsordnungen neue Transparenzstandards für Briefkastenfirmen festzulegen. Dies soll aggressiven Steuergestaltungen und Steuerhinterziehungen einen Riegel vorschieben. Zugleich werden dadurch die neuen Geldwäscheregelungen und Transparenzinitiativen unterstrichen.
Zweistufige Substanzprüfung zum Aufspüren von Briefkastenfirmen
Ob ein Unternehmen als Briefkastenfirma i.S.d. Richtlinie eingestuft wird, soll künftig mit Hilfe einer individuellen zweistufigen Substanzprüfung analysiert werden.
Auf der ersten Stufe wird untersucht, ob das Unternehmen die drei folgenden Kriterien kumulativ erfüllt:
- Das Unternehmen muss in den vorangegangenen zwei Wirtschaftsjahren zu 75 % relevante Einnahmen erzielt haben. Als solche Einnahmen werden passive Einkünfte wie etwa Dividenden, Zinsen oder Lizenzeinnahmen gesehen.
- Daneben muss ein grenzüberschreitendes Element hinzutreten, d.h., das Unternehmen müsste die genannten relevanten Einnahmen i.H.v. mindestens 60 % aus grenzüberschreitenden Transaktionen erzielt haben. Oder die Buchwerte des im Ausland befindlichen unbeweglichen Vermögens sowie die nicht zu betrieblichen Zwecken dienenden beweglichen Vermögensgegenstände – ausgenommen Barmittel, Wertpapiere etc. – müssen mehr als 60 % des Unternehmensvermögens ausgemacht haben.
- Schließlich werden Unternehmensführung und Unternehmensverwaltung einer Prüfung unterzogen und es wird untersucht, ob diese Bereiche im Wesentlichen an externe Dritte ausgelagert wurden.
Sollten relevante Einnahmen i.H.v. mindestens 75% vorliegen, sollte das grenzüberschreitende Element erfüllt und auch die Auslagerung der Unternehmensführung bzw. Unternehmensverwaltung nachweisbar sein, muss das Unternehmen in seiner jährlich einzureichenden Steuererklärung bestimmte belastbare Kernindikatoren angeben, die Gegenstand der zweiten Prüfungsstufe sind.
Diese Indikatoren sind bspw. Angaben hinsichtlich der Räumlichkeiten des Unternehmens, seiner Bankkonten, seiner steuerlichen Ansässigkeit und seiner Beschäftigten. So müssen Unternehmen im Ansässigkeitsstaat über eigene Räumlichkeiten und ein aktiv genutztes Bankkonto bei einer innereuropäischen Bank verfügen und die Beschäftigten steuerlich jedenfalls in der Nähe des Ansässigkeitsstaates des Unternehmens registriert sein.
Rechtsfolgen der Einordnung als Briefkastenfirma
Gelingt der Nachweis dieser Kernindikatoren nicht, wird das Unternehmen widerlegbar als Briefkastenfirma behandelt, was mannigfaltige steuerliche Konsequenzen nach sich zieht.
Das Unternehmen kann in der Folge keine Steuererleichterungen oder Vorteile von DBA mehr in Anspruch nehmen und fällt nicht mehr in den Anwendungsbereich von Mutter-Tochter-, Zins- oder Lizenzrichtlinie.
Daneben besteuern die Ansässigkeitsstaaten das Einkommen der Briefkastenfirmen und ihrer Anteilseignerder Anteilseigner der Briefkastenfirmen das Einkommen dieser Unternehmen im Einklang mit ihrem nationalen Recht dergestalt, als hätten die Anteilseigner das Einkommen der Briefkastenfirmen selbst erzielt. Im anderen Mitgliedstaat gezahlte Steuern können aber abgezogen werden.
Soweit die Anteilseigner nicht in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind, kommt im Mitgliedstaat der zahlenden Person (Quellenstaat des Einkommens) ungeachtet von DBA oder Richtlinien dessen lokales Quellensteuerrecht auf die Zahlung zur Anwendung. Schließlich besteuert der Belegenheitsstaat des Vermögens der Briefkastenfirma dieses Vermögen, als würde es von den Anteilseignern direkt gehalten.
Aktueller Richtlinienentwurf sieht Konsequenzen unter Rückblick auf die vorangegangenen zwei Steuerjahre vor
Vorbehaltlich der Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten zur Verabschiedung der Richtlinie sollen die Regelungen des Richtlinienentwurfs bis zum 30. Juni 2023 in nationales Recht umgesetzt und ab dem 1. Januar 2024 angewendet werden.
Ungeachtet dessen, ob ein Unternehmen danach als Briefkastenfirma zu qualifizieren ist oder nicht, sollen die Daten, die im Rahmen der Richtlinie erhoben werden, ab dann unter den Finanzbehörden der EU-Mitgliedstaaten ausgetauscht werden.
Für Verstöße gegen Pflichten aus der Richtlinie sieht der Entwurf zudem vor, dass die Mitgliedstaaten „effektive, angemessene und abschreckende“ Sanktionen erheben. Vorgegeben ist insoweit, dass bei unrichtigen oder nicht fristgerechten Angaben eine Geldbuße von mindestens 5 % des Umsatzes erhoben werden soll.
Erwähnenswert ist zudem, dass der Substanztest dabei einen Rückblick auf die vorangegangenen zwei Steuerjahre vorsieht. Dies bedeutet, dass bei einem Inkrafttreten der Richtlinie im Jahr 2024 die Einhaltung der Vorschriften durch ein Unternehmen ab Januar 2022 zu berücksichtigen wäre. Auch wenn die Richtlinie sich noch im Entwurfsstadium befindet, kann es daher im Einzelfall schon heute ratsam sein, Strukturen zu überprüfen, um unvorhergesehene Probleme zur Einhaltung der Richtlinie zu vermeiden.